Veröffentlicht inBusiness

„Wir wollen nicht das größte Stück vom Kuchen“ – zu Besuch bei Huawei in China

Huawei hat sich zu einem globalen Player entwickelt. Ein Grund, einmal hinter die Kulissen des chinesischen Technologiekonzerns zu schauen. futurezone ist nach China gereist.

Die Chinesen müssen von allem gleich ein Foto machen – und es auch noch gleich einrahmen. Foto: Katharina Nickel

Vor dem langen Flug noch schnell den Flugmodus anschalten. Es gibt ja immer Passagiere, die das erst kurz vor Abflug machen, obwohl der Flieger schon über das Rollfeld düst. Das Ziel meines Zwölf-Stunden-Trips ist China. Auf dem Programm steht ein Besuch bei dem chinesischen Technologiekonzern Huawei. Und der hat, wie ich später erfahre, den Flugmodus überhaupt erst erfunden.

Das Unternehmen hat sich mittlerweile zahlenmäßig zum drittgrößten Smartphone-Hersteller der Welt entwickelt. Was bei 1,3 Milliarden Chinesen natürlich auch einfacher ist als anderswo. Auf dem Heimatmarkt ist Huawei bereits Marktführer. Im Rest der Welt war die Marke bis vor einigen Jahren aber noch kaum bekannt, geschweige denn ein Global Player. Ein Grund also, einen Blick hinter die Kulissen des Konzerns zu werfen.

Von den Mega-Cities in die Welt: Huawei expandiert

Huawei stößt zunehmend in globale Märkte vor, eine wichtige Expansion, die die Verbreitung des Markenimages unter jungen Leuten unabdingbar macht. Auch Apple-User will man davon überzeugen, dass Huawei-Technologien für zum Beispiel Smartphones und Laptops in der internationalen Liga mitspielen.

Neben Austauschprogrammen für Start-up-Gründer und Studenten wie „Seeds for the Future“ (zum Programm) bietet der Konzern deshalb regelmäßig Unternehmensvertretern aus verschiedenen Bereichen, Influencern und Journalisten die Möglichkeit, Werkstätten, Smartphone-Testing-Labors und Forschungszentren zu besuchen. So auch diesmal unserer kleinen Gruppe von Medienvertretern aus den Bereichen Online-Journalismus und Social Media.

Im zum Glück kühlen Kleinbus sind wir in südchinesischen Shenzhen unterwegs, wo Huawei seinen Hauptsitz hat. Das einstige Fischerdorf hat sich innerhalb von nur zwanzig Jahren zu einer Wirtschaftsmetropole und Mega-City mit 23,3 Millionen Einwohnern sowie dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen Chinas entwickelt. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei gefühlten 150 Prozent, selbst die Einheimischen sind selten außerhalb der verglasten Bürogebäude und Kantinen des ansonsten sehr grünen Huawei-Campus zu finden. In China zu sein bedeutet, auf schnellstem Weg von einer Klimaanlage zur nächsten zu eilen, auf dem Fahrrad, mit dem Auto oder zu Fuß unter dem Sonnenschirm.

Neben allein 2.000 Start-ups, die ausschließlich Smartphones herstellen, haben sich Elektronik- und Kommunikationsunternehmen aus der ganzen Welt in diesem „chinesischen Silicon Valley“ angesiedelt. Übrigens: Neben dem Flugmodus sind auch WLAN-Sticks eine Erfindung von Huawei. Ja, die gibt es noch. 2015 waren sie noch auf Platz fünf der 14 meistgenutzten Zusatzgeräte für den PC weltweit.

Daneben verwenden die Nutzer des chinesischen Messengerdienstes WeChat QR-Codes, um neue Kontakte hinzuzufügen. Wie bei Snapchat. Diesmal haben aber die Amerikaner die Idee von den Chinesen kopiert, nicht umgekehrt. Die Fake-Branche boomt im Textilsegment nach wie vor, in den Bereichen Technologie, Finanzen, Architektur und Industrie ist das „Ramsch-Image“ des Landes aber längst passé.

Huawei auf dem Weg zur Nummer eins für Smartphones?

2016 konnte Huawei Erlöse von 75,1 Milliarden US-Dollar erwirtschaften, das ist ein Plus von 32 Prozent zum Vorjahr. Das 1987 mit nur 5.600 US-Dollar Startkapital gegründete Unternehmen beschäftigt 180.000 auf der ganzen Welt, davon in der Metropole Shenzhen allein 46.000 Mitarbeiter. Rund 85.000 davon halten Anteile am Konzern, allerdings wird bislang nur Chinesen diese Option gewährt.

