Die Art und Weise, wie in Deutschland Häuser und Wohnungen beheizt werden, steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Derzeit setzen rund 50 Prozent der Haushalte auf Öl- oder Gasheizungen – ein Anteil, der nach den ursprünglichen Plänen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) bis 2045 deutlich reduziert werden sollte. Doch nach der Vertrauensfrage von Olaf Scholz im Dezember 2024 und den anstehenden Neuwahlen im Februar 2025 ist ungewiss, ob und in welchem Umfang diese ehrgeizigen Pläne tatsächlich umgesetzt werden können.
Aus für Gasheizung: Ein Fahrplan auf wackeligen Beinen?
Ein zentrales Element der neuen Heizstrategie ist das 23-seitige Dokument „Transformation der Gas-/Wasserstoff-Verteilernetze“, auch bekannt als „Green Paper“. Darin sind die notwendigen Schritte dargelegt, wie Deutschland den Umstieg von Erdgas hin zu klimaneutralen Energiequellen wie Wasserstoff vollziehen könnte. Das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, erfordert umfangreiche Anpassungen der Gasnetze, die teilweise umgebaut oder stillgelegt werden müssen.
Das „Green Paper“ diskutiert rechtliche und finanzielle Herausforderungen, wie etwa die Frage, wer für den Rückbau der Netze aufkommt und wie die Energieversorgung während der Übergangszeit sichergestellt wird. Ziel ist es, den Prozess für alle Beteiligten – von Energieunternehmen bis hin zu den Verbraucher*innen – fair und effizient zu gestalten.
Die politische Unsicherheit hat sich nach der Ankündigung der Neuwahlen im Februar 2025 verschärft. Der Ausgang dieser Wahl wird maßgeblich beeinflussen, ob die ambitionierten Pläne wie geplant umgesetzt werden oder einer Revision unterzogen werden. Bisher ungelöste Fragen, wie etwa die Finanzierung des Rückbaus der Netze und die faire Kostenverteilung für Verbraucher*innen, bleiben bestehen. Die Pläne, die Umrüstung von Millionen Gasheizungen durch Förderung und Zuschüsse zu unterstützen, stehen nun ebenfalls auf wackeligem Boden, sollten sich die Prioritäten einer möglichen neuen Regierung verschieben.
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„H2 Ready“ vs. technologische Neutralität
Im Zentrum der Diskussion stand bisher das Heizgesetz, das klimaneutrale Heizungen bis 2045 forderte. „H2 Ready“-Gasheizungen, die sowohl mit Erdgas als auch künftig mit Wasserstoff betrieben werden können, galten als eine mögliche Lösung, um den Wandel technologisch und finanziell möglichst flexibel zu gestalten. Doch mit dem politischen Umbruch steht dieser Ansatz in der Schwebe. Die FDP hatte stets auf einen technologieoffenen Ansatz gepocht und die Rolle von Wasserstoff und Biomethan als Alternativen betont.
„H2 Ready“-Gasheizungen sind moderne Heizsysteme, die so konzipiert sind, dass sie sowohl mit dem aktuell genutzten Erdgas als auch in Zukunft mit Wasserstoff betrieben werden können. Das bedeutet, sie bieten eine flexible Lösung für die Heizung deines Hauses, indem sie sich an den Übergang zu saubereren Energiequellen anpassen, ohne dass du dein Heizsystem später austauschen musst.
Erst kürzlich hat die FDP in einem Positionspapier bekräftigt, dass sie auf freiwillige Lösungen statt auf verpflichtende Vorschriften setzen möchte. Ob dies nach der Neuwahl 2025 umgesetzt wird, hängt vom politischen Kräfteverhältnis ab. Gleichzeitig bleiben jedoch Zweifel, ob die notwendige Wasserstoffinfrastruktur zeitnah und flächendeckend realisiert werden kann. Sollte sich eine andere politische Gewichtung durchsetzen, könnte die Förderung dieser Heiztechnologien beschränkt oder anders strukturiert werden.
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Auswirkungen auf deutsche Haushalte
Der Wandel betrifft Millionen von Haushalten, die derzeit mit Gas heizen. Die Anpassung der Netze wird den Gasbedarf erheblich reduzieren, sodass weniger als 20 Prozent der Haushalte weiterhin Gas nutzen könnten. Die Übergangsregelungen und Fördermechanismen für betroffene Haushalte bleiben ein zentrales Thema – insbesondere im Hinblick auf die Belastungen durch hohe Energiepreise, die zuletzt erneut gestiegen sind
Die geplanten Veränderungen zielen darauf ab, den Gasbedarf in deutschen Haushalten langfristig erheblich zu reduzieren und die Energieversorgung klimafreundlicher zu gestalten. Die EU-Richtlinie zur Energieeffizienz (Energy Efficiency Directive, EED) bleibt ein maßgeblicher Rahmen, doch die aktuelle politische Unsicherheit in Deutschland lässt offen, inwieweit das Land seine bisherigen Verpflichtungen termingerecht erfüllen kann.
Darüber hinaus wird spekuliert, dass eine neue Regierung möglicherweise Übergangsfristen für bestehende Gasheizungen verlängern könnte, um die Kostenbelastung für Verbraucher*innen abzufedern. Ein länger andauernder Stillstand könnte hingegen Projekte für den Heizungstausch oder die Umrüstung der Gasnetze blockieren.
