Die „Harmony of the Seas“ ist eine schwimmende Stadt. Das größte Kreuzfahrtschiff der Welt ist 362 Meter lang, 66 Meter breit und wiegt 227.000 Tonnen. 6.780 Passagiere werden von 2.100 Crew-Mitgliedern versorgt. An Bord gibt es ein Autodrom, Wasserrutschen, Kletterwände, Wellenbecken für Surfer, eine Roboter-Cocktailbar, eine Outdoor-Zirkusarena, ein Theater mit 1.400 Sitzplätzen, einen Minigolfplatz, einen Eislaufplatz, 20 Restaurants und einen begrünten Central Park. Im Schiffsbauch sorgen mehrstöckige Motoren für den Vortrieb und die Energieversorgung der vielfältigen Erlebniswelt. Sie laufen 24 Stunden am Tag und verbrauchen dabei täglich 250.000 Liter Treibstoff.
Klimakiller Schweröl
Die Motoren können mit verschiedenen Treibstoffen gefüttert werden. Damit zählt der Antrieb der „Harmony of the Seas“ zu den moderneren. Auf hoher See kommt meist Schweröl (Heavy Fuel Oil, HFO) zum Einsatz, eine zähe Flüssigkeit, die in Raffinerien bei der Herstellung von Benzin und Diesel übrig bleibt. An Land darf HFO in den meisten Staaten nicht verwendet werden, in internationalen Gewässern allerdings schon. HFO ist auch besonders günstig zu haben, weshalb es in der verbrauchsstarken Schifffahrt gerne eingesetzt wird.
Besonders dreckig
Der Haken dabei: HFO ist besonders dreckig. Bei der Verbrennung werden große Mengen an Stickoxiden, Schwefeloxiden, Kohlendioxid und mikroskopischen Partikeln freigesetzt. Die Abgase sind für den Treibhauseffekt, sowie die Bildung von Smog und saurem Regen verantwortlich. Die Partikel sind so klein, dass sie monatelang in der Luft schweben. Bei Menschen können sie Lungen- und Herzkrankheiten auslösen. US-Forscher gehen davon aus, dass pro Jahr 60.000 Menschen als direkte Folge von Luftverschmutzung durch Schiffe sterben. Zusätzlich werden die Gesundheitssysteme mit rund 310 Milliarden Euro Behandlungskosten belastet. Als besonders gefährdet durch dreckige Schiffe gelten jene Menschen, die in den Küstenregionen und Hafengebieten der größten Schifffahrtsrouten der Welt wohnen. Die aktuell zehn größten Containerhäfen der Welt befinden sich allesamt in Ostasien. Vor allem in China wurden die Umschlagplätze massiv ausgebaut.
Immer größere Schiffe
Gerade die Containerschifffahrt ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Im Jahr 1980 wurden zur See 100 Millionen Tonnen in standardisierten Containern transportiert. 2014 waren es 1,6 Milliarden Tonnen. Dementsprechend sind auch die Schiffe gewachsen. Die aktuell größten Exemplare, gigantische Kolosse mit rund 400 Metern Länge, können knapp 20.000 Container aufnehmen. Sie sind teilweise zu groß, um den Panama- oder Suezkanal zu benutzen. An der Erweiterung der Kanäle wird aber gearbeitet. Neben der Frachtschifffahrt verzeichnet auch die Personenschifffahrt enorme Zuwächse. Im Jahr 2016 gingen rund 24 Millionen Menschen auf Kreuzfahrt. 2006 waren es noch 15 Millionen. 1980 wurden 1,4 Millionen Passagiere gezählt. In den kommenden Jahren werden weitere Steigerungen erwartet.
