Das Schmelzen der Gletscher und der Eisdecke in der Antarktis gilt als entscheidender Kipppunkt für das globale Klima. In einer neuen Mission will ein internationales Forschungsteam deshalb mehr über die Prozesse im Polargebiet erfahren. Dabei zeigen sie sich überaus euphorisch.
Antarktis: Rätsel um Ross-Schelfeis
Wenn die riesige Eisdecke in der Westantarktis vollständig schmilzt, würde das den Meeresspiegel um vier bis fünf Meter anheben, wie es in einer offiziellen Mitteilung der Universität Binghamton heißt. Laut den Wissenschaftler*innen könnte ein Zusammenbruch einiger Teile der Eisdecke aufgrund des dort vorhandenen warmen Wassers unvermeidlich sein.
Dazu zählt auch das Gebiet rund um den Thwaites-Gletscher, der auch als „Doomsday-Gletscher“ also „Gletscher des jüngsten Gerichts“ bekannt ist. Doch eine Region in der Antarktis entzieht sich bisher diesem Prozess und stellt für die Forschung ein wahres Rätsel dar. Denn unter dem Ross-Schelfeis, das als Stützpfeiler zur Stabilisierung des Inlandeises dient, bleibt das Wasser bisher kalt.
So stellen sich die Forscher*innen die Frage, ob das Ross-Schelfeis schmelzen wird. Und wenn ja, ab welchem Zeitpunkt es so weit sein könnte. „Wissenschaftler, Bohrer und Antarktis-Experten aus 13 Ländern haben sich im Rahmen des Projekts ‚Sensitivity of the West Antarctic Ice Sheet to 2°C of warming‘ (SWAIS2C) zusammengefunden, um Antworten auf diese Fragen zu finden“, erklärt die Universität.
Lesetipp: Im Wasser der Antarktis – Forscher machen „einzigartige“ Entdeckung
Forscher*innen bohren riesiges Loch in Eisdecke
Das Unterfangen gestaltet sich dabei alles andere als einfach. Denn das Forschungsteam muss dafür tief in die Eisdecke bohren. Ihr Ziel ist es nämlich, Erkenntnisse aus den Sedimentschichten gewinnen, die sich auf dem Meeresboden unter dem Ross-Schelfeis ablagern.
Um an diese zu gelangen, müssen sie ein Loch durch etwa 580 Meter Eis schmelzen, eine 55 Meter tiefe Meereshöhle durchqueren und mithilfe eines speziell entwickelten Bohrsystems einen Sedimentkern aus 200 Metern Tiefe aus dem Meeresboden holen. Im letzten Jahr ist der erste Versuch dieser Art bereits gescheitert. Da das Team mit technischen Schwierigkeiten kämpfte, als der Meeresboden erreicht wurde.
Professorin Molly Patersson, Co-Chefwissenschaftler von SWAIS2C, betonte jedoch die Bedeutung einer erneuten Durchführung der Mission: „Die internationale Partnerschaft, die dieses Projekt unterstützt, zeigt wirklich, wie wir versuchen können, einige der dringendsten und herausforderndsten wissenschaftlichen Fragen im Zusammenhang mit den Auswirkungen des globalen Wandels, die auch die Gesellschaft betreffen.“
Auch interessant: Riesige Konstruktion in der Antarktis geplant – Forscher warnen vor unvorhersehbaren Risiken
„Wir nutzen die Vergangenheit, um uns auf unsere Zukunft vorzubereiten“
Dabei stellt sich nun vermutlich bei vielen die Frage, wie Sedimentablagerung bei der Erforschung des Ross-Schelfeises helfen können. Doch die Steine und der Schlamm im Sedimentkern werden zeigen, wie sich der Eisschild während der letzten Zwischeneiszeit vor 125.000 Jahren verhalten hat. Damals war die Erde etwa 1,5 Grad Celsius wärmer als im Vergleich zu vorindustrielle Temperaturen. „Also ganz ähnlich den Temperaturen in diesem Jahr aufgrund des vom Menschen verursachten Klimawandels“, so die Forscher*innen.
Das Team bezeichnet diese Erkenntnis und das SWAIS2C-Projekt deshalb bereits jetzt als „die Entdeckung unseres Lebens“. Sollte die Mission zudem noch Meeresalgen zutage fördern, die auf Bedingungen im offenen Ozean hinweisen, wäre das ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich der Eisschild bereits zurückgezogen hat.
„Die Entnahme dieser Probe von einem so abgelegenen Ort wird uns helfen, ein viel klareres Bild davon zu erhalten, wie das westantarktische Eisschild auf die zukünftige Erwärmung reagieren wird, welche Teile zuerst schmelzen und welche Teile erhalten bleiben. Wir nutzen die Vergangenheit, um uns auf unsere Zukunft vorzubereiten“, so Co-Chefwissenschaftlerin Tina van de Flierdt vom Imperial College London.
Quelle: Binghamton University
Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Hier kannst du den Betroffenen helfen.