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Nicht ohne Herausforderungen
Um den Umstieg auf klimaneutrale Heizsysteme zu erleichtern, plant die Bundesregierung umfangreiche Förderprogramme. Diese beinhalten Zuschüsse und zinsgünstige Kredite, um die finanziellen Belastungen für private Haushalte zu reduzieren. Besonders einkommensschwächere Haushalte sollen dadurch entlastet werden, damit der Wechsel sozial gerecht gestaltet wird.
Trotz der Pläne bestehen auch technologische Hürden. Die Infrastruktur für Wasserstoff ist noch nicht ausreichend ausgebaut, und es ist unklar, ob der Zeitrahmen bis 2045 für die vollständige Umstellung aller Haushalte realistisch ist. Daher bleiben flexible, technologieneutrale Lösungen ein wichtiges Thema in der Diskussion.
Ein weiterer Stolperstein ist die derzeitige politische Unsicherheit. Solange keine neue stabile Regierung gebildet ist, könnten wichtige Entscheidungen, die für den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur notwendig sind, aufgeschoben werden. Die Zukunft des „Green Paper“ und der deutschen Heizstrategie ist also aus vielerlei Hinsicht unklar. Zwar bleibt der Bedarf an klimaneutralen Lösungen bestehen, doch könnte die politisch veränderte Landschaft die Umsetzung verzögern oder den Fokus stärker auf neue, weniger effektive Ansätze lenken. Die aktuellen Ereignisse lassen offen, wie stabil der Weg zur Klimaneutralität verfolgt werden kann – für Verbraucher*innen wie für die Energiebranche bleibt die Entwicklung gespannt zu beobachten.
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Die verlorene Vertrauensfrage
Am 16. Dezember 2024 stellte Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag – und verlor sie. Ein solcher Schritt gilt als politische Notbremse, wenn keine stabile Mehrheit mehr im Parlament vorhanden ist. Der Bundespräsident kann daraufhin den Bundestag auflösen, was den Weg für vorgezogene Neuwahlen ebnet. Das Ziel ist es, durch den demokratischen Prozess eine neue parlamentarische Mehrheit zu schaffen und damit die Regierungsfähigkeit wiederherzustellen. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies die Chance, die politische Richtung neu zu bestimmen.
Nach der Auflösung des Bundestages legt der Bundespräsident den Wahltermin fest, der innerhalb von 60 Tagen stattfinden muss – für die Neuwahl 2025 ist der Bundesregierung zufolge der 23. Februar im Gespräch. Währenddessen bleibt die Bundesregierung im Amt und ist voll handlungsfähig. Nach der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages, die spätestens 30 Tage nach der Wahl erfolgt, arbeitet sie auf Ersuchen des Bundespräsidenten geschäftsführend weiter, bis ein neuer Bundeskanzler oder eine neue Bundeskanzlerin gewählt wird. Ein solcher Übergangszeitraum garantiert Stabilität, auch wenn die Koalitionsbildung oft Wochen oder Monate in Anspruch nehmen kann.
Die Ergebnisse der Neuwahlen könnten erheblichen Einfluss darauf haben, ob Projekte wie die Umstellung auf klimaneutrale Heizsysteme priorisiert oder verschoben werden. Verbraucher*innen bleiben weiterhin im Unklaren, wie die Förderprogramme für Heizungsumstellungen ausgestaltet sein werden. Dennoch bleibt klar: Der Weg zur Klimaneutralität erfordert langfristige Planung, unabhängig von kurzfristigen politischen Veränderungen. Wie schnell und konsequent dieser Pfad verfolgt wird, hängt maßgeblich von den Ergebnissen der Neuwahlen ab.
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Die Neuwahlen in Zahlen
Die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Rücknahme des GEG nach den Neuwahlen am 23. Februar 2025 ist gering. Denn obwohl Parteien wie die CDU/CSU und die AfD angekündigt haben, das Heizungsgesetz im Falle eines Wahlsiegs zurücknehmen zu wollen, basiert das GEG in wesentlichen Teilen auf europäischen Vorgaben, die Deutschland verpflichten, bestimmte Klimaziele zu erreichen. Eine vollständige Abschaffung des Gesetzes wäre daher unwahrscheinlich und könnte gegen EU-Richtlinien verstoßen.
Es ist jedoch möglich, dass nach den Neuwahlen Anpassungen oder Reformen des GEG vorgenommen werden. So hat beispielsweise die SPD signalisiert, das Gesetz einfacher und handhabbarer gestalten zu wollen. Auch die FDP setzt sich für eine Überarbeitung ein, um bürokratische Hürden abzubauen. Insgesamt ist eher mit Modifikationen als mit einer vollständigen Rücknahme des Gesetzes zu rechnen, um sowohl den europäischen Verpflichtungen nachzukommen als auch den nationalen Gegebenheiten gerecht zu werden.
Wie wahrscheinlich das ist, zeigt sich an der aktuellen Sonntagsfrage zur Bundestagswahl:
- CDU/CSU: 30 %
- SPD: 15 %
- Grüne: 14 %
- FDP: 4 %
- Linke: 4 %
- AfD: 20 %
- BSW: 5 %
- Sonstige: 8 %
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz; Deutscher Bundestag; Europäische Kommission; Die Bundesregierung; Wahlrecht.de
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