Der US-amerikanische Automobilkonzern Tesla steht nicht selten in der Kritik – auch in Deutschland. Speziell sind es die Zustände in der Gigafactory im brandenburgischen Grünheide, sie immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Zuletzt ging es dabei um den ungewöhnlich hohen Krankheitsstand der Mitarbeitenden, kurz darauf um die Hausbesuche, die ihre Chefs in Folge dessen bei ihnen machten, um ihre Krankmeldungen zu überprüfen. Doch ist das überhaupt legal?
Hausbesuch bei Krankmeldung
Üblich ist ein solcher Kontrollbesuch keineswegs, ein Einzelfall ist die Vorgehensweise des Geschäftsführers André Thierig und Personalchefs Erik Demmler allerdings auch nicht. Entsprechend verständnislos zeigten sich die beiden Manager auch gegenüber ihren Mitarbeitenden. „Das hat man einfach gemerkt an der Aggressivität“, habe Demmler dem Handelsblatt zufolge auf einer Betriebsversammlung erklärt. „Indem man die Tür zugeschlagen bekommt. Indem mit Polizei gedroht wird. Indem man gefragt wird, ob man nicht vorher einen Termin machen muss.“
Aus unternehmerischer Sicht ist es durchaus verständlich, dass Vorgesetzte sichergehen wollen, dass die Krankmeldungen ihrer Mitarbeitenden tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Ethisch gesehen, lässt sich darüber jedoch durchaus diskutieren.
Solche Besuche untergraben das Vertrauen in die Arbeitsbeziehung und verletzen die Privatsphäre der Mitarbeitenden. Sie senden das Signal, dass den Mitarbeitenden Misstrauen entgegengebracht wird, was die Arbeitsatmosphäre negativ beeinflussen kann. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet es, die gesundheitlichen Belange der Mitarbeitenden zu respektieren und nicht durch solche Kontrollmaßnahmen unnötigen Druck auszuüben.
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Rechtlicher Rahmen bei Krankmeldung
In Deutschland regelt § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) die Pflichten bei Arbeitsunfähigkeit. Arbeitnehmer*innen sind demnach verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, wenn die Krankheit länger als drei Tage dauert. Diese Bescheinigung einer Ärztin oder eines Arztes ist als ausreichender Beleg für die Arbeitsunfähigkeit anzusehen, und der Arbeitgeber hat in der Regel keine weitergehenden Rechte, diese eigenmächtig zu überprüfen. Er kann nur im begründeten Ausnahmefall den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) hinzuziehen, aber nicht durch unangekündigte Besuche selbst kontrollieren.
Dein Recht auf Privatsphäre ist neben anderen Verordnungen und Gesetzen auch in Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Dieses Recht schützt gemeinsam mit § 903 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Privatsphäre, wozu auch die Wohnung gehört. Wenngleich deine Vorgesetzten also das Recht haben, vor deiner Tür aufzuschlagen, musst du ihnen diese längst nicht öffnen, geschweige denn sie in dein Zuhause lassen.
Darüber hinaus sind datenschutzrechtliche Bestimmungen nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) relevant, insbesondere Art. 9 DSGVO, der den Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten regelt. Ein unangekündigter Besuch könnte gegen diese Bestimmungen verstoßen, wenn der Arbeitgeber dadurch versucht, unzulässig Informationen über den Gesundheitszustand beziehungsweise den Grund der Krankmeldung des Mitarbeitenden zu erlangen.
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Das sagt ein Anwalt
Grundsätzlich sei ein Hausbesuch bei einer Krankmeldung nicht verboten, erklärte auch Dr. Till Heimann von der Frankfurter Anwaltskanzlei Kliemt gegenüber dem Handelsblatt. „Zudem kommt es auch immer auf den Zweck an: Wenn der Vorgesetzte vorbeikommt, um Blumen und Genesungswünsche zu überbringen, ist das etwas Anderes, als wenn er mit dem Feldstecher im nächsten Gebüsch steht.“
Theoretisch können Arbeitnehmende Heimann zufolge in einigen Fällen auch gegen Maßnahmen wie diese vorgehen. „Es gibt Entscheidungen, wonach etwa eine permanente Observation durch einen Detektiv die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters verletzen kann mit der Folge einer Schadenersatzpflicht“, so der Rechtsanwalt. „Wer also einen Detektiv oder ähnliche Maßnahmen einsetzt, sollte immer sauber dokumentieren, dass (und warum) Verdachtsmomente für eine falsche Krankmeldung sprechen.“
Wenn erwiesen sei, dass eine Krankmeldung gefälscht oder erschlichen worden sei, könne ein Unternehmen Mitarbeitende abmahnen. In einigen Fällen könnte ein solcher Arbeitszeitbetrug auch als Kündigungsgrund ausreichen. „Häufig wird es bei nicht widerlegbaren Verdachtsmomenten bleiben; dann kann der Arbeitgeber eventuell auf Grundlage des zerstörten Vertrauensverhältnisses kündigen.“ Das gelte vor allem dann, wenn es sich um keinen einmaligen Vorfall handelt.
Quellen: Handelsblatt; Entgeltfortzahlungsgesetzes; Allgemeine Erklärung der Menschenrechte; Bürgerliches Gesetzbuch; Datenschutzgrundverordnung
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