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Nordische Sagengestalt entdeckt – Archäologen machen historischen Fund

Die Sage um den Angriff auf die Sverresborg ist längst nicht in Vergessenheit geraten. Jüngste Analyse präsentieren sie in einem neuen Licht.

Skelett des Brunnenmannes
© Lull - stock.adobe.com / Åge Hojem NTNU Vitenskapsmuseet [M]

Die 5 wichtigsten archäologischen Funde aller Zeiten

Jahrtausende menschlicher Kultur bringen auch nach langer Zeit immer wieder erstaunliche Erkenntnisse hervor.Wir zeigen dir die fünf wichtigsten archäologischen Funde aller Zeiten.

Moderne Analysen ermöglichen es, auch in die Jahre gekommene archäologische Funde in einem neuen Licht darzustellen. So haben Forschende eine faszinierende Verbindung zwischen einer alten nordischen Saga und echten Überresten in Norwegen entdeckt. Die Sverris Saga, ein rund 800 Jahre altes Werk, das die Herrschaft von König Sverre Sigurdsson beschreibt, erwähnt in einem kurzen Satz eine Leiche, die von Angreifenden in einen Schlossbrunnen geworfen wurde.

Archäologischer Fund in neuem Licht

Die Geschichte des sogenannten Brunnenmanns schien lange nur eine Nebensache zu sein. Doch durch die Analyse von Knochen, die im Brunnen der Sverresburg gefunden wurden, konnten Forschende nun zeigen, dass diese Erzählung auf einer echten historischen Figur basiert. Den archäologischen Fund der Sagengestalt machte man bereits 1938 in der Sverresburg nahe Trondheim. Allerdings gab es damals noch nicht die nötigen technischen Mittel, um mehr über die Person herauszufinden.

Heute jedoch nutzt ein Team unter der Leitung von Martin Ellegaard von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU) in Trondheim moderne Methoden wie Radiokohlenstoffdatierung, Gen-Sequenzierung und Isotopenanalyse. Dadurch konnten sie interessante Details über das Leben dieses Mannes aufdecken und bestätigen, dass er zur Zeit des beschriebenen Angriffs lebte.

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„Das ist das erste Mal“

Die Radiokohlenstoffdatierung, die die Forschenden im Rahmen ihrer im Fachjournal iScience veröffentlichten Studie vornahmen, zeigte, dass der Brunnenmann ungefähr im Jahr 1197 nach Christus starb. Dabei handelt es sich um genau die Zeit, in der die Saga den Angriff auf die Sverresburg beschreibt.

Genanalysen des archäologischen Fundes ergaben, dass er vermutlich hellbraune oder blonde Haare und blaue Augen hatte. Außerdem deuten die genetischen Daten darauf hin, dass er aus Vest-Agder im Süden Norwegens stammte. Das heißt, er war wahrscheinlich weit gereist, um am Konflikt teilzunehmen. Damit verbindet die Analyse den Mann sowohl mit der Saga als auch mit bestimmten Regionen Norwegens.

„Das ist das erste Mal, dass eine in diesen historischen Texten beschriebene Person tatsächlich gefunden wurde“, erklärte Professor Michael D. Martin vom Universitätsmuseum der NTNU. „Es gibt viele dieser mittelalterlichen und antiken Überreste in ganz Europa, und sie werden zunehmend mit genomischen Methoden untersucht.“

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Angriff auf die Sverresborg

König Sverre Sigurdsson war ein norwegischer König, der von 1177 bis 1202 regierte. Er gilt als einer der bedeutendsten Monarchen Norwegens im Mittelalter und führte das Land durch eine turbulente Zeit voller interner Konflikte. Sverre wurde wahrscheinlich um 1151 auf den Färöern geboren und trat später in Norwegen als möglicher Sohn des Königs Sigurd Munn auf, was ihm einen Anspruch auf den Thron verschaffte.

Die Saga berichtet, dass die Angreifenden die sogenannten Bagler waren, eine Gruppe, die mit der katholischen Kirche verbündet war und sich gegen König Sverre stellte. Sie sollen das Schloss geplündert und eine Leiche in den Brunnen geworfen haben, um das Wasser zu vergiften.

Laut der Saga verschonten die Bagler die Bewohner*innen des Ortes, aber die Überreste des Brunnenmannes lassen vermuten, dass es doch zu Blutvergießen kam. Ob er selbst ein Bagler oder ein Verteidigender des Schlosses war, bleibt jedoch unklar.

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„Der Text ist nicht absolut korrekt“

Die Isotopenanalyse der Knochen aus dem archäologischen Fund zeigte, dass der Brunnenmann sich überwiegend von Meeresfrüchten ernährte. Das passe zu einem Leben an der Küste Norwegens. Sie bestätigte also nicht nur die Zeitspanne seines Todes, sondern auch seinen wahrscheinlichen Lebensraum und seine Essgewohnheiten.

Zusammen liefern die Ergebnisse der Radiokohlenstoff- und Isotopenanalyse ein immer klareres Bild über das Leben und den Tod des Brunnenmannes und ordnen ihn direkt in das historische Geschehen ein.

„Der Text ist nicht absolut korrekt – wir haben gesehen, dass die Realität viel komplexer ist als der Text“, betonte die Archäologin Anna Petersén vom Norwegischen Institut für Kulturerbeforschung in Oslo. Forschungsleiter Ellegaard ergänzte: „Wir können das, was tatsächlich passiert ist, auf eine neutralere Art und Weise bestätigen.“

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Analyse weiterer Funde

Die Entdeckung zeigt, wie historische Berichte und moderne Genforschung zusammenarbeiten können, um versteckte Wahrheiten aufzudecken. Die Forschenden wollen nun ähnliche Techniken auf andere archäologische Funde in Europa anwenden.

„Man vermutet, dass der bedeutende norwegische Heilige Olaf irgendwo in der Kathedrale von Trondheim begraben ist“, so Martin, „Daher denke ich, dass, wenn seine Überreste irgendwann gefunden werden, man versuchen könnte, ihn physisch zu beschreiben und seine Abstammung mithilfe der genetischen Sequenzierung zurückzuverfolgen.“

Quellen: „Corroborating written history with ancient DNA: The case of the Well-man described in an Old Norse saga“ (iScience, 2024); Cell Press

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