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Wer braucht Menschen in Zeiten von KI? Vier Szenarien

Maschinelles Lernen und Robotik betreffen immer mehr Lebensbereiche. Ja, sogar die Kunst. Wer überlebt am Ende, Mensch oder Roboter? Neue Sichtweisen auf die gute, alte Frage.

Auf der IFA diskutierten die Experten die Frage "Wer braucht Menschen in Zeiten von KI?"
die Moderatorin

Sicherlich gibt es einige Jobs, die sozusagen roboterresistent bezeichnet werden können: Friseure, Ärzte, aber auch Naturwissenschaftler können sich auch mit der zunehmenden Automatisierung ihrer Tätigkeiten sicher sein. Zumindest scheint es noch so. Dass die Zukunft jedoch weder sicher noch berechenbar ist, haben vier digitale Experten in einem Panel auf der IFA in Berlin klargemacht.

Die Experten aus Wissenschaft, Technologie und dem Kunstbereich diskutierten über die Frage, ob Künstliche Intelligenz den Menschen ersetzen wird. Eine altbekannte Frage, die die Digitalisierung zwangsläufig aufwirft und die bei nahezu jeder Tech-Konferenz Thema ist. Der Grund, dieses Mal darüber zu berichten, liegt in der Zusammensetzung der Expertengruppe: den „Techno-Optimisten“, wie sie die Moderatorin des Panels bezeichnete.

Die „Techno-Optimisten“-Runde

Lennic Qian ist Vice President of Global MKT & Sales beim chinesischen Roboterhersteller Qihan Technologies. 60.000 Sanbots, Service- und Heimroboter, die mit Amazon Alexa arbeiten, hat der Konzern bereits verkauft, nun hofft man auf ähnliche Zahlen auf dem deutschen Markt. Qian kommt aus dem Tech-Bereich, hat einige Jahre für Huawei in Europa gearbeitet. Florian Dormann wiederum bezeichnet sich selbst als Data and KI Consultant und Künstler. Er arbeitet freischaffend, auch für das YQP-Künstlerkollektiv, das Künstliche Intelligenz mit Kunst verbindet.

Mit Kunst, genauer gesagt Fotokunst, beschäftigt sich auch Appu Shaji, Head of R&D bei EyeEm. Auf der Plattform sollen Fotos von Künstlern mithilfe einer KI besser und schneller gefunden werden können, sie ist Kunstforum und Kunstmarkt zugleich. Und Kate Devlin vertritt die wissenschaftliche Seite. Sie lehrt am Department of Computing der Goldsmiths University of London und forscht vor allem im Sex-Tech-Bereich. Aber auch sie hat als ausgebildete Archäologin einen quasi künstlerischen Hintergrund.

Man muss selbst kein Techno-Optimist sein, um das Potenzial von Künstlicher Intelligenz und Robotik für viele unserer Lebensbereiche zu erkennen. Denn die vier Experten machen, ganz optimistisch, vier Szenarios auf, die teilweise schon Realität sind:

Roboter in der Arbeitswelt

„Roboter werden, vor allem in der Industrie, Arbeiter unterstützen“, meint, wenig überraschend, Qian. Das sei wohl der größte Vorteil der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Und ganz lebensnah beschreibt er, dass dies nicht nur die Industrie 4.0, also den Einsatz von Robotik in Fabriken betrifft, sondern beispielsweise auch Flughäfen und Hotels. Dort könnten Service-Roboter wie die von Qihan Technologies bei der Gepäcklogistik helfen oder im Restaurant als Kellner.

Das könnte, Devlin zufolge, sogar dazu führen, dass wir uns unserer eigenen Fähigkeiten im Arbeitsmarkt bewusster werden. Auch Maschinen müssen schließlich von einem Menschen angeleitet werden. Jobs würden verloren gehen, aber neue entstehen. „Keiner hätte vor zehn Jahren gedacht, dass es einmal Social Media Manager geben würde“, sagt die Forscherin. Shaji ist sogar eher enttäuscht von den bisherigen, digitalen Errungenschaften. „Wir können so viel mehr erreichen, also besteht in naher Zukunft keine Gefahr, dass Roboter uns ersetzen werden.“

Währenddessen mahnt Dormann: „KIs sind Problem Solver, die wir viel besser lernen müssen zu verstehen. Wir verlieren nur die Kontrolle über die Maschinen, wenn wir nicht mehr begreifen können, wie sie arbeiten.“

Künstliche Intelligenz beim Sex

Technologien für unsere Intimsphäre sind noch ein Nischenmarkt, ein Markt, den Devlin erforscht. Doch er wächst, weltweit werden bereits jetzt 30 Milliarden Dollar allein mit Hardware, Software, Apps, VR und Sex-Robotern umgesetzt. Im November plant die Goldsmiths University ihren zweiten Sex Tech Hack in London, im Mai fand ein weiterer in Paris statt.

