Bereits bei der Entwicklerkonferenz I/O im Mai hatte Google-Chef Sundar Pichai eine Neuausrichtung des Konzerns angekündigt: „Wir überdenken all unsere Produkte, um maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) einfließen zu lassen“, so der CEO.
Maschinelles Lernen ist laut Google eine Unterkategorie von KI. Dabei geht es darum, Computern die Möglichkeit zu geben, Aufgaben zu erfüllen, ohne dass man jeden Schritt explizit programmiert. Das System lernt aus Erfahrungen. Ein Beispiel: Man legt einem System 1.000 Fotos von Katzen vor, damit es selbstständig lernt, wie man die Tiere auf Fotos erkennt und so Fotos automatisch danach kategorisiert. Weist man das Programm dann manuell auf Fehler hin, lernt es abermals dazu.
„Wir haben keine Wahl, als uns damit zu beschäftigen“
Eines von Googles wichtigsten Forschungszentren befindet sich in Zürich. 120 Mitarbeiter arbeiten hier allein am maschinellen Lernen, vor zwei Jahren wurde das Forschungslabor gegründet. Geleitet wird es von Emmanuel Mogenet, der zuvor unter anderem für Apple gearbeitet hat. „Wir haben keine Wahl, als uns damit zu beschäftigen“, erklärt Mogenet bei einem Besuch von futurezone. Man habe sich für die Schweiz unter anderem aufgrund der guten Infrastruktur sowie der guten Zusammenarbeit mit der Eidgenössische Technischen Hochschule (ETH) entschieden.
„Diese Technologie zu entwickeln war ein langer Weg“
Mogenet spricht beim gesamten Suchmaschinengeschäft von einem Paradigmenwechsel. „Jeder soll Machine Learning nutzen können, ohne ein Spezialist sein zu müssen“, so Mogenet. Bereits heute verwenden zahlreiche Google-Produkte Machine Learning für die verschiedensten Zwecke, auch die erwähnte Bilderkennung: „Google Fotos ist eines der strahlendsten Beispiele, was maschinelles Lernen bereits heute tun kann“, so Mogenet.
Eine Suche nach „Katze“ liefert auf der Plattform alle Katzenbilder der eigenen Bibliothek und zwar ohne, dass der Nutzer die Fotos in irgendeiner Form beschriftet hat. Das System nutzt maschinelles Lernen, um den Inhalt der Bilder automatisch zu indexieren. „Diese Technologie zu entwickeln war ein langer Weg“, so Mogenet. Gedauert habe es drei Jahre, bis das fertige Produkt Mitte 2016 präsentiert wurde. Die künstliche Intelligenz hinter Google Fotos wird aber nach wie vor laufend verbessert.
„Maschinelles Lernen hat sich als vielversprechend erwiesen, Ärzten hier zu assistieren“
Maschinelles Lernen kommt auch für medizinische Zwecke zum Einsatz. Lily Peng arbeitet in einer Forschungsabteilung des Suchmaschinen-Konzerns, der sich mit der Erkennung von diabetischer Retinopathie beschäftigt. Dabei handelt es um eine Augenkrankheit, die von der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus hervorgerufen wird. Diagnostiziert wird sie über Fotos des Augenhintergrundes. Die Anzeichen auf den Fotos zu erkennen, ist aber langwierig und kann nur durch geschultes Personal durchgeführt werden.
„Maschinelles Lernen hat sich als vielversprechend erwiesen, Ärzten hier zu assistieren“, erklärt Peng. Die Forscherin hat ein System entwickelt, das mittels maschinellem Lernen die Krankheit in einem frühen Stadium erkennen kann. Gerade in Ländern, wo oft Ärztemangel herrscht, könne die Software eingesetzt werden. Die Medizin sei allerdings ein schwieriges Feld für neue Technologien: „Es geht hier in erster Linie darum, Vertrauen zu schaffen.“ Ärzte ganz zu ersetzen sei kein Thema.
Googles Ziel: nicht ganz uneigennützig
Mit der Erforschung von KI wolle man aber keinen menschlichen Verstand nachbilden, wie Mogenet erklärt. „Das Ziel ist es nicht, zu kopieren, was Menschen können. Menschliche Intelligenz interessiert mich eigentlich gar nicht. KI solle Menschen mehr Möglichkeiten geben.“
Zu diesem Zweck hat Google die Plattform Tensorflow geschaffen. Die Open-Source-Plattform für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen wird bereits auf der ganzen Welt von verschiedenen Unternehmen und Diensten genutzt. “Das Ziel ist es, eine standardisierte Plattform für maschinelles Lernen zu schaffen”, so Mogenet. Auch wenn die Plattform kostenlos angeboten wird, Googles Ziel ist wohl nicht völlig uneigennützig. So will man sich auf dem noch jungen Feld etablieren und hier zu einem Player werden, an dem man nur schwer vorbeikommt.
Dieser Artikel erschien zuerst auf futurezone.at.