Facebook kündigte bereits vor einem Jahr eine millionenschwere Werbekampagne speziell in Deutschland an – eine Premiere für den Konzern aus dem Silicon Valley. Die skeptischen Deutschen mit der „German Angst“ vor Überwachung durch Politik und Wirtschaft lagen bisher nicht im großen Interesse von Mark Zuckerberg. Dass der Gründer nun möglicherweise die Ängste seiner Nutzer ernster zu nehmen scheint, zeigen die aktuellen Werbeplakate.
In Berlin sind sie an vielen Straßenecken, Tramhaltestellen, Litfaßsäulen und U-Bahnstationen zu finden. Menschen im geschätzten Alter von 20 bis 35 prangen darauf. Sie vermitteln die Ängste und Fragen, aber auch konkrete Kritik an der Plattform, die viele Facebook-Nutzer umtreibt: „Kontakte knüpft man nur im richtigen Leben“ etwa. Oder: „Ich hab mal etwas gepostet, was ich nie nie nie hätte teilen sollen“. Oder „Du postest ein Bild deiner Kinder und die ganze Welt sieht es“. Oder „Keine Ahnung, wer meine Posts zu sehen bekommt“.
„Mache Facebook zu deinem Facebook“
Berechtigte Fragen, wenn wir einmal von uns selbst ausgehen. In der futurezone-Redaktion beschäftigen wir uns nicht nur aus beruflichem, sondern auch privatem Interesse damit. Denn Facebook geht mittlerweile über 2,07 Milliarden aktive Nutzer weltweit an, davon sitzen über 30 Millionen in Deutschland. Die Antworten auf diese Fragen sind in den Untiefen des sozialen Netzwerks vergraben, auffindbar nur durch müßige Google-Recherche oder eben geballtes Wissen über Facebooks Nutzerrechte.
Gerade deshalb ist die Kampagne gut inszeniert, als analoges Gegenstück zum täglich undurchsichtigeren Facebook-Wahsinn im Newsfeed der User. Um mit dem eigenen Bauchgefühl zu sprechen, das wir haben, wenn wir die Plakate ansehen: Wir fühlen uns verstanden. Wir können uns mit diesen Menschen zwar nicht vollends identifizieren, wohl aber mit den Zitaten und ihrem negativen Feedback zu Facebook. Die Botschaft ist also: Wir sind nicht allein mit unserer Kritik und unseren Ängsten und Unsicherheiten, die das soziale Netzwerk betreffen.
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Zumindest vermittelt die Facebook-PR, dass wir es noch selbst in der Hand haben, was wann und mit wem in unserem Newsfeed erscheint und geteilt wird. Denn genau das ist das Ziel der Kampagne: Die hauseigenen Probleme des Netzwerks offen zu thematisieren und gleichzeitig Lösungen anzubieten. Keine Ahnung, wer meine Posts zu sehen bekommt? Der Privatsphäre-Check bietet Hilfe und Kontrolle über die Sichtbarkeit der eigenen Inhalte. „Mache Facebook zu deinem Facebook“ ist deshalb auch der Slogan der Kampagne.
Was sagt eigentlich Facebook dazu?
futurezone hat nachgefragt, was das eigentlich soll: Was steckt hinter der Kampagne? Und was will das Unternehmen damit erreichen? Gegenüber Spiegel Online erklärte Facebook Deutschland-Managerin Marianne Bullwinkel bereits den Hintergrund der Kampagne, als diese Ende 2016 präsentiert wurde. Sie räumte ein, dass es „mehr Funktionen und Privatsphäre-Einstellungen als früher – und damit mehr Fragen“ gibt. Sprecherin Tina Kulow sagte: „Viele wissen gar nicht, dass ihr Facebook anders aussieht, als das anderer Nutzer.“
Das war also bereits ein Signal an die Nutzer, die von den ewig gleichen Medienbeiträgen und Werbeposts in ihrem Newsfeed genervt sind. Geplant ist, Facebook wieder zu der Plattform zu machen, die es ursprünglich war: ein soziales Netzwerk, in dem sich Freunde mit Freunden austauschen. Gleichzeitig kündigte Facebook Anfang November die erste große B2B-Kampagne in Deutschland an. Sie richtet sich an Marketing-Entscheider aus Unternehmen und Agenturen und sollen für die Marketing-Strategien der Plattform werben – und, im Erfolgsfall, dann eben doch wieder viel Werbung in den Newsfeeds der User ausspielen.
Ein Jahr nach Ankündigung der Kampagne wird sie nun fortgesetzt: Was steckt dahinter?
Ein Facebook-Sprecher sagte zu futurezone, man suche mit der aktuellen Kampagne seit Herbst 2016 „intensiv das Gespräch mit Menschen aus ganz Deutschland“. Ihre Fragen sowie konkrete Tipps und Lösungen sollen im Mittelpunkt stehen. „Facebook möchte damit einige der häufigsten Missverständnisse und Wissenslücken in Hinblick auf die Plattform ausräumen und den Menschen in Deutschland helfen, Facebook zu ihrem Facebook zu machen“, so der Sprecher.
„In der aktuellen Fortsetzung der Kampagne, die seit Ende Oktober 2017 läuft, geht Facebook einen Schritt weiter. Unter www.facebook.com/antworten werden viele der Fragen beantwortet, die Menschen aus Deutschland in den vergangenen Monaten an Facebook gerichtet haben. Dafür sind Facebook-Mitarbeiter aus Deutschland vor die Kamera gegangen, um einige der am häufigsten gestellten Fragen persönlich zu beantworten“, berichtet er weiter. Während sich für die Plakate also befragte User zur Verfügung gestellt haben, sollen die Menschen in den Videos sogar bei Facebook arbeiten. Das ist natürlich glaubwürdiger als Models zu nehmen.
Anknüpfend an die Aussagen auf den Werbeplakaten: Was sind die größten Probleme von Facebook?
Der Facebook-Sprecher erklärt weiter: „Die Motive der Kampagne zeigen echte Menschen mit ihren echten Herausforderungen im Umgang mit Facebook. Dabei geht es um Fragen der Nutzereinstellungen, der Privatsphäre und Tipps, wie Menschen ihren News Feed noch besser an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen können.“
Dem Unternehmen zufolge wurde die Kampagne seit dem Start im Herbst 2016 „sehr gut aufgenommen“: „Wir haben sehr viel positive Resonanz aus der Community und von Geschäftspartnern erhalten. Diese Resonanz bestärkt uns darin, dass wir mit ‚Mache Facebook zu deinem Facebook‘ auf dem richtigen Weg sind.“ Welcher „richtige Weg“ das sein soll, wird nicht verraten. Wohin soll es also mit dem sozialen Netzwerk zukünftig gehen?
„Facebook möchte den Menschen die Möglichkeit geben, eine Gemeinschaft zu bilden und die Welt näher zusammen zu bringen“, so der Facebook-Sprecher. „Die Community, vor allem auch das Engagement in Gruppen und damit auch der private Austausch und die Unterstützung von Menschen untereinander werden immer bedeutender.“ Wir werden somit wohl abwarten müssen, wie der News Feed zukünftig aussehen wird.