Schifffahrt eigentlich effizient
Wenn man die Gesamtmenge ausgestoßener Abgase eines Schiffes betrachtet, erscheint die Menge enorm. Gemessen am Verbrauch pro Tonne Last ist die Schifffahrt andererseits wieder sehr effizient. Durch die gigantische Menge, die ein Schiff laden kann, schneiden Schiffe im Vergleich mit anderen Transportmethoden sehr gut ab. Sie produzieren weniger Kohlendioxid pro Tonne und Kilometer als Flugzeuge, Lastwägen und sogar Züge. Ein Rechenbeispiel dazu: Ein Autotransportschiff, das 8.000 Fahrzeuge von Hongkong nach Los Angeles transportiert, verbraucht auf der 11.725 Kilometer langen Fahrt 510 Tonnen Treibstoff. Würden alle 8.000 geladenen Autos dieselbe Distanz aus eigener Kraft zurücklegen, würden sie über 6.000 Tonnen Treibstoff verbrauchen. Wenn das Schiff nun auch noch Treibstoff mit ähnlicher Qualität wie jener der Fahrzeuge verwenden würde, wäre die Umwelt deutlich weniger belastet.
Unmengen an Schwefel
HFO enthält jedoch 2.000 bis 3.500 Mal so viel Schwefel wie Diesel. Indien und China erlauben einen Schwefelanteil von 3,5 Prozent für Schiffstreibstoffe. Fortschrittlichere Staaten wie die USA und Kanada schränken den Schwefelanteil auf ein Prozent ein. Für Straßenfahrzeuge gelten allerdings wesentlich striktere Regeln. Innerhalb der EU dürfen Benzin und Diesel maximal 0,001 Prozent Schwefel enthalten. Die Emissionen von Schiffen haben damit eine überproportional große Auswirkung. Zwischen 2007 und 2012 waren Schiffe für 15 Prozent aller von Menschen verursachten Stickoxidemissionen, 13 Prozent aller Schwefeloxidemissionen und drei Prozent aller Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Innerhalb der EU verursachten Schiffe im Jahr 2013 rund 18 Prozent aller Stickoxide und 18 Prozent aller Schwefeloxide. Zum Vergleich: Der Straßenverkehr war für 33 Prozent aller Stickoxidemissionen, aber null Prozent der Schwefeloxidemissionen verantwortlich. Laut der Internationalen Schifffahrtsbehörde IMO, einer Institution der UNO, produzieren Schiffe derzeit insgesamt drei Prozent aller globalen Treibhausgas-emissionen. Durch das Wachstum des Schiffsverkehrs soll dieser Anteil bis 2050 auf zehn Prozent steigen.
Größere Häfen
Doch Abgase allein umfassen das Dreckproblem der Schifffahrt nicht vollständig. Die großen Frachtmengen, die Schiffe in Häfen aufnehmen und abladen, ziehen logistische Probleme an Land nach sich. Hohes Verkehrsaufkommen auf Straßen und Wasserwegen rund um Häfen verursacht Staus, Lärm und weitere Abgase. Durch das Größenwachstum der Schiffe werden Häfen erweitert. Oft geschieht das durch zusätzliche Landgewinnung im Meer, also durch das Aufschütten künstlicher Inseln. Dadurch werden Meeresbewohner vertrieben und Ökosysteme an der Küste zerstört. Der Hafenausbau im chinesischen Shenzhen hat etwa dazu geführt, dass während der vergangenen drei Jahrzehnte 75 Prozent aller Mangroven aus der Umgebung der Stadt verschwunden sind. In Nicaragua droht die Zerstörung riesiger Landstriche durch den Bau eines Kanals, der mit dem Panamakanal konkurrieren soll.
Umweltschädliche Verschrottung
Besonders umweltschädlich läuft häufig auch das Verschrotten von Schiffen ab. Schwermetalle, Öl und Gifte gelangen dabei ins Meerwasser. Arbeiter werden durch schädliche Dämpfe, Brände und unzureichende Sicherheitsvorkehrungen gefährdet. Meistens sind dies Menschen aus Indien, Pakistan, Bangladesch und anderen ärmeren Ländern. Welch schädlichen und gefährlichen Arbeitsbedingungen sie ausgesetzt sind, hat unter anderem der österreichische Regisseur Michael Glawogger in seinem Film Workingman’s Death dokumentiert.
