Vor etwa anderthalb Jahren hat Deutschland seine letzten drei Atomkraftwerke – Neckarwestheim 2, Emsland und Isar 2 – endgültig vom Netz genommen. Dennoch bleibt der Atomausstieg weiterhin ein kontrovers diskutiertes Thema. Im Mittelpunkt dieser Debatte stehen vor allem die Folgen dieser Entscheidung für den Strommarkt.
Deutschland nach dem Atomausstieg
Im Rahmen einer durch den Energieversorger Green Planet Energy und die Umweltschutzorganisation Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie zog die energiewirtschaftliche Unternehmensberatung enervis Bilanz. Ziel des Analysepapiers war der Rückblick auf die Entwicklungen am Strommarkt seit dem Ausstieg aus der Atomenergie. Dazu warf das Unternehmen einen Blick auf die Nettostromerzeugung und -nachfrage, den Importsaldo, CO₂-Emissionen sowie die Entwicklung von Großhandelsstrompreisen.
Bei gleichbleibender Nachfrage sei die Stromerzeugung zwischen April 2023 und März 2024 um elf Prozent gesunken. Denn: Nach dem Atomausstieg hat Deutschland weniger Strom aus Kohle und Atomenergie produziert. Obwohl mehr Strom importiert werden musste, sind sowohl die CO₂-Emissionen als auch die Strompreise gesunken, da zugleich mehr Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne gewonnen werden konnte.
„Der Hauptteil der Importe stammt aus erneuerbaren Energieträgern“, betont enervis. Rund 32,2 Terawattstunden (TWh), also 49 Prozent, seien erneuerbaren Energieträgern entsprungen. Lediglich 26 Prozent (17,6 TWh) stammten aus fossilen Energieträgern und 25 Prozent (16,4 TWh) aus Atomkraft. Auch die spezifische CO₂-Intensität des Strommix sei im vergangenen Jahr gesunken – um gut 50 Millionen Tonnen.
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Stromkosten im Tiefflug
„Der durchschnittliche Börsenstrompreis ist von 228 €/MWh (2022/23) auf 83 €/MWh (2023/24) gesunken“, so die Studie. „Grund dafür sind u.a. die geringeren Gaspreise sowie die höhere Verfügbarkeit von Wasserkraft in Europa und Atomkraft in Frankreich.“ Das hat für Verbraucherinnen und Verbraucher ganz direkte Auswirkungen.
Konkret könnte diese Entwicklung zur Reduktion der Stromkosten für Haushalte und Unternehmen führen. Das wiederum könnte nicht nur eine erschwinglichere Stromrechnung bewirken, sondern zugleich potenziell günstigere Preise für Waren und Dienstleistungen. Die Auswirkungen auf die Preise für Endverbraucherinnen und -verbraucher hängen jedoch stark von der Preisgestaltungspolitik der Stromanbieter und regulatorischen Entscheidungen ab. Sie bestimmen, inwiefern diese Einsparungen an die Verbraucherschaft weitergegeben werden.
Aus einer Strompreisanalyse des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) für Februar 2024 geht bereits hervor, dass „der durchschnittliche Strompreis für Haushalte [im Vergleich zum Jahresmittel 2023] zum Jahresbeginn 2024 um knapp 8 Prozent gesunken“ sei. Er betrage nun durchschnittlich 42,22 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) gegenüber 45,73 ct/kWh im Vorjahr.
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Ein Blick in die Zukunft
Basierend auf einem eigenen Current Efforts Scenario traf enervis in Folge seines Schulterblicks auch Prognosen für die kommenden Jahre. Die Prognosen bis 2030 und 2045 deuten auf eine signifikante Steigerung der Nettostromerzeugung in Deutschland hin – mit Zuwächsen von 64 beziehungsweise 129 Prozent im Vergleich zum Jahr 2024. Dieser Anstieg sei hauptsächlich auf den Ausbau erneuerbarer Energieträger zurückzuführen. Infolgedessen werde Deutschland, trotz des fortschreitenden Ausstiegs aus der fossilen Stromerzeugung, zu einem langfristigen Nettostromexporteur in Europa.
„Die höhere Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien führt mittel bis langfristig zu sinkenden Strompreisen“, erläutert die Unternehmensberatung. „Gemäß enervis Prognosen werden die Strompreise in Ländern mit einer hohen Marktdurchdringung (z.B. Dänemark, Norwegen und Schweden) geringer sein als in Deutschland. Länder wie Belgien, Frankreich oder die Niederlande mit weniger erneuerbaren Energien werden dagegen höhere Strompreise verzeichnen.“
Diese Entwicklung stelle Deutschland jedoch auch vor Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Volatilität der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Um die Versorgungssicherheit auch in Zeiten geringer Erzeugung aus erneuerbaren Quellen zu gewährleisten, seien flexible CO₂-neutrale Kapazitäten notwendig. „Neben Batteriespeichern werden insbesondere Gaskraftwerke, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden, diese Rolle einnehmen“, Kernkraftwerke seien dagegen aufgrund ihrer technisch eingeschränkten Flexibilität weniger geeignet.
Quelle: „Ein Jahr Atomausstieg in Deutschland – Ein energiewirtschaftlicher Schulterblick“ (2024); Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
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