Nicht nur die Parteien machen Wahlkampf, sondern auch deren Jugendableger. Ob Jusos (SPD), JU (CDU), Grüne Jugend (Grüne), linksjugend (Linke), die junge Alternative (AfD) oder eben die JuLis (FDP). Gerade die Jungen der jeweiligen Parteien tragen durch ihre Netzaffinität zu einer neuen Art Wahlkampf bei. Mit Auftritten auf sämtlichen Social Media-Plattformen sollen so möglichst viele potentielle Jung- und Erstwähler erreicht werden. Wir wollten daher einen exemplarischen Einblick erhalten, wie die Kampagnen im Netz ablaufen und haben uns bei den JuLis umgeschaut. Im Rahmen unserer Reihe zur Bundestagswahl berichtet futurezone.de über den Wahlkampf aller Jugendorganisationen und über Themen, die uns und euch bewegen. Die Tatsache, dass wir exemplarisch den „Social Media War Room“ der JuLis besucht haben, ist kein Hinweis auf die politische Präferenz der Redaktion und auch nicht als solcher zu verstehen.
„Kaffee gibt es hier wohl nicht mehr, oder?“ Die Dame steht vor dem Eingang und scheint irritiert zu sein von dem, was sie sieht. Der ehemalige Backshop ist zwar zu neuem Leben erwacht, Kaffee, Brötchen und heiße Würstchen werden dort aber nicht mehr verkauft. Als Helge, 21, der potentiellen Kundin das erklärt, wünscht die Dame freundlich „viel Erfolg“ und zieht weiter.
Ziel: Wiedereinzug in den Bundestag
Erfolg, den wünschen sich die Jungen Liberalen, kurz JuLis, sehr. Nachdem die FDP bei der letzten Bundestagswahl 2013 mit nur 4,8 Prozent der Wählerstimmen den Einzug ins Parlament verpasste, kämpfen die Jungliberalen nun für den Wiedereinzug der Partei. Um dieses Ziel zu erreichen, wird viel Aufwand betrieben. Der speziell für diesen Zweck ins Leben gerufene „Social Media War Room“ stellt die Online-Präsenz der Jugendorganisation in den Vordergrund. Egal ob auf Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat oder sogar Jodel; Wahlkampf ist dort, wo du Wahlkampf machst.
„War Room“ in Lichtenberg
Die Social Media-Kommandezentrale der Jungpartei befindet sich in Lichtenberg, direkt an der Frankfurter Allee. Auf dem Weg zu meinem Ziel kommen mir dutzende Wahlplakate entgegen. Die Linken scheinen hier besonders stark aufgefahren zu haben, die Anzahl ihrer Wahlwerbung sticht auf jeden Fall hervor. An der Zieladresse angekommen, wundere ich mich. Das Häuschen ist erstaunlich klein. Auf den ersten Blick ist von außen nicht sofort zu erkennen, was sich im Innern der ehemaligen Imbissbude abspielt.
Ich werde empfangen von Tjark Thönßen, 24. Er ist Kampagnenreferent bei den JuLis und kümmert sich auch um die Social Media- Zentrale. Ein Smalltalk vor dem Gebäude, viel gibt es dort nicht zu sehen. Einige fleißige Helfer bekleben die Fassade und die Fenster, über dem Schild „Back Shop“ ist nun das Logo der Jungen Liberalen zu erkennen. Worte wie „Ideenzünder“ und „Chancenöffner“ zieren die Fenster. Fußgänger ziehen vorüber, einige schauen kurz auf das Treiben am Imbiss, die meisten ziehen jedoch einfach an uns vorbei.
Wahlkampfarbeit ist freiwilligen Arbeit
Im Innern werde ich von einer motivierten Horde Freiwilliger begrüßt. Die jungen Leute, alle zwischen 18 und 30 Jahre alt, hocken auf Sitzkissen und Bänken, jeder von ihnen entweder mit einem Laptop oder einem Tablet bewaffnet. Auf dem runden Tisch in der Mitte des Raumes schlängeln sich Kabel kreuz und quer, mittendrin Werbekrimskrams. Egal ob Kondome, Tabakblättchen oder ein Beachball; kleine Gimmicks, um bei potentiellen Wählern in Erinnerung zu bleiben, brauchen alle Parteien zu Wahlkampfzeiten.
