Eine neue Studie unter der Leitung von Wissenschaftler*innen des National Oceanography Centre (NOC) hat erstmals die komplexen Strömungsbewegungen auf dem Meeresboden genau untersucht. Die Datensätze zeigen, dass die Intensität der Strömungen in der Tiefsee saisonal variieren und sogar innerhalb von Stunden ihre Richtung ändern können. Dies widerspricht bisherigen wissenschaftlichen Theorien.
Tiefsee: Strömungen am Meeresboden
Die in Nature Geoscience veröffentlichten Studie ergab, dass sich die Strömungen in der Tiefsee je nach den unterschiedlichen und unebenen Merkmalen des Meeresbodens beschleunigten, verlangsamten, ihre Richtung änderten und manchmal sogar vollständig umkehrten. Diese Erkenntnis stellte für die Wissenschaft eine wahre Überraschung dar.
Denn frühere Modelle gingen davon aus, dass diese Strömungen kontinuierlich und gleichmäßig wären. Die neuen Ergebnisse könnten nun Forscher*innen zum einen helfen, die Wege von Nährstoffen besser zu verstehen, die Tiefseeökosysteme aufrechterhalten. Zum anderen können die Wissenschaftler*innen nun aber auch besser beurteilen, wo sich Mikroplastik und andere Schadstoffe im Ozean ansammeln, wie in einer offiziellen Pressemitteilung des NOC heißt.
Der Meeresboden ist das endgültige Ziel für Partikel wie Sand, Schlamm, organischen Kohlenstoff, aber auch für Schadstoffe. Ansammlungen dieser Partikel in der Tiefsee können unter anderem verwendet werden, um vergangene Naturgefahren und Ozeanbedingungen zu rekonstruieren. Dadurch entstehen auch wertvolle Archive des Klimawandels, die weit über historische Aufzeichnungen hinausgehen. Durch ein besseres Verständnis der Wechselwirkung von Tiefseeströmungen mit dem Meeresboden können Wissenschaftler*innen die Ablagerungen, die sie hinterlassen, nun genauer interpretieren.
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„Bis jetzt hatten wir nur ein unzureichendes Verständnis davon“
Der leitende Wissenschaftler des Projekts, Dr. Mike Clare vom NOC, sagte: „Es ist wichtig, das Verhalten und die Wege der Strömungen in der Tiefsee zu verstehen, um die Wege natürlicher und von Menschen verursachter Partikel zu bestimmen. Diese Informationen helfen dabei, herauszufinden, woher die Verschmutzung kommt, mit welchen Ökosystemen sie interagiert und wie man die in Ablagerungen erhaltenen Aufzeichnungen interpretieren kann.“
An der neuen Studie waren Forscher*innen aus Großbritannien, Kanada, Deutschland und Italien beteiligt waren. Sie analysierte Daten von einer umfangreichen Reihe von Sensoren. Damit bestimmten sie die Variabilität der Meeresbodenströmungen über einen Zeitraum von vier Jahren. Dafür wurden 34 Tiefseeverankerungen in bis zu 2,5 Kilometern Wassertiefe eingesetzt und mit hochfrequenten akustischen Doppler-Strömungsprofilern ausgestattet. Das ist vergleichbar mit einer Unterwasser-Blitzkamera, die Meeresbodenströmungen misst.
Dr. Ian Kane von der Universität Manchester und Mitautor der Studie fasste die Untersuchung dabei wie folgt zusammen: „Das Verhalten dieser Strömungen zu beobachten, ist ein bisschen wie das Wetter in Manchester zu beobachten – es ändert sich ständig und ist oft überraschend. Aber Veränderungen in der Tiefsee zu beobachten, ist wirklich eine Herausforderung und bis jetzt hatten wir nur ein unzureichendes Verständnis davon, wie die Hintergrundbedingungen in der Tiefsee sind.“
Quellen: National Oceanography Centre, „Highly variable deep-sea currents over tidal and seasonal timescales“ (Nature Geoscience 2024)
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