Am Mittwoch war Valentinstag. Neben romantischen Gesten, Süßigkeiten und Blumen steht dabei jedes Jahr auch Sex im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Das Pornografie-Portal Pornhub nutzte beispielsweise die Gelegenheit für ausgiebiges Marketing: Einen Tag lang durften Pornhub-User den Premiumservice kostenlos nutzen, das bedeutete keine Werbung und eine deutlich bessere Bildqualität. Selbst Extra-Inhalte in Full-HD waren am Tag der Liebe für alle frei verfügbar.
Wer sich nicht nur am Valentinstag, sondern generell für das Thema Sex interessiert – insbesondere dafür, wie andere darüber denken, damit agieren und was sie mögen und was nicht – oder einfach etwas lernen möchte und womöglich zu scheu ist, mit seinen Freunden offen darüber zu reden, hat die Möglichkeit, auf Podcasts zum Thema zurückzugreifen. In Deutschland sind diese zwar noch relativ rar gesät, es gibt aber den ein oder anderen Stream, der sich durchaus lohnt, gehört zu werden.
Wisse, wie viel du bei Sex-Podcasts ertragen kannst
Doch Vorsicht: Dem eigenen „Erträglichkeitslevel“ sollte sich jeder zumindest ansatzweise bewusst sein, denn zarten Gemütern könnte durch so manchen Sex-Podcast, der explizit oder bildlich zur Sache geht, schnell die Lust an der körperlichen Liebe vergehen.
Wer sich darauf dennoch einlässt, sollte wissen, das gerade bei jungen Streams derbes Vokabular (und das ist zuweilen noch milde ausgedrückt) zum guten Ton gehört. Man gewinnt schnell den Eindruck, dass diese Wortwahl auch dazu dient, die eigene Freizügigkeit und Offenheit gegenüber dem Thema zu demonstrieren.
Sex-Podcasts für ältere Zielgruppen kommen dagegen deutlich gesetzter daher, eine Generationenfrage also. Dass in diesen Fällen oftmals der Hörfunk dahintersteht, erklärt die sprachliche Zurückhaltung aber genauso. Fällt dann trotzdem mal ein Begriff wie „Schwanz“ wirkt dieser deplaziert und kann das Hörvergnügen beeinträchtigen.
Wir haben uns vier Sex-Podcasts angehört
- Ladylike – Die Show über Sex, Liebe und Erotik (Spreeradio) (Homepage)
- Im Namen der Hose – Der Sexpodcast von PULS (Bayrischer Rundfunk) (Zur Webseite)
- Besser als Sex (zum Podcast)
- Oh, Baby! (Reinhören)
Schnell fällt auf, dass das Metier „offene Gespräche über Sex“ scheinbar (fast) nur von Frauen dominiert wird. Gängigen Klischees nach prahlen Männer zwar viel mit ihren sexuellen Erfahrungen, darüber geredet wird aber nicht – schon gar nicht unter Freunden.
„Beste Freundinnen“ (zum Podcast) ist vermutlich auch aus diesem Grund der einzige deutsche Sex-Podcast von Männern, der uns bisher während der Recherche über den Weg gelaufen ist. Diesen heben wir uns also für einen gesonderten Artikel auf.
Sex-Podcast #1: Ladylike
Fangen wir „harmlos“ an. Hinter „Ladylike“ stehen die Moderatorinnen Yvonne (37) und Nicole (41), die sich jeden Sonntag auf Spreeradio „von Frauen für Frauen“ zum Thema Sex austauschen. Dass dabei mit Inhalten wie „Was Frauen wirklich wollen“ oder „Intime Gespräche ohne Tabus“ angeteasert wird, wirkt auf den ersten Blick vielversprechend. Der Zusatz „aber mit Niveau“ bewahrheitet sich in sofern, als dass die versprochenen heißen Diskussionen vergleichsweise gesittet ablaufen. Für eine Sendung, die im Radio ausgestrahlt wird, aber nicht weiter verwunderlich.
