Eigentlich sollen E-Zigaretten weniger schädlich sein als normaler Tabak. Das Konzept war bereits 1963 von dem US-Amerikaner Herbert A. Gilbert patentiert worden. Er hatte die Idee einer elektronischen, rauch- und tabakfreien Zigarette, die ähnlich wie die Modelle, die heute vertrieben werden, aus einem Liquidbehälter in einem zigarettenähnlichen Gehäuse bestand. Batterien sollten das Liquid erhitzen und verdampfen lassen. 1965 wurde Gilbert das Patent zugewiesen – mehr nicht. Die elektronische Zigarette wurde nicht produziert.
Hätte Gilbert damals gewusst, was seine Erfindung für ein Renner werden würde. Erst 40 Jahre später gelang ihr schließlich der Durchbruch. Hon Link, ein chinesischer Apotheker griff die Idee 2003 wieder auf und machte sie endlich erfolgreich. Er verwendete ein Liquid basierend auf Propylenglykol, eine klare, farblose, nahezu geruchlose Flüssigkeit, die Feuchtigkeit aus der Umgebung binden kann. Bereits 2004 kam Links E-Zigarette auf den Markt, ein weiteres Jahr später begann der Export ins Ausland.
Trend: E-Zigaretten sind gesünder
Links „Verdampfer“ basiert auf der Technologie, mit der in Diskotheken Nebel erzeugt wird, das oben erwähnte Propylenglykol. Seit 2007 wird sie, mit zahlreichen Veränderungen ihres Designs und ihrer Funktionen weltweit hergestellt und vertrieben – mit großem Erfolg: In Deutschland sollen 2016 bereits mehr als 3,5 Millionen Menschen E-Zigaretten konsumiert haben. 375 bis 400 Millionen Euro hat die Industrie damit im selben Jahr erwirtschaftet. Das geht aus einem Bericht des Verbandes des E-Zigarettenhandels (VdeH) hervor.
Übrigens sind ganze 91,5 Prozent der E-Zigarettenraucher ehemalige Tabakraucher. Das legt auch für den Verband die Vermutung nahe, dass beim „Umsteigen“ der Gesundheitsaspekt im Vordergrund steht. Dieses Motiv hatten seit der Markteinführung der E-Rauchgeräte mehrere Studien auch beweisen beziehungsweise bestärken wollen, darunter eine Expertenbewertung der Public Health England von 2015, dernach die E-Variante zu 95 Prozent „sicherer“ sein soll als gewöhnlicher Tabak.
Trotz des Trends: Suchtpotenzial und Krebsrisiko
Immer mehr erreichen die Öffentlichkeit allerdings auch kritische Untersuchungen. Eine Studie des US-amerikanischen National Instituts of Health beispielsweise hat die kurzzeitigen – schließlich gibt es E-Zigaretten noch nicht lange – Auswirkungen des Konsums erforscht. Das Ergebnis:
- Elektronische Zigaretten hatten in dem Experiment nach fünf Minuten des Rauchens ähnlich negative Auswirkungen wie Tabakzigaretten.
- Die Atemwege wurden eingeengt.
- Ebenso werden Mundraum und Rachen durch sie gereizt.
- Vor allem können E-Raucher nie wissen, vor allem nicht bei unbekannten Herstellern, welche Bestandteile wirklich in den Liquids stecken.
- Auch wenn viele Raucher sich durch E-Zigaretten vom Nikotin entwöhnen wollen, muss ihnen klar sein, dass auch von ihnen ein Suchtpotenzial ausgeht.
Ein Forscher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein hatte außerdem bereits 2016 herausgefunden, dass E-Zigaretten das Absterben von Zellen bewirken und deshalb äußerst schädlich für Blutdruck und Herzfrequenz sind, mitunter sogar krebserregend sein können.
Bestätigt hat sich das kürzlich durch eine Studie der Universität New York: An Mäusen wurde der Rauch elektronischer Zigaretten getestet, mit dem Ergebnis, dass er deren DNA schädigt und übertragen auf den menschlichen Körper zu Krebs führen kann.
Das neue Risiko: Explodierende E-Zigaretten
Als Otis Gooding am 23. November 2016 hinter der Theke einer Weinhandlung in New York stand, fühlte er eine Explosion an seinem Oberschenkel. Schuld war die E-Zigarette in seiner Hosentasche, die wie ein kleines Feuerwerk ausgebrochen war. Seine rechte Hand wird er wohl nie wieder richtig benutzen können.
