Der Kunsthandel hat kräftig zugelegt. Knapp 64 Milliarden US-Dollar sind laut einer Analyse der renommierten Kunstmesse Art Basel und der Schweizer UBS-Bank im vergangenen Jahr weltweit umgesetzt worden – ein Plus von zwölf Prozent im Vergleich zu 2016. Befeuert durch die anhaltend niedrigen Zinsen wird Kunst auch als Anlageform immer attraktiver. Und das nicht nur für Superreiche: 2017 kosteten 20 Prozent der weltweit gehandelten Werke zwischen 1.000 und 5.000 Dollar, weitere 43 Prozent zwischen 5.000 und 50.000 Dollar.
Das Problem im Kunstmarkt
Seit jeher weckt der Kunstmarkt Begehrlichkeiten bei Kriminellen und Fälschern. „Bei schätzungsweise 30 bis 50 Prozent aller Kunstwerke handelt es sich entweder um Fälschungen, oder sie können zumindest nicht zweifelsfrei als Originale zugeordnet werden“, sagt Nikolas Kipouros, der seit über 20 Jahren als Kunstvermittler und Sammler tätig ist. Neben Echtheit sind auch Herkunft und Besitz-Vergangenheit – im Kunstmarkt spricht man von Provenienz – bei alten Werken oft nur schwer zu rekonstruieren. Selbst bei zeitgenössischer Kunst ist nicht immer lückenlos dokumentiert, durch wessen Hände die Werke gegangen sind.
Die Lösung im Smartphone
Kipouros glaubt für dieses Problem des Kunsthandels eine Lösung gefunden zu haben: Das von ihm gegründete Unternehmen 4ARTechnologies biete eine sichere, digitale Lösung in Form einer Smartphone-App. Und die könne nebenbei auch noch etliche Prozesse im Alltag vereinfachen. 4ARTechnologies setzt dabei auf zwei Schlüsseltechnologien: ein neuartiges Authentifizierungsverfahren fürs Smartphone und die Blockchain.
Die Blockchain für den internationalen Kunsthandel
Stark vereinfacht beschreibt Blockchain ein sich laufend verlängerndes Register aus unterschiedlichen, zu Blöcken zusammengefassten Einträgen. In jeden neuen Block wird ein digitaler Fingerabdruck des jeweils vorangegangenen Blocks integriert, sodass sich kein Glied der Kette nachträglich verändern lässt, ohne dass es auffällt. Die Kryptowährung Bitcoin etwa funktioniert auf dieser Grundlage.
Doch während dort nur der Transfer von Bitcoins von Besitzer zu Besitzer festgehalten wird, soll die Blockchain von 4ARTechnologies zu einem zentralen, fälschungssicheren Register der bildenden Kunst werden, in dem die Echtheit der Bilder zertifiziert und die Transaktionen sicher festgehalten werden.
Foto machen, Software machen lassen
„Auf die Idee, ein digitales Echtheits-Zertifikat in der Blockchain zu hinterlegen, sind auch schon andere vor uns gekommen“, sagt Kipouros. Doch diese Ansätze seien in einem wichtigen Punkt nicht zu Ende gedacht: „Solch ein digitales Zertifikat nutzt Ihnen überhaupt nichts, wenn es keinen direkten Bezug zum Objekt hat. Denn dann kann es Ihnen am Ende des Tages passieren, dass Sie zwar ein echtes Zertifikat haben, dazu aber einen falschen Gegenstand bekommen.“ Und genau diese Verbindung zwischen digital und analog stecke in seiner App.
Ein „erweitertes Authentifizierungsverfahren“ erlaube es, Struktur, Material, Oberfläche sowie das Farbspektrum eines Kunstwerks zu erfassen und diese digitale DNA in der Blockchain fest an das Echtheitszertifikat zu knüpfen. So könne man immer wieder feststellen, ob ein Kunstwerk auch tatsächlich das ist, das ein Zertifikat beschreibt.
