Bisher hielten sich die großen Ölkonzerne beim Aufbau der Infrastruktur für E-Fahrzeuge zurück. Shell unternimmt nun einen ersten größeren Aufschlag, um Autos auch mit Strom zu versorgen.
Shell will künftig nicht nur Benzin und Diesel verkaufen, sondern auch Strom für Elektroautos. Man habe mit der niederländischen Firma NewMotion einen der großen Anbieter von Ladestationen in Europa übernommen, teilte der Ölkonzern am Donnerstag in London und Den Haag mit. Der Kaufpreis sei vertraulich.
30.000 Ladestationen
Das Unternehmen NewMotion mit Sitz in Amsterdam bietet mehr als 30.000 Ladestationen für Zuhause oder in Unternehmen in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Großbritannien an und gehört damit zu den größten Anbietern der Branche in Europa. Außerdem bietet NewMotion Zugang zu über 50.000 öffentlichen Ladesäulen in 25 Ländern, davon 10.000 in Deutschland.
Rund 100.000 Kunden besitzen eine Kundenkarte von NewMotion, mit der sie die Dienstleistungen des Unternehmens nutzen können, davon 39 Prozent in Deutschland. Aus Österreich kooperiert die Verbund-Tochter Smatrics mit NewMotion, wodurch den Smatrics-Kunden das New Motion Ladenetzwerk in Deutschland, Belgien und den Niederlanden zur Verfügung steht, wie es auf der Homepage der Verbund-Tochter heißt. Bisher können auch schon die Firmenkunden von Shell und Total auf die Ladeinfrastruktur von NewMotion im Rahmen einer Kooperation zugreifen.
NewMotion bleibt eigenständig
Der Kauf unterstreiche die Strategie, Kunden Lösungen für ihre Fahrzeuge und deren Nutzung zu bieten, sagte der Chef von Shell Deutschland, Stijn van Els: „Wir wollen unseren Kunden ein passendes Angebot machen.“ NewMotion werde als 100-prozentige Shell-Tochter ihr Geschäft eigenständig betreiben, jedoch sollen Synergien mit Shell aus der Kombination von Services und Produkten genutzt werden.
Auch Shell-CEO Ben van Beurden hat zuletzt großen Enthusiasmus für die Elektromobilität deutlich gemacht.
E-Autos werden sich laut Experten durchsetzen
Zum Jahresbeginn gab es in Deutschland lediglich 34.000 E-Autos sowie weitere 165.000 Hybrid-Fahrzeuge. Der hohe Kaufpreis, die begrenzte Reichweite sowie die unzureichende Ladeinfrastruktur gelten als die wesentlichen Hürden für die massenhafte Verbreitung des Elektroautos.
Gleichzeitig sind viele Experten überzeugt, dass sich die Technologie letztlich durchsetzen wird. Angesichts von heute 45 Millionen Pkw mit Benzin- und Dieselmotoren wird es jedoch noch sehr lange dauern, bis die deutsche Autoflotte eines Tages elektrisch fährt.
Bisher vor allem Energiekonzerne am Ausbau beteiligt
Öl- und Gaskonzerne wie Shell, ExxonMobil, Total und Aral/BP haben bisher nur zögerlich in den Aufbau der Infrastruktur für Elektroautos investiert, weil es sich für sie wirtschaftlich nicht lohnte. Die fünf größten Tankstellen-Konzerne in Deutschland betreiben an ihren 7.200 Stationen nach einer Recherche der „Welt“ gerade einmal 60 Ladesäulen. Bei den insgesamt 14.500 Tankstellen in Deutschland dürften es kaum mehr sein.
Das liegt auch daran, dass die Logistik eine ganz andere ist. Benzin-Tankstellen sind auf einen hohen Durchsatz und viele Kunden ausgelegt. E-Autos werden dagegen über Nacht zu Hause, tagsüber auf dem Firmenparkplatz oder zum Beispiel in Hotels, Supermärkten und Parkhäusern aufgeladen. Selbst der kürzeste Ladevorgang an einer Schnellladesäule dauert derzeit noch eine halbe Stunde.
Da Strom – im Gegensatz zu Benzin und Diesel – im Prinzip an jedem Ort verfügbar ist, wird sich die Infrastruktur für Elektroautos voraussichtlich unabhängig vom bestehenden Tankstellennetz entwickeln. Bisher engagieren sich auf diesem Gebiet vor allem Energiekonzerne wie Innogy und EnBW sowie die Autohersteller selbst, die ein Gemeinschaftsunternehmen zum Aufbau eines öffentlichen Ladesäulen-Netzes entlang der Hauptverkehrsachsen gegründet haben.
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