Anzeige Hier könnt ihr das Smartphone Huawei P10 kaufen

Die Zahlen legen eine Schlussfolgerung nahe: Huawei ist auf dem Weg zur Nummer eins der Smartphone-Weltrangliste. Wenn es aber nach Joe Kelly geht, ist eben das gar nicht das Ziel. Er ist Vice President for International Corporate Communications bei Huawei und beschreibt sich selbst als einen in China lebenden Iren, der seinen britischen Tee bei Marks & Spencer in Hongkong kauft.

Ohne allzu breiten, irischen Akzent, erzählt er von den chinesischen Konsumenten, die ihre Smartphones vor allem für Finanztransaktionen nutzen würden. Für die Kommunikation gebe es eben nur die offiziellen Anbieter wie WeChat.“ Aber keine Sorge, die Chinesen wissen schon auch, wie sie auf gesperrten Plattformen kommunizieren”, so Kelly.

„4G reicht nicht mehr aus“

Überhaupt wüssten auch die chinesischen Konzerne, Huawei inklusive, dass sie neben Consumer Electronics vor allem als Netzausrüster Umsätze und Reichweite noch steigern können. “SIM-Karten wird es in Zukunft nicht mehr geben”, sagt Kelly. Huawei investiert deshalb viele seiner Ressourcen in Cloud-Computing und 5G-Breitband, das superschnelle Datennetz.

Entwickelt wird es im R&D-Zentrum des Konzerns in Shanghai. “Wir benötigen die Kapazitäten von 5G für die weltweite Vernetzung. 4G reicht dafür nicht aus”, berichtet Walter Jennings, Vice President Corporate Communications bei Huawei. 14,6 Prozent seiner Erlöse investiert der Konzern jährlich in Forschung und Entwicklung, also rund sieben Milliarden US-Dollar. Das ist zwar weniger als Google oder Amazon investieren, aber mehr als Apple. Künftig sei vor allem die Erfahrung als Netzwerkausrüster maßgebend: „Denn die Innovationen passieren in Zukunft im Netzwerk selbst, nicht auf den Geräten“, so Jennings.

Der US-Amerikaner ist, wie Kelly, einer der Auswanderer, die die Chinesen “Expats” nennen. Auch er spricht lediglich von einer Expansion des Konzerns, nicht vom Kurs auf die Smartphone-Weltranglistenspitze. “Wir wollen nicht das größte Stück vom Kuchen. Wir wollen den Kuchen lediglich vergrößern.” Ebenso wenig wolle der Konzern anfangen selbstfahrende Autos zu bauen, wie Google es beispielsweise tut, sondern vielmehr die Technologien hinter dem autonomem Fahren entwickeln und bereitstellen.

Huawei-Smartphones zerstören für die Wissenschaft

Das klingt uneigennützig, ist es aber natürlich nicht. Schon jetzt bedient Huawei 45 der 50 größten Mobilfunknetzbetreiber weltweit, darunter T-Mobile, Vodafone, China Mobile und Telefónica. Zugunsten seiner Expansion zeigt der Konzern gerne her, was sonst hinter verschlossenen Türen bleibt: Seine Fabriken und Labore, in denen Platinen und Module entstehen und die Huawei-Smartphones auf Herz und Nieren geprüft werden.

Im Device-Lab, dem Smartphone-Testing-Labor, wird jedes Huawei-Handy, bevor es in die Massenproduktion geht, getestet. Chinesen in Kitteln und Netzhauben kontrollieren Maschinen mit Greifarmen, die die Smartphones auf Strahlenbelastung, Abnutzungserscheinungen und andere Standards testen. Ein ständiges Klicken, Poltern, Stampfen und Rumpeln zeigt an, dass hier ständig versucht wird, etwas kaputtzumachen, tausende Male am Tag. Alles im Sinne der Wissenschaft natürlich. Und in der Fabrik funktioniert fast alles automatisch, die Mitarbeiter kontrollieren nur noch den Prozess, während ein Transport-Roboter sich durch ein Klingeln ankündigt.

Vermutlich aufgrund der Wahrung von Betriebsgeheimnissen sind Labor und Fabrik für Foto- und Videoaufnahmen tabu. Nicht, dass Snapchat wieder eine Innovation der Chinesen, wie den QR-Code, kopiert. Dem Kopier- und Ramsch-Alter ist das Land selbst sowieso längst entwachsen.

Anm. d. Red.: Ausführliche Berichte über das Device Lab sowie eine von Huaweis Fabriken und weitere Einblicke ins Unternehmen könnt ihr in den nächsten Tagen auf futurezone.de lesen.

Disclaimer: Der Besuch der Produktionsstätten, Testing-Labors und Forschungszentren erfolgte auf Einladung von Huawei.

Mehr zum Thema:

  • Mobilfunk: Chatten wir bald mit allen Sinnen?
  • Huaweis MateBook X: Das MacBook sollte sich nicht in Sicherheit wähnen
  • Das Honor 9 ist der OnePlus-5-Konkurrent

Du willst mehr von uns lesen? Folge uns auf Google News.