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Evolution: Neue Studie stellt herkömmliche Ansichten in Frage

Die Evolution von Lebewesen könnte anders ablaufen, als die Wissenschaft bisher angenommen hat. Dies legt zumindest eine neue Studie nahe.

DNA-Moleküle neben einer Hand die eine Pinzette hält.
© Sergey Nivens - stock.adobe.com

Vom Affen zum Menschen: An diesem Punkt war die Wandlung vollendet

Der Zeitpunkt, wann der Affe sich zum Menschen entwickelte, ist schwer zu bestimmen.Vor rund 300.000 Jahren soll der Homo sapiens geschaffen worden sein.Aber erst vor rund 65.000 Jahren schuf der Mensch Werkzeuge, Artefakte und Kunst.

In einer neuen Studie untersuchten Wissenschaftler der Arizona State University genetische Veränderungen, die in einer natürlich isolierten Population von Wasserflöhen der Art Daphnia pulex auftreten. Dieses winzige Krebstier ist mit bloßem Auge kaum sichtbar. Jedoch spielt es eine entscheidende Rolle in Süßwasserökosystemen und bietet einen wichtigen Einblick in die natürliche Selektion und Evolution.

Forscher untersuchen Evolution von Wasserflöhen

Die Erkenntnisse, die im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurden, basieren auf einem Jahrzehnt Forschung. Mithilfe modernster genomischer Techniken analysierte das Team bestehend aus vier Wissenschaftlern die DNA-Proben von fast 1.000 Daphnien. Ihre Ergebnisse stellen dabei herkömmliche Ansichten über die Evolution in Frage.

Wasserflöhe, eine Form des Zooplanktons, faszinieren die Biologie seit Jahrhunderten, heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung der Arizona State University. Denn sie besitzen einen schnellen ungeschlechtlichen Reproduktionszyklus und reagieren überaus empfindlich auf verschiedene Umweltschadstoffe. Die mehrjährige Analyse von fast 1.000 genetischen Proben aus einer Population von Daphnia pulex zeigte, dass die Stärke der natürlichen Selektion auf einzelne Gene der Tiere von Jahr zu Jahr erheblich variiert.

Die Forscher würden damit wissenschaftliches Neuland betreten, da sie so genau bestimmen, wann und wo Selektionsdrücke innerhalb des Erbguts auftreten. „Diese Studie hat uns zum ersten Mal einen Einblick in die Art zeitlicher Änderungen der Genfrequenzen gegeben, die selbst in scheinbar konstanten Umgebungen auftreten, eine Art fortlaufender Wandel der genetischen Variation, die über das gesamte Genom verteilt ist“, erklärt Michael Lynch, der Hauptautor der neuen Studie.

„Evolution ist dynamischer und komplexer als bisher angenommen“

Die beobachteten Selektionsmuster an verschiedenen Genstellen bieten laut den Forschenden einen Mechanismus zur Aufrechterhaltung der genetischen Vielfalt, die für eine schnelle Anpassung unerlässlich ist. Die Studie ergab auch, dass Gene, die auf Chromosomen nahe beieinander liegen, dazu neigen, sich koordiniert zu entwickeln. Diese Verknüpfung ermöglicht die gemeinsame Vererbung vorteilhafter Kombinationen von Genvarianten, was den Anpassungsprozess möglicherweise ebenfalls beschleunigt.

Dieser Effekt könnte helfen zu erklären, warum sich Arten manchmal schneller anpassen, als die Wissenschaft normalerweise erwarten würden. „Die Studie zeigt, dass die Evolution dynamischer und komplexer ist als bisher angenommen,“ lautet das Fazit in der Mitteilung der Universität.

„Dieses neue Verständnis könnte Wissenschaftler dazu veranlassen, ihre Art der Evolutionsforschung in freier Wildbahn zu überdenken“, fügen sie hinzu. Denn obwohl sich die Studie auf Daphnia pulex konzentrierte, könnten die Ergebnisse Auswirkungen auf das Verständnis haben, wie andere Arten auf rasche Umweltveränderungen reagieren könnten. Einschließlich solcher Faktoren, die durch menschliche Aktivitäten wie Umweltverschmutzung und Klimawandel verursacht werden.

Wichtige Erkenntnisse für Naturschutz

Dabei wird die wissenschaftliche Bedeutung der Studie betont. Diese sei entscheidend, „da Laborexperimente allein die Komplexität der Umwelteinflüsse, die auf wilde Populationen einwirken, nicht reproduzieren können.“ Darüber hinaus könnte das Verständnis der Evolution von Daphnien Einblicke in die Widerstandsfähigkeit ganzer Ökosysteme liefern. Dieses Wissen könnte der Forschung helfen, die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die Artenvielfalt und Nahrungsnetze vorherzusagen und möglicherweise abzumildern.

So heißt es in der Pressemitteilung: „Während die Welt mit einer sich beschleunigenden Umweltkrise zu kämpfen hat, liefern Studien wie diese entscheidende Einblicke in die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Natur. Indem sie diese winzigen Lebewesen weiter erforschen, hoffen die Wissenschaftler, die grundlegenden Mechanismen der Evolution besser zu verstehen und diese Erkenntnisse auf umfassendere ökologische und Naturschutzbemühungen anzuwenden.“

Quellen: Arizona State University, „The genome-wide signature of short-term temporal selection“ (Proceedings of the National Academy of Sciences 2024)

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