„Die Stimmung hier ist echt super“, verrät mir Helge aus Osnabrück. Der 21-jährige Student absolviert ein Praktikum in der Bundesgeschäftsstelle der JuLis in Berlin-Mitte. Von dort aus ist er unter anderem für die Erstellung eines täglichen Pressespiegels oder für den Versand der Werbemittel zuständig. „Wenn aber viel los ist, helfe ich natürlich auch hier aus“, so der 21-jährige. Auch die Recherche für den Bundesvorsitzenden der Jugendorganisation, Konstantin Kuhle, gehört mitunter zu seinen Aufgaben. „Dann kümmern wir uns darum, alle Fakten für Konstantin zu beschaffen, so dass er sich gut auf Interviews vorbereiten kann“, erklärt der Student.
Zwischen 10 und 15 freiwillige Helfer sind während des Wahlkampfs im „War Room“ und der Geschäftstelle eingespannt. Entgegen der Erwartung, sind jedoch nicht alle von ihnen Mitglied bei den JuLis oder gar in der FDP. „Michael zum Beispiel“, Tjark zeigt auf einen jungen Mann der gerade eifrig auf seinem Smartphone tippt, „der hat unsere Ausschreibung gesehen und hatte einfach Bock auf die Aufgabe. Aber na klar, eine gewisse Nähe zu den Zielen und Werten der JuLis ist natürlich immer da, sonst ginge das nicht.“
Praktikanten entscheiden frei
Angesprochen darauf, wer denn all die Posts und Antworten der Praktikanten kontrolliert, überrascht Thönßen mit seiner Antwort. „Niemand“, so der junge Referent. Man vertraue den Helfern und lasse ihnen völlig freie Hand. „Die wissen, wovon sie reden“. Sollte doch mal etwas schiefgehen, dann sei das eben so. „Das haben wir mit einkalkuliert“, so Thönßen. Man könne einen solchen Wahlkampf nicht führen, wenn man jede einzelne Bemerkung, jeden Post, kontrollieren wollte. „Da müssen wir unserem Team einfach vertrauen.“
Like, Kommentare, Reichweite
Vertrauen ist gut, Kontrolle am Ende aber immer besser. Und so steht auf der anderen Seite des Raumes ein großer Flatscreen, verbunden mit einem Notebook. Hier laufen sie zusammen, die Daten aus allen Kanälen. Klicks, Interaktionen, Verbreitung der Posts. Die Währung der Netzwerke ist auch für den digitalen Wahlkampf extrem wichtig. Nur so kann kontrolliert und überblickt werden, wie gut oder schlecht die Kampagne im Netz läuft. Es sollen schließlich so viele Menschen wie möglich erreicht werden. Genauer gesagt: rund zwei Millionen Menschen aus der Zielgruppe der 18- bis 35-Jährigen sollen über Social Media angesprochen werden, um die Botschaft der Liberalen unter das Volk zu bringen. „Das entspricht in etwa 20 bis 30 Prozent der gesamten Zielgruppe“, so Thönßen.
Direktkandidaten für den Bundestag
Was viele Menschen irritiert: Die JuLis sind keine Partei, können demzufolge auch nicht gewählt werden. Sie sind ein eingetragener Verein (e.V.), stehen der politischen Partei FDP aber sehr nah. Wahlkampf für die große Partei machen auch die Jungen Liberalen nicht aus reiner Nächstenliebe. Im Gegenteil. Dahinter steckt der Plan, möglichst viele aus den eigenen Reihen im Bundestag wiederzufinden. Knapp 70 Mitglieder der JuLis kandidieren als Mitglieder der FDP für einen Sitz im Bundestag. Und um deren Chancen zu erhöhen, wird mächtig die mediale Werbetrommel gerührt.
Einzug in den Bundestag möglich
Wie erfolgreich die Kampagne war, wird sich am 24. September, dem Tag der Bundestagswahl, entscheiden. Einer aktuellen Umfrage zu Folge stehen die Chancen jedoch nicht schlecht, dass der Wiedereinzug klappt. Laut Meinungsforschungsinstitut Emnid führt die Union mit 39 Prozent der Stimmen die Wählergunst klar an, gefolgt von den Sozialdemokraten um Kanzlerkandidat Martin Schulz mit 24 Prozent. Die Linke liegt mit neun Prozent aller Stimmen auf dem dritten Platz, gefolgt von Grünen und FDP mit jeweils acht Prozent. Mit aktuell sieben Prozent der Stimmen wäre auch der AfD der Einzug in den Bundestag sicher.
Noch unentschieden, wo du dein Kreuz machen sollst? Mit Apps wie dem „WahlSwiper“ fällt die Entscheidungsfindung vielleicht ein bisschen leichter.
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