Auch thematisch ist der Podcast wahrscheinlich nichts für Freundinnen wirklich versauter Inhalte, die sich neue Ideen und Anregungen erhoffen. Yvonne und Nicole bewegen sich eher in ruhigeren Gewässern, die von „Songs im Bett“ über „Sextoys“ bis hin zu „Männer- und Frauen-Popos“ reichen. Zu den „anrüchigeren“ Themen, die in den bisher 69 Folgen (im Durchschnitt etwa 30 Minuten lang) behandelt wurden, gehören „Sex mit Robotern“, „SM-Spiele“ und „Pornos“.
Fazit: Wer Radio mag und nicht zu viel, aber schon ein bisschen über Sex wissen will, wird sich bei „Ladylike“ wohl fühlen. Manchen Hörerinnen könnte der Moderations-Charme allerdings zu aufgesetzt und unauthentisch sein, es handelt sich nun mal um eine Radiosendung, die nicht zwingend ohne Skript produziert wird.
Sex-Podcast #2: Im Namen der Hose
Der Podcast „Im Namen der Hose“, ein Format von PULS, dem „jungen Programm des Bayrischen Rundfunks“, widmet sich der Aufklärung und dem sexuellen Empowerment – von Frauen und Männern. PULS-Moderatorin Ariane Alter (31) und PULS-Autorin Linda Becker sprechen ganz abseits vulgärer Darstellungen über sexuelle Praktiken, Geschlechtskrankheiten und ihre eigenen Erfahrungen. Dabei verstehen sie sich auch als Aufklärungspodcast, denn „Erstens ist Sex keine Nebensache und zweitens leider oft auch nicht wirklich schön. Wie können wir das ändern? Wir müssen drüber reden.“
Die bisher 14 Folgen (durchschnittlich 30 bis 45 Minuten lang) verfolgen diesen Ansatz mit einer „Was ist eigentlich…“ beziehungsweise „How to…“-Strategie und beleuchten im humorvollen, authentischen Gespräch durchaus explizite Themen wie „Lecken und Fingern“, die aber ehrlich und informativ aufgerollt werden. Angereichert wird die Diskussion mit Expertenmeinungen, Statistiken, Hörerkommentaren und daraus resultierenden Ratschlägen und Tipps, wie man mit bestimmten Aspekten der Sexualität offen umgehen kann.
Fazit: Für alle, die sich zu ausgewählten Sex-Themen Beratung oder Inspiration erhoffen, ohne dabei auf gute Unterhaltung zu verzichten, ist „Im Namen der Hose“ hervorragend geeignet. Den Reiz der Sendung machen dabei zu großen Teilen die Moderatorinnen aus, die nicht nur ein eingespieltes Team sind, sondern zugleich charmant, aufrichtig und vertrauenswürdig wirken. Und obwohl sich das Programm eigentlich eher an ein jüngeres Publikum richtet, wird der sprachliche Umgang mit Sex so geschickt gehandhabt, dass er praktisch alterslos ist. Es geht auch ohne „ficken“ zu sagen.
Sex-Podcast #3: Oh, Baby!
Mit „Oh, Baby!“ wird es nun etwas roher. Der Podcast, der von einer Isabel (Ende 20 und möchte dem Webauftritt zufolge nicht erkannt werden) und, in abwechselnder Reihenfolge, einer ihrer Freundinnen moderiert wird, hatte für mich verschiedene Facetten. Beim ersten Reinhören wirkte das Gespräch zwischen beiden Freundinnen ein wenig inszeniert und gewollt, also eher professionell als authentisch und natürlich. Die Unterhaltung war sehr ruhig, und widersprach damit zumindest meinen Erwartungen in Bezug auf ein Gespräch zwischen jungen Frauen, die sich über Sex unterhalten.
Das genaue Gegenteil dazu ist die Rubrik „Couchgeflüster“, die in jeder der 37 Folgen (zwischen 25 und 50 Minuten lang) enthalten ist und sehr intime Einblicke in die Beziehung von Isabel gibt. In einem Gespräch mit ihrem Freund erkunden beide auf sehr persönlicher Ebene das jeweilige Thema der Episode für ihren Pärchen-Alltag, auch ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Welchen tatsächlichen Mehrwert das nun für den Hörer hat, sei dahin gestellt, zumindest demonstrieren Isabel und ihr Freund damit ihre Bereitschaft, einen Seelenstriptease für die Sache hinzulegen.