Die Meldung ist bei Weitem nicht die einzige dieser Art. In den USA ermittelte die National Fire Data Center of the U.S. Fire Administration von 2009 bis 2016 ganze 195 einzelnen Vorfälle durch E-Zigaretten. In Deutschland erlitt ein 20-Jähriger Kölner im Januar 2016 schwere Brandverletzungen, als er in einem Tabakgeschäft einen neuen Akku und Verdampfungskopf an seine E-Zigarette gebaut hatte. ´
Warum Explosionen? Der Thermal Runway
Wer in solchen Fällen haftet, ist noch nicht geklärt. Medial präsent waren in den vergangenen Jahren vor allem Smartphone-Akkus, die explodierten, allen voran das Galaxy Note 7 von Samsung. Unsere Kollegen aus Österreich hatten damals recherchiert, worin das Problem der explodierenden Smartphone-Akkus liegt. Das Prinzip des sogenannten Thermal Runways steckt dahinter.
Bei Lithium-Ionen-Akkus, mit denen nicht nur die meisten Smartphones, sondern eben auch die E-Zigaretten aufgeladen werden, wandern die Lithiumionen innerhalb der Batteriezelle zwischen Pluspol (Kathode) und Minuspol (Anode) hin und her. Beim Laden des Akkus gehen sie von der Kathode zur Anode. Wird das Smartphone oder die E-Zigarette verwendet, wandern sie in die andere Richtung. Dass die Pole sich berühren, verhindert ein Separator. Wird die Kunststofffolie, aus der er besteht, beschädigt, kommt es zu einem Kurzschluss. Die Folge: Chemische Energie wird zu thermischer, also Hitze. Die führt zur Explosion. Und das ist Thermal Runway. So können allein schon ein paar Staubkörner unter Reinraumbedingungen in Smartphones und E-Zigaretten erhebliche Kettenreaktionen auslösen.
Was also tun?
Im Falle des Phänomens Thermal Runway gilt vor allem erstmal: keine Panik. Außerdem sollte man beim Aufladen auf gewisse Dinge achten: Überladen der E-Zigarette ist schlecht, ebenso wie das Laden auf brennbaren Untergründen. Macht es also nicht direkt neben dem Bett oder Sofa.
Wasser wiederum ist ein gutes Löschmittel für Akku-Brände. Sollte alles nichts helfen, hilft es nur noch, das Gerät kontrolliert abbrennen zu lassen. Schwierig, wenn man die E-Zigarette in der Hosentasche hat. Daher der dringende Ratschlag: Packt sie erst gar nicht da hinein. Tipps zur Pflege und Lagerung gibt es etwa hier.
Die Funktionsweise von E-Zigaretten-Akkus wird auch hier anschaulich erklärt.
Wo darf in Deutschland geraucht werden?
Potenzielle Chancen der E-Zigarette wollen auch deutsche Ärzte trotz aller bekannten Gesundheitsrisiken noch nicht voreilig abtun. Und auch der Trend unter den Verbrauchern ist anscheinend noch nicht vorbei.
Vermutlich liegt das auch daran, dass der Konsum der E-Zigaretten vielerorts noch erlaubt ist. Im öffentlichen Nahverkehr etwa wird die Verwendung von Zigaretten über das Bundesnichtraucherschutzgesetz mit einem Rauchverbot geregelt. Der Konsum von elektronischen Zigaretten wiederum ist gesetzlich nicht eingeschränkt, ÖPNV-Betrieber müssen das privatrechtlich regeln. Die Deutsche Bahn untersagt ihn zum Beispiel in all ihren Zügen. An Bahnhöfen gilt die jeweilige Hausordnung.
Keine „konkreten Gefahren“, keine Rechtsgrundlage
Davon abgesehen sind wie beim normalen Tabakkonsum auch im Falle der elektronischen Zigaretten in Deutschland die Bundesländer für die gesetzlichen Regelungen verantwortlich.
So entschied etwa das Verwaltungsgericht Köln, dass E-Zigaretten in Gaststätten erlaubt sind, weil sie nicht im Sinne des Gesetzes „geraucht“ werden würden. In Bayern wiederum ist der Konsum erlaubt, wenn die Zigaretten mit Liquids betrieben werden. Der niedersächsische Stadte- und Gemeindebund „kann und darf“ den Gebrauch „ohne Rechtsgrundlage und verlässliche Erkenntnisse zu konkreten Gefahren“ nicht untersagen – eine Farce angesichts der nun so realen, tatsächlichen Gesundheitsgefahren.
Dass seit diesen Urteilen bereits ein paar Jahre vergangen sind, lässt erahnen, dass weitere Verhandlungen kommen und bis zu einem möglichen bundesweiten Verbot noch einige weitere Jahre vergehen werden. Ob es dann bereits um den Konsum von E-Shishas gehen wird?