Veröffentlicht inDigital Life

Was ist dran an den Gerüchten, dass Facebook & Co. die Gespräche ihrer Nutzer belauschen?

Auch wenn sich viele Nutzer mittlerweile bereitwillig „smarte“ Lautsprecher wie den Google Home in ihre Wohnungen stellen, fürchten sie die heimliche Überwachung durch Facebook.

Das Facebook Logo.
Viele Nutzer hegen den Verdacht

Gerade erst hatte man mit einem Freund über Hautcremes oder einen neuen Kopfhörer gesprochen, schon prangt bei Facebook – zwischen Nachrichten und witzigen Fotos – eine entsprechende Werbeanzeige. Es macht sich ein mulmiges Gefühl breit: Belauscht Facebook mich etwa? Neu ist diese Angst nicht.

Und nachvollziehbar ist sie auch: Notebooks oder Smartphones sind mit ihren Kameras und Mikrofonen bestens dazu geeignet, um uns auszuspionieren. Und dass Unternehmen wie Facebook, Google oder Amazon nur zu gern in unsere Köpfe schauen würden, um Werbung noch besser platzieren zu können, ist ein offenes Geheimnis. Was also steckt dahinter?

Technik wird per Stimme gesteuert

Tatsächlich hört immer mehr Technik zu, wenn Menschen sich unterhalten. Das ist meist auch so gewollt. Denn prinzipiell ist es viel einfacher, der Technik zu sagen, was man möchte, statt erst das Smartphone zur Hand zu nehmen, eine App zu öffnen und dort die entsprechenden Knöpfe zu drücken. Wer schon mal seinen Lieblingsradiosender mit der digitalen Assistentin Alexa gestartet oder per Zuruf Geschirrspültabs auf die Einkaufsliste gesetzt hat, weiß, wie bequem und intuitiv das sein kann.

Geräte benötigen permanente Verbindung zum Netz

Statt Technikspielerei ist Sprachsteuerung eigentlich das Gegenteil: Könnten wir mit Computern so sprechen wie mit Menschen, wären die Maschinen auch für diejenigen gut nutzbar, die bisher Probleme mit digitalen Geräten hatten. Von dieser Idealvorstellung einer intuitiven Bedienung für alle sind heutige Geräte aber noch weit entfernt. Das fängt bereits damit an, dass sie eine klare Ansprache brauchen, um zu wissen, dass sie gemeint sind: Erst wenn sie ihre Aufweckphrase hören, also „Alexa“ (Amazon Echo), „Cortana“ (Windows 10), „Ok, Google“ (Google Home/Android-Smartphones) oder „Hey Siri“ (Mac und iPhone), hören die Digitalassistenten richtig zu.

„Zuhören“ bedeutet, dass sie einige Sekunden Sprache aufnehmen und als Audiodatei an leistungsfähige Server im Internet – also in der Cloud – schicken, wo die eigentliche Analyse passiert. Denn gesprochene Sprache gut zu verstehen, ist für Maschinen eine anspruchsvolle Aufgabe, die Rechenleistung und viele Vergleichsdatensätze erfordert. Die kleinen Boxen wären damit überfordert. Alles, was sie ohne Cloudanbindung verstehen, ist ihr Signalwort – und selbst das klappt nicht immer.

Datenverkehr des Amazon Echo überwacht

Doch wird Amazons Echo wirklich nur aktiv, wenn es „Alexa“ hört, oder sendet er auch ungebeten Sprachpakete zur Analyse an die Server? Das haben im vergangenen Jahr die Sicherheitsexperten von AV-Test untersucht. Sie überwachten den Datenverkehr einer Echo-Box. Ihr Fazit: Es flossen tatsächlich nur nennenswerte Daten, wenn Alexa vorher direkt angesprochen wurde.

Was genau die Echo-Box verschickte, konnte AV-Test nicht einsehen, denn die Datenpakete waren vorbildlich verschlüsselt. Verbraucherschützer kritisierten unterdessen, dass der Echo auch mitschneide, wenn er sich fälschlicherweise angesprochen fühlte.

Probleme beim Google Home mini

Das kann vorkommen, weil etwas in einem Gespräch so ähnlich klang wie „Alexa“. Wirklich oft passierte das beim Test im Alltag allerdings nicht. Ein anderes Problem hatte der Konkurrent von Google: Ein übersensibler Sensor im Google Home Mini fühlte sich in einigen Geräten dauerhaft gedrückt und übertrug laufend seine Umgebungsgeräusche an seine Server. Google deaktivierte den Sensor daraufhin eiligst und löschte eigenen Angaben zufolge auch alle gespeicherten Aufnahmen.

Apple speichert Audiodateien nur anonymisiert

Die Löschung können Nutzer übrigens bei Amazon und Google auch selbst veranlassen – und sich jeden einzelnen Audioschnipsel anhören, der übertragen wurde. Apple macht es mit Siri aus Datenschutzsicht übrigens deutlich besser: Hier werden die Audiodateien zwar auch eine Zeit lang gespeichert, aber anonymisiert. Laut eigener Aussage wisse das Unternehmen zu keinem Zeitpunkt, wer die einzelnen Sprachbefehle gesendet hat.