Besserer Strömungsfluss
Schiffe sind unvermeidliche und sogar relativ effiziente Transportmittel für große Frachten, könnten aber noch wesentlich sauberer sein. Technische Mittel zur Verbesserung des dreckigen Status quo sind ausreichend vorhanden. Manchmal führen bereits kosmetische Änderungen zu massiven Effizienzgewinnen. Bereits seit Längerem ist etwa bekannt, dass ein Wulstbug den Wasserwiderstand während der Fahrt stark reduzieren kann. Die knapp unterhalb der Wasseroberfläche aus dem Schiff nach vorne ragende Beule minimiert die Bugwelle. Zehn bis 15 Prozent Treibstoff können dadurch eingespart werden. Spezielle Anhänge an die Schiffsschraube können den Strömungsfluss optimieren.
Hybridantriebe
Wie Straßenfahrzeuge können auch Schiffe mit einem Hybridantrieb fahren. Die norwegische Reederei Hurtigruten lässt derzeit zwei Kreuzfahrtschiffe für je 600 Passagiere konstruieren. Das erste der beiden geplanten Schiffe soll 2018 auslaufen und einen Hybridantrieb haben, der das Schiff 15 bis 30 Minuten lang vollelektrisch antreiben kann. Das zweite Schiff soll 2019 kommen und noch längere Schleichfahrten mit Elektromotor erlauben, etwa für die Erkundung von Fjorden.
Gaswäscher
Um Emissionen zu reduzieren, können Schiffe mit sogenannten Gaswäschern (Scrubber) nachgerüstet werden. Dieser Apparat wird an den Abgasstrom von Schiffen angeschlossen und filtert bestimmte Gase und Feststoffe durch Flüssigkeitszufuhr heraus. Die abgesonderten Bestandteile werden in Tanks zwischengelagert und an Land entsorgt. Gaswäscher können bis zu 99 Prozent aller Schwefeloxide und 98 Prozent aller mikroskopischen Partikel aus Schiffsabgasen entfernen.
Nutzung des Magnus-Effekts
Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung des Treibstoffbedarfs von Schiffen ist die Nutzung der Windkraft. Der Einsatz von festen Segeln oder gar überdimensionalen Kites auf Frachtschiffen hat sich bislang kaum durchgesetzt. Rotorsegel sind dagegen eine platzsparende und weniger wartungsintensive Alternative. Die hohen Zylinder rotieren im Wind und nutzen Sog- und Staudruckkräfte (Magnus-Effekt) aus, um bei quer anströmendem Wind Vortrieb zu erzeugen und den Motor zu entlasten. Apropos Motor: Wie auch im Automobilbau gibt es hier deutliche Leistungsverbesserungen. Immer mehr Antriebe können mit mehreren verschiedenen Treibstoffarten umgehen, neben HFO unter anderem mit Schiffsdiesel (MDO) oder Flüssiggas (LNG).
Politische Regulierungen
Auf politischer Seite wird einiges getan, um Emissionen zu begrenzen. Vor den Küsten der USA und Kanada, sowie in der Nord- und Ostsee wurden sogenannte Emission Control Areas (ECA) eingerichtet. In diesen dürfen nur noch Treibstoffe mit einem Schwefelanteil von 0,1 Prozent verbrannt werden. Befährt ein Frachtschiff also etwa die 200-Seemeilen-Zone vor der US-Küste, darf sein Motor kein HFO mehr verwenden. Die ECA könnten in Zukunft auch auf andere Teile der Welt ausgedehnt werden. Laut dem MARPOL-Vertrag der IMO sollen insbesondere die Schwefelanteile im Treibstoff international gesenkt werden. 2020 ist ein neuer Grenzwert von 0,5 Prozent vorgesehen.
Die Länder mit den größten Handelsflotten haben den MARPOL-Vertrag unterzeichnet, einige Staaten unterwerfen sich dessen Regeln jedoch nicht. Wenig Fortschritte gibt es bei der Unterzeichnung eines weiteren Vertrags, der die sichere und umweltfreundliche Verschrottung von Schiffen vorsieht. Die Länder, in denen ausrangierte Schiffe hauptsächlich zerlegt werden, sind nicht dabei. Der Ausbau von Häfen wird angesichts steigenden Bedarfs wohl nicht eingeschränkt werden.
Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.