Die Olympischen Sommerspiele 1964 in Tokio waren für die aufstrebende, japanische Unterhaltungselektronik-Branche eine Art Gottesgeschenk. Sechs Jahre nach der Vorstellung des Farbfernsehens in Japan gab es endlich einen Anlass, sich eines der teuren Geräte ins Wohnzimmer zu stellen. Immerhin wurden damals die Eröffnungsfeier und die Schlusszeremonie sowie einige der Sport-Events in Farbe übertragen. Vier Jahre später fanden die Spiele in Mexico City dann vollständig im Farbfernsehen statt und kurbelten weltweit den Verkauf der damals noch sündhaft teuren „Kisten“ an.
Sony und Co. keine Verkaufsschlager mehr
56 Jahre später hofft Japan erneut auf den Olympia-Effekt. Doch im Gegensatz zu den 60er Jahren befinden sich Sony, Panasonic und Co. nicht im Aufwind, sondern müssen sich gegen eine scharfe Konkurrenz aus Südkorea und China zur Wehr setzen. Außerdem sorgten gravierende Management-Skandale dafür, dass Firmen wie Olympus und Toshiba fast von der globalen Bühne verschwunden wären.
Auch bei der seit Jahren wichtigsten Gerätekategorie der Branche, dem Smartphone, kann man den Abstieg japanischen Konzerne gut ablesen. In den globalen Top Ten tauchen hinter Samsung und Apple Namen wie Oppo, TCL und ZTE (alle China) oder Micromax (Indien) auf, die in Deutschland kaum bekannt sind. Hierzulande vertraute Markenamen aus Japan wie Sony, Panasonic, Sharp oder NEC haben dagegen schon vor Jahren die weltweiten Verkaufscharts verlassen.
Smartphones ohne Japan unmöglich
Obwohl mit Olympia 2020 fast naiv höchste Erwartungen verknüpft werden, traut sich selbst in Japan niemand mehr zu, die veränderten Kräfteverhältnisse im Smartphone-Markt in Frage zu stellen. Auf der Elektronikmesse Ceatec in Chiba bei Tokio verweisen aber viele Aussteller darauf, dass der Smartphone-Boom ohne Komponenten aus japanischer Produktion nicht möglich wäre.
Das sehen auch neutrale Branchenbeobachter so. „Ohne die winzig kleinen elektronischen Bauteile aus Japan gäbe es die heutigen leistungsfähigen Smartphones nicht, darunter Sensoren, Antennen, Kondensatoren, Drosselspulen und Filter. Immer kleiner und besser – das ist die Spezialität von wenig bekannten Produzenten wie Alps, Murata oder Rohm“, heißt es im Portal „Japan Markt“ von der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan.
Das Zauberwort 8K
Bei den Fernsehern sehen sich die japanischen Hersteller aber nicht nur in der Rolle eines Komponenten-Lieferanten, sondern auch bei den Endkunden-Marken in einer führenden Position, obwohl auch hier seit geraumer Zeit Konkurrenten wie Samsung weltweit viel mehr Geräte absetzen können. Das Zauberwort heißt 8K. Bei der extrem hohen Auflösung für Fernseher reklamieren Sharp, Panasonic und Sony eine „Pole Position“. Doch im Gegensatz zu Olympia 1964, als es um die Einführung des Farbfernsehens ging, ist der Umstieg auf 8K kein Selbstgänger.
Den Unterschied zwischen Schwarz-Weiß und Farbe brauchte man niemandem zu erklären. Die Differenz zwischen dem hochaufgelösten Ultra HDTV (4K) und dem noch höher auflösenden Standard Super Hi-Vision (8K) ist dagegen weniger offensichtlich. Mit 4K werden 3840 x 2160 Bildpunkte (8,3 Megapixel) aufs Display gebracht. Und bei 8K ist die Auflösung mit 7680 x 4320 Bildpunkten (33,2 Megapixel) noch schärfer als scharf. Manche Zuschauer werden den Unterschied mit bloßem Auge kaum erkennen, zumal Inhalte in 8K Mangelware sind.
Außerdem ist auch drei Jahre vor dem Start der Sommerspiele in Tokio noch nicht geklärt, wie die riesigen Datenmengen einer Live-Übertragung ohne minutenlange Verzögerung auf die Bildschirme der Zuschauer kommen sollen. Auf der Ceatec 2016 präsentierte Sharp immerhin einen Satelliten-Receiver, der 8K-Signale ins Wohnzimmer bringen kann. Auf der Messe in diesem Jahr gab es aber zu diesem Thema keine weiteren Neuheiten.
Sicherheitstechnik „Made in Japan“
Firmen wie Panasonic vertrauen vor diesem Hintergrund nicht alleine auf einen 8K-Boom, sondern stellen sich zu den Olympischen Sommerspielen breiter auf. Die Olympia-Besucher sollen bereits bei ihrer Ankunft am Flughafen mit Innovationen „Made in Japan“ in Kontakt kommen. Von Panasonic entwickelte Smartphone-Apps wie LinkRay sollen Hinweisschilder wie von Zauberhand in die Muttersprachen der Gäste übersetzen. Ob das ausreicht, um sich von bereits verfügbaren Übersetzungs-Apps für Android-Handys oder das iPhone abzusetzen, wird sich 2020 zeigen.
Es wird aber immer wieder Situationen geben, in denen weder Apple noch Google helfen können. So können sich Olympia-Touristen, die nicht selbst laufen können, in einem Hightech-Rollstuhl transportiert lassen. Das futuristisch gestaltete Gefährt navigiert sich selbst durch das Gewusel des Airports und hat einen kleinen Wagen für den Koffer im Gefolge, der wie von Geisterhand gesteuert dem Rollstuhl folgt.
Auch in der Innenstadt von Tokio sollen 2020 die Innovationen unübersehbar sein. Die dunkelgrauen Kästen auf den Bürgersteigen, in den Telefon- und Stromverbindungen zusammenlaufen, sollen in etlichen Straßenzügen durch große Info-Terminals ersetzt werden. Sie sollen interaktiv in vielen Sprachen Auskunft geben oder bei einem Erdbeben automatisch den Weg zu den nächstgelegenen Schutzräumen anzeigen.
Hooligans und Straftäter herausfischen
Auch wenn es darum geht, die Besucher sicher in die Stadien zu führen, soll Sicherheitstechnik „Made in Japan“ zum Einsatz kommen. Auf der Ceatec wurde Olympia-Sponsor NEC für seine Lösung „Neoface Watch“ ausgezeichnet, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz erkennen kann, wann es bei einer Massenveranstaltung zu gefährlichen Stausituationen kommen kann. Die Software erkennt aber auch einzelne Gesichter und soll den Sicherheitsbehörden dabei helfen, Hooligans oder gesuchte Straftäter aus dem Strom der Massen herauszufischen.