Rein thematisch geht es bei „Oh, Baby!“ definitiv zur Sache. Angefangen vom gemeinsamen Porno-Schauen über die Frage, ob Sex und Periode eigentlich vereinbar sind bis hin zum Squirting, dem weiblichen Pendat des Abspritzens wird so ziemlich alles auseinandergenommen. Für die nötige Seriosität sorgt dabei die Zusammenarbeit mit einer Gynäkologin, die zum jeweiligen Thema jeder Folge ihre Expertenmeinung beisteuert.
Fazit: „Oh, Baby!“ ist persönlich, aber nicht übertrieben vulgär, und geht ans Eingemachte. Wer sich einfach nur anhören will, wie sich zwei Frauen über ihr Sexleben austauschen ist hier genauso richtig, wie Zuhörer, die sich Tipps und Kniffe abholen wollen. Die Chemie zwischen den Frauen funktioniert ganz gut, auch wenn ihr Humor nicht immer jeden Geschmack treffen wird.
Sex-Podcast #4: Besser als Sex
Für die ganz Unerschrockenen, die bis jetzt noch nicht fündig geworden sind, ist „Besser als Sex“ mit Ines Anioli (31) und Leila Lowfire (24) einen Versuch wert. Der Podcast in bisher fünf Folgen (zwischen 30 und 55 Minuten lang) ist wirklich gnadenlos ehrlich und manchmal eklig, was nicht zuletzt daran liegt, dass das Moderatorinnen-Duo aus einer YouTuberin (Ines Anioli) und einem Erotik-Model (Leila Lowfire) ausreichend Erfahrung und keine Scheu davor hat, sich vor anderen auf persönlicher Ebene nackig zu machen.
Das macht auch den Reiz dieses für manche vielleicht gewöhnungsbedürftigen Sex-Podcasts aus. Die Gespräche der beiden wirken absolut authentisch und man hat den Eindruck, selbst mit ihnen in einer Runde zu sitzen. Ihr Humor hat bei mir funktioniert, auch wenn er die Grenzen des guten Geschmacks bestenfalls streift. Als Mann dürfte das aber sicherlich anders sein, denn die beiden Frauen sind emanzipiert; bis zu einem Punkt, der die Herren der Schöpfung auch mal schnell zum Sex-Trottel abstempelt.
Interessant beginnt es schon bei der Titelauswahl: „Die absurdesten Gründe mit jemandem Sex zu haben“ oder „Wie sieht der perfekte Gangbang aus“ versprechen Antworten auf Fragen, die man sich selbst vielleicht noch nie gestellt hat. Dabei darf man allerdings nicht erwarten, dass Ines und Leila auf den Punkt kommen. Beide verlieren sich im Gespräch gern mal, was jedoch nicht minder amüsant ist.
Rein sprachlich muss sich der Zuhörer auf jeden Fall etwas gefallen lassen, da führt kein Weg dran vorbei. Interessant ist aber, dass die dreckige Wortwahl der beiden komplett natürlich wirkt und nicht zwingend zu peinlichem Empfinden oder Fremdscham führt. Man ist fast neidisch, nicht selbst so offen über Sex reden zu können.
Fazit: „Besser als Sex“ heißt nicht nur so, sondern bereitet tatsächlich Vergnügen – wenn man sich darauf einlassen kann. Die Moderatorinnen zumindest haben Spaß und sprechen dabei nicht zwingend nur für ihr Publikum. Der Podcast wirkt vielmehr wie eine natürliche Gesprächssituation, in der sich zwei Frauen auf sehr eindeutige und bildliche Art über ihre Sexabenteuer und -erfahrungen unterhalten.
Sex-Podcasts für jedermann
Auch wenn es sie in Deutschland nicht wie Sand am Meer gibt, sollte sich für den interessierten Sex-Liebhaber dennoch der passende Podcast finden. Unterhaltung auf ihre eigene Art bieten alle, die wir uns angehört haben. Viel wichtiger ist aber, dass sie diese auch immer mit Ratschlägen, Hinweisen und Expertise untermalen, um dem Thema Sex auch die nötige Ernsthaftigkeit einzuräumen. Lernen können und sollten wir dabei alle noch etwas.