Die Geburtsstunde des Graffitis wird allgemein in den 1970er Jahren in New York verortet. Doch das Bedürfnis des Menschen sich mit Zeichnungen an Wänden oder Sonstigem zu verewigen ist deutlich älter, wie bereits zahlreiche archäologische Funde zeigen konnten. Nun ergänzt eine jahrhundertealte Tür aus einer Burg in England die Sammlung der historischen Alltagskritzeleien.
Archäologischer Fund ist „erstaunliche Entdeckung“
Wie die Organisation English Heritage schreibt, wurde die Tür vor einigen Jahren in einem Turm von Dover Castle, einer Burg im Südosten Englands, entdeckt. Sie wird auf die Zeit um 1790 datiert. Damals war die Festung eine wichtige Verteidigungsanlage. Denn Ende des 18. Jahrhunderts fürchtete England einen Überfall der napoleonischen Armee. Mehrere Soldaten waren zu diesem Zeitpunkt auf Dover Castle stationiert und diese haben wohl eine ganz besondere Methode gefunden, um sich die zahllosen Stunden des Wartens und des Wachdienstes zu vertreiben.
Denn während der Restaurierung wurde die Tür nun von einer dicken Farbschicht befreit: Dabei kamen rund 50 Kritzeleien zum Vorschein, die mit Messern oder möglicherweise auch Bajonetten eingeritzt wurden. Dazu zählen „eine detaillierte Schnitzerei eines Segelschiffs, das Datum der Französischen Revolution (1789), neun makabre Darstellungen von Hinrichtungen und unzählige Initialen.“ Das früheste datierte Exemplar stammt wohl aus dem Jahr 1789 und das älteste aus 1855.
Paul Pattison, Historiker von English Heritage, beschreibt dabei die große Faszination dieses archäologischen Fundes: „Eine Leiter in das obere Stockwerk des St. John’s Tower zu erklimmen und diese bemerkenswerten Schnitzereien an der Tür zu sehen, war eine erstaunliche Entdeckung. Dieses Graffiti gibt einen einzigartigen Einblick in die Köpfe dieser Soldaten, insbesondere in einer so aufgeladenen Zeit.“ Besonders eine Zeichnung, weckte dabei die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler*innen.
Lesetipp: Mysteriöse Botschaft auf uraltem Stein entdeckt
Makabre Zeichnungen und mysteriöse Symbole
Denn auf dem archäologischen Fund, sind mindestens neun grausame Abbildungen von Hinrichtungen zu sehen. Die Forschenden bezeichnen dies als „eine seltsame und makabre Wiederholung“. Darunter auch ein Beispiel, bei dem ein Mann eine Militäruniform und einen Zweispitz trägt. Es handelt sich möglicherweise um die Darstellung einer echten Hinrichtung, da diese damals in Dover als morbide Unterhaltung dienten. Vielleicht könnte mit der Darstellung aber auch Napoleon selbst gemeint sein.
Doch die Forscher*innen fanden noch weitere mysteriöse Symbole auf der Tür, die einen starken spirituellen Bezug aufweisen. Wie zum Beispiel ein Glas oder einen Kelch für Wein, über dem sich ein kunstvolles Kreuz befindet.
Bereits ab diesen Juli soll der archäologische Fund der Öffentlichkeit zugänglich sein und im Dover Castle ausgestellt werden. Denn „was diese Tür zu einem so außergewöhnlichen Objekt macht, ist, dass sie ein seltenes und wertvolles Beispiel für den gewöhnlichen Menschen ist, der seine Spuren hinterlässt; sei es, um die Zeit totzuschlagen oder um in Erinnerung zu bleiben“, so Pattison.
Quelle: English Heritage
Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Hier kannst du den Betroffenen helfen.