Insgesamt ist es bei Sprachassistenten also wohl eher eine grundsätzliche Frage, ob man sich damit wohlfühlt, sie zu nutzen, oder nicht. Das Mithören in engen Grenzen ist hier jedenfalls ein Aspekt, ohne den Sprachsteuerung schlicht nicht funktioniert. Und so ist das Misstrauen gegenüber Sprachassistenten vermutlich sogar kleiner als das gegenüber Facebook.

Nutzer sind besorgt

Denn hier gehört Mithören nicht zum erwünschten Verhalten. Den Verdacht, dass das Unternehmen es trotzdem tut, hat Facebook vermutlich selbst mit einer Funktion befeuert, die es im Jahr 2014 vorstellte. Dabei kann das Mikrofon des Smartphones TV-Serien oder bestimmte Musikstücke erkennen, die im Hintergrund hörbar sind. Dafür gelten allerdings erhebliche Einschränkungen: So muss die Funktion gezielt eingeschaltet werden und ist nur aktiv, während Nutzer ein Statusupdate schreiben. In Deutschland wurde diese Funktion übrigens gar nicht erst freigeschaltet.

In den USA jedenfalls häuften sich in dem Zusammenhang Berichte besorgter Nutzer über Lauschattacken, sodass Facebook bereits 2016 in einem Blogeintrag klarstellte, dass man seine Nutzer nicht abhöre. Im vergangenen Jahr twitterte Werbechef Rob Goldman leicht entnervt nach erneuten Vorwürfen: „Weder jetzt noch davor haben wir je euer Mikrofon für Werbung genutzt. Das ist einfach nicht wahr.“ Mit großer Wahrscheinlichkeit darf man dieser Aussage glauben. Und es dürfte schwer werden, das Gegenteil zu beweisen.

Permanente Aufzeichnung wäre auffällig

Allerdings sprechen auch einige praktische Gründe dagegen, dass Facebook uns heimlich zuhört. Rein technisch würde ein fortwährender Gesprächsmitschnitt Smartphones vermutlich millionenfach in die Knie zwingen. Denn während es mittlerweile machbar ist, dass Smartphone-Apps dauerhaft Musikstücke, Werbespots oder TV-Serien im Hintergrund identifizieren, ist Spracherkennung etwas völlig anderes. Ein TV-Spot oder ein Musikstück kann über einen akustischen „Fingerabdruck“ identifiziert werden, diese lassen sich sogar zu Tausenden platzsparend auf dem Smartphone hinterlegen und erlauben eine effiziente Erkennung.

Sprache dagegen muss in Gänze aufgezeichnet und an Server im Netz zur Analyse geschickt werden. Die Daueraufzeichnung würde die Akkus der Geräte auffällig stark beanspruchen und die Datenvolumina der Handyverträge im Zeitraffer abschmelzen. So wäre ein Lauschangriff eher ein Garant dafür, dass die App in großen Zahlen von den Smartphones verbannt würde – ein Supergau für Facebook.

Facebook muss seine Nutzer nicht belauschen

Und abgesehen davon, dass es in Deutschland strafbar ist, Nutzer unbemerkt zu belauschen – warum sollte Facebook das überhaupt tun? Schon jetzt weiß das Unternehmen erschreckend genau, welche Websites wir besuchen, wer unsere Freunde sind, was uns „gefällt“ und – dank Standortinformationen – auch, wo wir uns gerade in der realen Welt befinden. Werbepartner können bis ins kleinste Detail genau ihre Zielgruppe ansteuern. Dass man als Nutzer davon oft nichts bemerkt und beliebig wirkende Anzeigen sieht, hat sicher auch damit zu tun, dass längst nicht alle werbenden Unternehmen die Feinkörnigkeit der Kundendaten nutzen und ihre Anzeigen stattdessen lieber breit streuen.

Wie kommen die Treffer zustande?

Wie aber lassen sich diese unheimlichen Werbetreffer erklären, die so viele Menschen erleben? Zunächst einmal ist Facebook wirklich gut, in dem was es tut. Das Netzwerk zeigt oft durchaus Dinge an, die uns beschäftigen und über die wir eben auch sprechen. Da sind wir sicherlich weniger individuell, als uns das lieb ist.

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Und dann kommt noch eine wichtige psychologische Komponente hinzu, die eine Szene verdeutlichen soll, die sich beim Schreiben dieses Textes ereignete. Auf dem Weg zur Kaffeemaschine riss beim Zubinden der Schuhe ein Schnürsenkel. Zurück am Rechner, fiel sofort eine Anzeige ins Auge, die eine Schnürsenkelalternative aus Gummi bewarb. Wie konnte Facebook das wissen? Die Antwort lautet: gar nicht. Die Anzeige stand schon dort, bevor der Schnürsenkel abriss. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie schlicht nicht aufgefallen.

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