Der Zerfall der Ampelkoalition am vergangenen Mittwoch hat einen tiefen Riss in die politische Landschaft Deutschlands gerissen. Ursprünglich war das Bündnis aus Sozialdemokraten (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und Freien Demokraten (FDP) mit dem Ziel gegründet worden, eine zukunftsorientierte Klimapolitik voranzutreiben. Doch gravierende Differenzen in der Energie- und Wirtschaftspolitik sowie daraus resultierende Vertrauenskrisen führten schließlich zum Bruch der Zusammenarbeit. Neben der Handlungsfähigkeit der Bundesregierung könnten auch Vorhaben wie das Heizungsgesetz (Gebäudeenergiegesetz, GEG) durch die aktuellen Turbulenzen beeinträchtigt werden.
Das Heizungsgesetz nach dem Koalitionsbruch
Die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) vorangetriebene GEG-Novelle schreibt vor, dass seit Anfang 2024 neu installierte Heizsysteme zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Es ist Teil des deutschen Klimaplans und zielt darauf ab, die Abhängigkeit der Haushalte von fossilen Brennstoffen – insbesondere Erdgas – zu verringern. Da rund die Hälfte aller deutschen Haushalte mit Gas heizt, ist das Heizungsgesetz eine entscheidende Maßnahme auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045.
Das Scheitern der Ampelkoalition könnte jedoch verschiedene Konsequenzen für das GEG sowie dessen Umsetzung mit sich bringen. Zum einen schafft der Bruch ein politisches Vakuum bei der Führung von Klimagesetzen, das Anpassungen oder Erweiterungen des Gesetzes ins Stocken bringen könnte. Sollte sich in Folge der potenziellen Neuwahlen im März eine Koalition mit anderen politischen Prioritäten bilden, könnte diese versuchen, die Anforderungen des GEG zu lockern oder sogar abzumildern.
Auch die zur Umsetzung des Heizungsgesetzes notwendige Finanzierung könnte die Auflösung der Koalition infrage stellen. Ursprünglich plante die Regierung, Haushalte mit Subventionen und zinsgünstigen Krediten bei der Umstellung auf erneuerbare Heizsysteme zu unterstützen. Für Nutzende, die auf finanzielle Hilfen angewiesen sind, bedeutet dies eine Unsicherheit – vor allem, wenn sich die Budgetprioritäten der neuen Regierung verschieben.
Die FDP setzte sich stets für einen technologieoffenen Ansatz ein. Sie befürwortet dabei sogenannte „H2 Ready“-Heizsysteme, die sowohl mit Erdgas als auch mit Wasserstoff betrieben werden können, und möchtet bestehende Gasinfrastrukturen erhalten. Sollten die Freien Demokraten nach dem Koalitionswechsel mehr Einfluss auf die Energiepolitik erhalten, könnten sie versuchen, das GEG dahingehend zu ändern, dass eine breitere Palette an Heiztechnologien zulässig ist – und damit die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien verlangsamen.
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„Gesetze sachfremd blockiert“
Zu oft seien die nötigen Kompromisse durch öffentlich inszenierten Streit und laute ideologische Forderungen übertönt worden, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend. „Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen. Sogar die Einigung auf den Haushalt hat er einseitig wieder aufgekündigt, nachdem wir uns nach langen Verhandlungen darauf einstimmig verständigt hatten.“
„Sachfremd blockiert“ hatte der FDP-Politiker etwa im Fall des Klimageldes, das ursprünglich Bürgerinnen und Bürger durch Einnahmen aus dem CO2-Preis entlasten sollte. Lindner verzögerte dieses Vorhaben und stellte in Aussicht, dass eine Entscheidung erst in der nächsten Legislaturperiode getroffen werden könne – ein Schritt, der nicht nur die SPD, sondern auch die Grünen verärgerte, da das Klimageld als elementarer Baustein der sozialen Klimapolitik galt.
Ein weiteres Beispiel war die Blockade des EU-Lieferkettengesetzes, das Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichten sollte. Gemeinsam mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) führte Lindner dazu, dass sich Deutschland im EU-Rat enthielt und das Gesetzesvorhaben ausgebremst wurde. Das sind keine Einzelfälle, sondern Symptom jener parteipolitischer Taktiererei, die Scholz in seiner Rede kritisierte.
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„Genau vorbereitetes Statement“
„Wir haben Vorschläge für eine Wirtschaftswende vorgelegt, um unser Land wieder auf Erfolgskurs zu bringen“, erwiderte Christian Lindner den klaren Worten des Bundeskanzlers. „Weniger Bürokratie, geringere Steuerlast, eine pragmatische Klima- und Energiepolitik, mehr Kontrolle bei der Migration, zugleich Stärkung von Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Innovationsfreude.“ Scholz habe zudem lange die wirtschaftlichen Sorgen der Bevölkerung verharmlost.
Zudem machte der FDP-Bundesvorsitzende dem Kanzler dessen Vorbereitung zum Vorwurf: “ Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging, sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition. Damit führt er Deutschland in eine Phase der Unsicherheit.“
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Deutschlands Weg nach vorne bei der Heizungsreform
Während Deutschland nach einer neuen Regierungsstruktur sucht, bleibt die Zukunft des GEG und der geplante Wandel im Bereich Heizsysteme ungewiss. Politische Verhandlungen könnten zu einer Lockerung der Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Heizsysteme führen, Änderungen bei den Fördermitteln bewirken oder eine stärker marktorientierte Herangehensweise fördern.
Für den Moment bleibt der ambitionierte Energiewandel anfällig für das wechselhafte politische Umfeld, während verschiedene Interessensgruppen über die Umsetzbarkeit, Finanzierung und den Zeitrahmen der Klimamaßnahmen wie des Heizungsgesetzes diskutieren.
Auch für Verbraucherinnen und Verbraucher gehen mit diesem Umbruch Unsicherheiten einher. Unklar könnte sein, ob sie etwa ein angestoßenes Projekt zum Austausch ihrer Gasheizung bis zum Abschluss durchfinanziert bekommen. Umso wichtiger erscheint es, dass auch künftige Koalitionen an der Umsetzung der Klimaziele von Ampel und EU festhalten.
Quelle: Die Bundesregierung; Freie Demokraten; eigene Recherche
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