Heutzutage haben sich Organtransplantationen zu einem medizinischen Routineverfahren entwickelt. Trotzdem ranken sich immer noch zahlreiche Mythen und Vorurteile um den Eingriff. Besonders aus ethischer Sicht wird das Verfahren oft heftig diskutiert. Eine neue Studie könnte dies nun noch weiter befeuern, denn Forscher*innen haben einen schockierenden Nebeneffekt der oftmals lebensrettenden OP entdeckt.
Organtransplantation kann Persönlichkeit verändern
Weltweit werden jedes Jahr mehr als 140.000 Organtransplantationen durchgeführt. Doch nun hat eine Forschungsteam der University of Colorado School of Medicine herausgefunden, dass der medizinische Eingriff wohl größere Konsequenzen für den Menschen hat, als bisher vermutet. So soll sich die OP nicht nur auf den Körper der Patient*innen auswirken, sondern auch auf deren Persönlichkeit.
In einer Studie mit knapp 50 Teilnehmer*innen, gaben 89 Prozent an, dass sie nach dem medizinischen Eingriff teils gravierende Unterschiede in bestimmten Charaktereigenschaften oder Angewohnheiten bei sich wahrnehmen konnten. Die Wissenschaft hat diesbezüglich schon mehrere Theorien aufgestellt, doch die meisten bezogen sich bisher lediglich auf Herztransplantationen. Das Besondere nun ist jedoch, dass die Persönlichkeitsveränderungen auch bei Patient*innen beobachtet werden konnte, die ein anderes Organ eingesetzt bekamen.
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Unbekannte Erinnerungen nach Herztransplantation
So wurde lediglich bei 23 Personen der Studie ein Herz transplantiert, der Rest hatte ein anderes Organ erhalten. Trotzdem berichten beide Gruppen von Änderungen in der Persönlichkeit nach der Operation. Einige davon können sehr drastisch sein, andere wiederum nur geringfügig. In der Studie heißt es, die Teilnehmenden berichten von „Veränderungen der Vorlieben in Bezug auf Essen, Musik, Kunst, Sex, Freizeit und Karriere, dem Erleben neuer Erinnerungen, Euphorie, einer verbesserten sozialen und sexuellen Anpassung, verbesserten kognitiven Fähigkeiten und von spirituellen oder religiösen Episoden.“
Das meiste davon wurden als positiv oder neutral von den Patient*innen eingestuft. Einige Folgen der Organtransplantation wurden jedoch auch als kritisch und verstörend bewertet. So klagten 30 bis 50 Prozent der Teilnehmenden, denen ein neues Herz eingesetzt wurde, auch über Depressionen, Angstzustände und Psychosen. Viele Proband*innen berichten nach einer Herztransplantation zudem vom plötzlichen Auftauchen von Erinnerungen, die offensichtlich zu den Organspender*innen gehört haben müssen.
So erhielt beispielsweise ein 5-jähriger Junge das Herz eines 3-jährigen Jungen. Er wurde aber weder über das Alter noch über die Todesursache seines Spenders informiert. Nach der Organtransplantation gab der kleine Junge in der Studie jedoch eine lebhafte Beschreibung seines Spenders: „Er ist ein kleines Kind. Er ist ein kleiner Bruder, ungefähr halb so alt wie ich. Er hat sich schwer verletzt, als er hinfiel. Ich glaube, er mag die Power Rangers sehr, so wie ich früher. Ich mag sie aber nicht mehr.“
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Erinnerungen könnten in Organ-Zellen abgespeichert sein
In der Forschung existieren bereits zahlreiche Hypothesen, um Persönlichkeitsveränderungen nach einer Organtransplantation zu erklären. Einige davon besagen, dass die meisten dabei lediglich psychologischer Natur sind. So könnte es sich um einen Placeboeffekt handeln, bei dem die überwältigende Freude über den neuen Lebensabschnitt der Person eine positivere Stimmung verleiht. Andere Transplantationsempfänger*innen hingegen würden unter Schuldgefühlen gegenüber den verstorbenen Spender*innen leiden, dies kann auch zu Depressionen und anderen psychischen Problemen führen
Jedoch geben die Forscher*innen in der Studie auch eine mögliche biochemische Erklärung für diese erstaunlichen Nebeneffekte der Organtransplantationen an. Demnach soll Erinnerungen in den Zellen der Organe abgespeichert sein, die diese dann an die Empfänger*innen weitergeben. Auch eine Übertragung über Neuronen könnte eine mögliche Ursache sein. Diese betrifft vor allem Herzpatient*innen. Denn im Gehirn und im Herzen lassen sich dieselben Neurotransmitter finden. „Dieses komplexe System von Neuronen, das als „Herzhirn“ bezeichnet wird, soll Erinnerungen speichern, die während einer Transplantation zusammen mit dem Herzen übertragen werden könnten und so die Persönlichkeit des Empfängers verändern.“
Die Forschenden geben aber gleichzeitig an, dass eine weitaus größere Studie mit mehr Teilnehmer*innen nötig ist, um eindeutige Aussagen über mögliche Persönlichkeitsveränderungen nach einer Organtransplantation treffen zu können. Das gilt vor allem in Bezug auf Patient*innen, die ein anderes Körperteil als das Herz implantiert bekamen. Darüber gebe es bis jetzt nur wenig dokumentierte Informationen.
Quelle: „Personality Changes Associated with Organ Transplants“ (Transplantology, 2024)
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