„Harmony“ beispielsweise ist eine Sexpuppe, die für Devlin die Zukunft bedeutet. Sie kommt in den nächsten sechs Monaten auf den Markt. Für die Forscherin bedeuten Gadgets wie „Harmony“ keinesfalls den Verlust von Intimität und Emotionalität. „Warum sollten Menschen, die sich Nähe wünschen, nicht Technologie nutzen, um sie erfahren zu dürfen?“, fragt sie. Beim Smartphone seien ähnliche Bedenken geäußert worden und heute seien wir uns durch die Geräte „näher als je zuvor“. „So funktioniert Technologie, lasst sie uns umarmen“, sagt Devlin.

Technologie in der Kunst

Mit Kunst und Tech kennt sich Dormann aus. Zusammen mit seinem YQP-Künstlerkollektiv und dem Berliner Maler Roman Lipski hat er das Projekt „Unfinished“ gegründet. Es ist eine „Partnerschaft zwischen einem Künstler und einer Künstlichen Intelligenz“, so Dormann. Die Maschine schöpft dabei aus einem Pool von verschiedenen künstlerischen Motiven und Kunststilen. Sie lernt diese zu analysieren, um schließlich, gemeinsam mit seinem menschlichen Partner völlig neue Kunstwerke zu schaffen. „Neue Kunst mit endlosen Möglichkeiten“, nennt das Dormann. Sein Optimismus beruht auf einer Harmonie zwischen Mensch und Maschine mit der Maschine als „Muse“. Der andauernde Austausch der beiden Partner führe sie näher zusammen.

Ähnlich sieht das auch Shaji. Seine Foto-Plattform soll so viel lernen, dass sie mit dem User interagiert. Ist jemand also auf der Suche nach einem ganz bestimmten Motiv, hilft ihm die lernende KI, genau das zu finden. Kein Projekt für Lipski vielleicht, aber eine Möglichkeit als Künstler mit Technologie Kunst zu vermitteln und Geschäfte zu machen.

Bots in der Politik

Während vor der Bundestagswahl viele vor einem Rechtsruck warnen, warnt Devlin vor einer Art Datenruck. „Ich habe Angst vor einer Wahl, bei der die Mehrheit für jemanden stimmt, der all unsere Daten will“, sagt die Forscherin. Eine berechtigte Frage für die anderen Experten: Im Zeitalter von Bots und Cyberkriminalität, wie kann man da noch Techno-Optimist sein? „Es geht nicht anders, wir müssen doch optimistisch sein“, meint Dormann. „Wir sind schließlich die Generation, die die Zukunft gestalten kann.“ Hier müsse die Politik aber auch selbst aktiv werden. „Im TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz fand das Thema Automation keine Erwähnung. Das muss sich ändern.“

Fazit

Es wird, wie Devlin sagt, wohl noch eine Generation dauern, bis wir uns der vollen Bandbreite der digitalen Entwicklung bewusst werden und damit beginnen können, eine Antwort auf Fragen zu finden und neue Fragen zu formulieren. Risiken gibt es immer, keiner kann genau einschätzen, wohin die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und Robotern führen wird. Cyberattacken sind eine neue Bedrohung, Tech-Pessimisten deshalb aus guten Gründen skeptisch. Doch das ist kein Teil der Diskussion auf der IFA. Und das ist auch mal ganz erfrischend.

Menschliche Arbeitskraft wird auch weiterhin gebraucht, auch wenn Maschinen uns grundlegende Tätigkeiten nicht nur erleichtern, sondern abnehmen werden. Das ist keine neue Sichtweise, aber dennoch eine relevante. „Der Hype um KI ist nicht produktiv“, meint Shaji abschließend. „Bleiben wir doch realistisch.“

Wieso hören wir nicht endlich auf, Technologie als Bedrohung anzusehen und fangen an, sie als Muse zu begreifen? Das ist die Frage, die das Panel am Ende aufwirft. Ja, wieso eigentlich? Die Antwort ist klar: Die Technologie-Muse gibt es nur mit einer gehörigen Portion Tech-Optimismus.

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