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Merz‘ radikaler Kurs: Keine Kompromisse mehr bei Asyl und Überwachung

Die Christlich Demokratische Union und die Christlich-Soziale Union (CDU/CSU) wollen die Sicherheitsgesetze verschärfen und die Überwachung ausweiten.

Friedrich Merz vor Ãœberwachungskameras
© IMAGO / Schöning / Eventpress [M]

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Der Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion folgte auf den tödlichen Messerangriff vom 22. Januar in Aschaffenburg. Gefordert sind unter anderem eine verpflichtende Vorratsdatenspeicherung für drei Monate und eine Echtzeit-Gesichtserkennung an kriminalitätsbelasteten Orten wie Bahnhöfen und Flughäfen. CDU-Chef Friedrich Merz lehnte Kompromisse ab, auch wenn das bedeute, Unterstützung von der Alternative für Deutschland (AfD) anzunehmen.

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Die CDU/CSU will den Nachrichtendiensten laut dem Antrag mehr Befugnisse geben und rechtliche Einschränkungen abbauen. Sie argumentiert, dass deutsche Inlandsnachrichtendienste mit ihren internationalen Partnern gleichziehen müssen. Statt der geplanten „Überwachungsgesamtrechnung“ der Bundesregierung fordert die Union eine „Bedrohungsgesamtrechnung“, die stärker auf Sicherheitsrisiken eingeht.

„Aufgrund der völlig falschen Zielrichtung das Vorhaben einer sogenannten Überwachungsgesamtrechnung umgehend aufzugeben und stattdessen eine Bedrohungsgesamtrechnung zu erstellen“, so die Fraktion, „um eine Übersicht des Bedarfs an Fähigkeiten und gesetzlichen Anpassungen für die Sicherheitsbehörden des Bundes abzuleiten“.

Auch die Polizei soll neue Werkzeuge bekommen. Geplant sind bessere Datenanalyse, mehr Überwachung von Online-Kommunikation und die Einführung von vorausschauender Polizeisoftware. Außerdem soll die umstrittene Software VeRA bundesweit eingeführt werden. Der Antrag fordert zudem, dass psychisch erkrankte Gewalttätige als eigene Gefährdergruppe eingestuft werden.

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Was ist VeRA?

Die Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform (VeRA), ist eine von der US-Firma Palantir entwickelte Software, die der Polizei ermöglicht, verschiedene interne Datenbanken zu durchsuchen und zu analysieren. Ziel ist es, durch die Zusammenführung und Auswertung vorhandener Daten Verbindungen zwischen Personen, Ereignissen und Orten zu erkennen, um so die Ermittlungsarbeit bei schweren Straftaten wie Terrorismus oder organisiertem Verbrechen zu unterstützen.

Die Software greift dabei auf bereits erhobene polizeiliche Daten zu und stellt diese in unterschiedlichen Formaten dar, beispielsweise als Netzwerke oder Karten.

In Deutschland ist VeRA bereits in mehreren Bundesländern im Einsatz oder wird erprobt. Hessen nutzt eine angepasste Version namens Hessendata, während Nordrhein-Westfalen das System unter der Bezeichnung Datenbankübergreifende Analyse und Recherche (DAR) verwendet. In Bayern wurde VeRA im August 2024 eingeführt, nachdem der Landtag die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen hatte.

Der Einsatz der Software ist jedoch umstritten; Datenschützer*innen äußerten etwa tz.de zufolge Bedenken hinsichtlich des Zugriffs auf umfangreiche personenbezogene Daten, die ursprünglich für andere Zwecke erhoben wurden. Sie warnen vor möglichen Eingriffen in die Privatsphäre und fordern klare gesetzliche Regelungen sowie wirksame Datenschutzmaßnahmen beim Einsatz von VeRA.

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„Datenschutz ist ein Grundrecht“

Kritik kommt auch von Datenschützenden und der Tech-Branche. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. (eco) warnt, dass der Antrag die Interessen der Sicherheitsbehörden über die Grundrechte stellt.

„Datenschutz ist ein Grundrecht, das in Deutschland aufgrund historischer Erfahrungen etabliert wurde. Eingriffe in dieses Grundrecht müssen stets gegen die jeweils betroffenen Rechtsgüter abgewogen werden“, betonte der eco-Vorsitzende Oliver Süme in einem Statement. „Datenschutz jedoch als Täterschutz zu diffamieren, zeugt von einem fragwürdigen Grundrechtsverständnis.“

Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion geht aber noch weiter. So fordert er zusätzlich die Ausweitung der Befugnisse zur elektronischen Gesichtserkennung, insbesondere für die Echtzeit-Überwachung. Angedacht sei dies für kriminalitätsbelastete Orte wie Bahnhöfe und Flughäfen. „Überdies ist eine umfassende Befugnis zum Einsatz moderner Software zur Analyse großer Datenmengen, polizeilicher Datenbanken und sozialer Netzwerke einzuführen, und es sind wirksame und praktikable Kompetenzen zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung zu schaffen“

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Antrag im Bundestag gescheitert

Trotz der Forderungen der CDU/CSU fand der Entschließungsantrag keine Mehrheit im Bundestag. In der Abstimmung am 29. Januar 2025 wurde er mit 509 Nein-Stimmen bei 190 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen abgelehnt. Damit bleibt es bei den bestehenden Regelungen und keiner der im Antrag formulierten Vorschläge wird umgesetzt.

Süme stellte klar, dass man den Antrag aus Sicht der Internetwirtschaft nur ablehnen könne. „Wir hoffen und appellieren an alle Parteien im kommenden Deutschen Bundestag, dass diese Forderungen kein Fanal für die kommende Wahlperiode sein werden.“

Die Ablehnung des Antrags zeigt, dass die Regierungsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP weiterhin gegen verschärfte Überwachungsmaßnahmen stehen. Auch wenn die Union mit diesem Vorstoß gescheitert ist, dürfte das Thema innere Sicherheit im Wahlkampf 2025 eine zentrale Rolle spielen. Nach der Wahl könnte die CDU/CSU ihre Forderungen erneut in Koalitionsverhandlungen einbringen.

Quelle: Deutscher Bundestag (Drucksache 20/14699); tz.de; Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.; Golem.de

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