Über Jahrtausende hinweg hat die Menschheit zahlreiche Epidemien erlebt, von der Attischen Seuche über die Antoninische Pest, das Italienische Fieber, den Schwarzen Tod bis hin zur Spanischen Grippe – selten ging ein Jahrzehnt ohne eine solche Plage vorüber. Die Beweise für diese verheerenden Ereignisse liegen oft tief unter der Erdoberfläche verborgen. Gelegentlich bringen archäologische Funde jedoch ihre Spuren wieder ans Licht.
Archäologischer Fund unter Nürnberg
Vergangenen August sollte in der Nürnberger Großweidenmühlstraße eigentlich ein Wohnheim für Senior*innen errichtet werden. Historische Quellen hatten allerdings darauf hingewiesen, dass sich in dem Gebiet Überreste einer Grenzanlage aus dem Dreißigjährigen Krieg sowie die Ruinen eines Kinderheimes aus dem 19. Jahrhundert verstecken könnten. Vor Beginn der Bauarbeiten sollten Archäologinnen und Archäologen ebendiese dokumentieren.
Tatsächlich entdeckten die Forschenden im Rahmen ihrer Untersuchung allerdings nicht das, womit sie rechneten, sondern ein Massengrab ungeahnter Ausmaße. Darin fanden sie die Überbleibsel von Kindern, Männern, Frauen und alten Menschen – und das in rohen Mengen. Fast 650 Skelette legte das Team frei. Sie alle stammten offenbar aus dem 17. Jahrhundert und fanden wohl in Folge der Großen Pest den Tod.
Die Besonderheit des archäologischen Fundes: Es handelt sich bei dem Massengrab in Nürnberg wohl um das größte seiner Art in ganz Europa. Dabei handele es sich um einen Anblick, „wie er sich auch Archäologen nur selten bietet“, zitierte der Spiegel den Chef des zuständigen Grabungsunternehmens In Terra Veritas, Julian Decker. „Da kommt ein Toter nach dem anderen raus.“
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„Versuchen, das Beste aus der Situation zu machen“
Der Fund habe die Forschenden völlig überrascht, ergänzte die Stadtarchäologin Melanie Langbein, die die Ausgrabung gemeinsam mit dem Chefanthropologen Florian Melzer leitete. „Wir werden alle menschlichen Überreste sichern und archivieren, die in den künftigen Baufeldern gefunden werden“, zitierte das Immobilienunternehmen WBG Nürnberg, das den Bau der Senioreneinrichtung verantwortet. „Wir nehmen derzeit an, dass es sich nach Abschluss der Arbeiten im Frühjahr um den größten in Europa ergrabenen Notfriedhof für Pesttote handelt.“
Diese Menschen seien „auf keinem normalen Friedhof bestattet“ worden, so Langbein gegenüber CNN, „obwohl wir in Nürnberg ausgewiesene Pestfriedhöfe haben“. Das bedeute eine große Anzahl von Toten, „die in kurzer Zeit ohne Rücksicht auf christliche Bestattungspraktiken beerdigt werden mussten“.
Ein sensibler und angemessener Umgang mit diesem bedeutenden archäologischen Fund sei selbstverständlich, betonte auch Oberbürgermeister Marcus König. Ralf Schekira, Geschäftsführer der wbg Unternehmensgruppe, stellte außerdem klar: „Als Bauherr weiß man um die Bedeutung der Archäologie und um die Verpflichtung, solche Grabungen durchzuführen. Mit einem solchen Fund allerdings haben wir nicht gerechnet und werden nun versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.“
Quellen: Der Spiegel; WBG Nürnberg; CNN
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