Das eigentlich Besondere daran ist aber, dass man für das Erstellen und den Abgleich dieses Fingerabdrucks weder teure Maschinen noch Fachpersonal benötigt, sondern bloß eine Smartphone-Kamera. Der Nutzer müsse lediglich ein Foto des Objekts machen, den Rest erledige die Software automatisch.
Wie genau die Technik funktioniert, verrät 4ARTechnologies nicht. Nur dass Atlantic Zeiser hinter dem Verfahren steckt, ist kein Geheimnis. Und dem deutschen Unternehmen darf zumindest eine angemessene Expertise zugetraut werden, da es nicht nur Sicherheitsmerkmale für Banknoten und Pässe entwickelt, sondern auch Systeme zur automatischen Erkennung und Verfolgung von Produkten und Medikamenten.
Den Gutachter ersetzt die Software nicht
Die Scan-Technologie, so Kipouros, erlaube darüber hinaus aber noch eine weitere wichtige Anwendung: Wird ein im System hinterlegtes Bild erneut fotografiert, könne die Software bereits kleinste Beschädigungen erkennen. Üblicherweise wird eine solche Kontrolle – ein Condition Report – gerade bei teuren Kunstwerken beim Verleih von einem Gutachter angefertigt.
„Sowas ist natürlich enorm teuer und zeitaufwendig, weshalb das bei vielen Transporten häufig weggelassen wird. Mit unserem System geht das rasend schnell und kostet nur einen Bruchteil“, sagt Kipouros. 75 Dollar statt mehrerer hundert koste ein im System dauerhaft hinterlegter Zustandsbericht. Der Gutachter werde damit nicht überflüssig, man brauche ihn aber erst, wenn tatsächlich ein Schaden erkannt würde.
Praktisch für unbekannte Künstler
Doch damit seien die Möglichkeiten des Systems noch längst nicht erschöpft, berichtet Kipouros. Es lasse sich in den gesamten Kunsthandel-Kreislauf integrieren und sorge für mehr Effizienz und Transparenz. Künstler etwa, die ein neues Kunstwerk im System anlegen, könnten dort ebenfalls einstellen, dass ihnen bei einem Besitzerwechsel der ihnen zustehende Anteil am Verkaufspreis gezahlt wird.
„Gerade für noch nicht so bekannte Künstler ist bislang nicht nachvollziehbar, ob und wie ihre Bilder weiterverkauft werden – und sie gehen dann häufig leer aus“, erklärt Kipouros. Auch die Transportversicherung von Kunstwerken soll über die App günstiger und mit wenigen Fingertipps möglich sein.
Und für große Sammlungen von Museen könnte die Innovation einerseits als zentrales Register dienen, aber auch als virtueller Werkkatalog. „Durch unser Scanverfahren haben wir automatisch auch ein 3D-Modell der Kunstwerke in unserem System. Wenn der Besitzer möchte, kann er die auch in einer virtuellen Ausstellung zeigen.“
Revolution des Kunstmarkts?
Es sind große Ziele, die sich Nikolas Kipouros und 4ARTechnologies gesteckt haben. Der offizielle Start des Systems in Europa ist für März 2019 geplant, noch befindet sich die Smartphone-App in Entwicklung, noch will das Unternehmen weiter Geld einsammeln.
Eine der größten Herausforderungen dürfte wohl sein, den Handel von den Vorteilen der neuen Technologie zu überzeugen. Auf die bloße Beschreibung hin herrscht häufig Unglaube: „Es gibt so unterschiedliche Arten von Fälschungen, ich habe Schwierigkeiten mir vorzustellen, dass eine App das alles erkennen kann“, sagt etwa Hans-Martin Schmitz, Vorsitzender des Kunsthändlerverbands Deutschland. Hier können Vorbehalte vermutlich erst mit der funktionierenden App abgebaut werden.
Eines ist aber klar – sollten immer mehr Teilnehmer des Kunstmarkts auf das neue System setzen, wäre Kipouros etwas gelungen, was in den vergangenen Jahrhunderten niemand geschafft hat: eine Revolution des Kunstmarkts.