Die Quantenphysik beschreibt unsere Welt und das Leben im allerkleinsten Maßstab. Auf dieser Ebene gelten die Regeln der Physik, wie wir sie im Alltag kennen, nicht. Stattdessen demonstrierten Experimente diverse Merkwürdigkeiten, die von plötzlichen Sprüngen, ungleichen Paaren bis hin zu Zeitreisen reichen. So können Quantenteilchen etwa scheinbar unüberwindbare Barrieren unter besonderen Umständen überwinden. Das gelingt durch den sogenannten Quantentunnel. Jedoch war es trotz theoretischer Vorarbeit niemandem gelungen den Tunneleffekt in einem Experiment nachzuweisen – bis jetzt. Ein Team hat es geschafft. So war es möglich.
Quantenphysik: Das ist der Quantentunnel
Die Physik, mit der wir unsere Welt beschreiben, ist nicht die Quantenphysik. In unserem Alltag gibt es auch auf molekularer Ebene ganz klare Regeln und Grenzen. So können etwa Teilchen, die mehrere Barrieren und Hindernisse überwinden müssen, dies ohne die nötige Energie nicht tun. Das ist dasselbe, als würdest du dir vornehmen, ohne Proviant die Alpen zu durchqueren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommst du nicht auf der anderen Seite der Berge an.
Doch geht man auf eine noch kleinere Ebene – die Quantenebene – sieht es schon wieder ganz anders aus. Hier scheinen die Teilchen in der Lage, Grenzen kinderleicht überwinden zu können. Bisher galt der Quantentunnel als theoretisches Konzept, der diese unmögliche Teilchenreise doch möglich macht.
Diese Theorie geht auf den deutschen Physiker Friedrich Hund zurück, weiß Scientific American. Während seiner Studien in den 1920er Jahren entdeckte er, dass diese „Tunnelreise“ in der Quantenphysik theoretisch möglich ist. Er definierte Quantenteilchen auch weniger als echte Teilchen. Durch ihre besonderen Eigenschaften, die bis in die Gegenwart erforscht werden, sind sie etwa in der Lage, überall aufzutauchen – so auch am anderen Ende einer unüberwindbaren Barriere.
Experiment zeigt Quantentunnel
Bislang galt es als nahezu unmöglich, den Tunneleffekt in der Quantenphysik mit einem Experiment sichtbar zu machen. Quantentunnel sind zum einen ein sehr seltenes Phänomen, zum anderen finden die Wanderungen äußerst langsam statt. Außerdem fehlt es auch in der Theorie an den mathematischen Werkzeugen, um einen Versuchsaufbau zu entwerfen. Einem Forschungsteam um den Molekularphysiker Roland Wester ist das Unmögliche gelungen. Wester beschreibt die gemeisterte Herausforderung mit folgenden Worten:
„Mit [Reaktionen zwischen] drei Atomen kann man das machen. Mit vier Atomen gibt es ein paar Gruppen, die damit umgehen können. Und mit fünf Atomen gibt es im Grunde niemanden auf der Welt, der die Mittel hat, dies vollständig quantentechnisch zu tun.“
Molekularphysiker Roland Wester
Folglich entschied sich die Studiengruppe, den Quantentunnel mithilfe einer Reaktion zwischen Wasserstoffgas und Deuterium-Ionen nachzuweisen. Hierzu gab es bereits vom theoretischen Physiker Viatcheslav Kokoouline eine mathematische Berechnung zur Reaktionsgeschwindigkeit. Entsprechend ließ sich hier die theoretische Grundlage mit der Realität vergleichen.
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Geschwindigkeiten stimmten nicht überein
Jedoch erfolgte nun eine lange Reihe diverser Fehlversuche. Die errechneten Zahlen wollten einfach nicht übereinstimmen. Kokoouline und Kolleg*innen haben drei verschiedenen Herangehensweisen ausprobiert und waren sich sicher: Wenn dieser Effekt in der Quantenphysik stattfindet, dann mit ihrer errechneten Reaktionsgeschwindigkeit.
Es dauerte letztendlich 15 Jahre bis wiederum Wester und sein Team endlich die Lösung gefunden hatten. In ihrem jüngsten Versuch haben die Forschenden Deuterium-Ionen in einer Art elektrischen Käfig eingefangen. Nach einer Spülung mit Wasserstoffgas kühlten sie das Versuchsumfeld auf 15 Grad Kelvin herunter (entspricht -258,15 Grad Celsius). Unter diesen Bedingungen können die Ionen und das Gas nicht aus „eigener Kraft“ miteinander reagieren. Sie müssen tunneln. Die Forschenden warteten fieberhaft die Reaktion ab und maßen parallel die Geschwindigkeit.
15 Minuten fieberhaftes Warten
Nach einer Wartezeit von einer Viertelstunde haben nur ein Bruchteil der Teilchen miteinander reagiert. Gerade einmal bei einer von 100 Milliarden Kollisionen ließ sich der Effekt in der Quantenphysik nachweisen. Aber auch das ist schon herausragend, da damit auch eine Übereinstimmung der mathematischen Grundlage erzielt wurde.
„Es fühlt sich ziemlich erstaunlich an, dass die Zahlen mit den Experimenten übereinstimmen“, sagt Isaac Yuen, der zusammen mit Kokoouline 2018 die Berechnungen durchgeführt hat, „Als Theoretiker fühlt sich das wie ein großer Triumph an.“
Die Forschenden der beiden Teams feiern ihren Durchbruch. Immerhin zeigt das Experiment, dass wir in der Lage sind, die komplizierte Welt der Quantenphysik zu verstehen und auch in Sachen Mathematik auf dem richtigen Weg sind, sie uns Stück für Stück zu erklären. Der Studienleiter und Physiker Stephan Schlemmer fast zusammen: „[In] unserer regulären Welt der klassischen Teilchen können Reaktionen mit einigen sehr einfachen Konzepten verstanden werden. Aber dieser Tunnelbau ist einfach eine ganz andere Welt. Und solche Messungen öffnen uns diese Welt.“
Quelle: Scientific American
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