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Heizungsgesetz: Wer das tut, „läuft in die Kostenfalle“ – Experte im Interview

Das Gebäudeenergiegesetz steht vor einer Reform. Wärmepumpen-Experte Dr. Jan Ossenbrink erklärt die Folgen für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Vamo-CEO Jan Ossenbrink
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Heizung nachts abschalten: Ist das wirklich sinnvoll?

Um Energie zu sparen, planen viele im Winter weniger zu heizen. Aber ist es auch sinnvoll, die Heizung nachts komplett abzuschalten? Wir klären auf!

Kaum ein Thema wurde in den vergangenen Monaten so hitzig diskutiert wie das Gebäudeenergiegesetz (GEG) – insbesondere der darin verankerte § 72, vielen als „Heizungsgesetz“ bekannt. Zwischen Technologieoffenheit, Investitionsunsicherheit und wachsender gesellschaftlicher Polarisierung gerät dabei oft aus dem Blick, worum es eigentlich geht: eine nachhaltige, bezahlbare und zukunftsfähige Wärmeversorgung für alle. Während die Ampelregierung noch nach dem richtigen Regulierungsrahmen sucht, formiert sich längst eine neue Generation von Unternehmerinnen und Unternehmern, die nicht auf politische Klarheit wartet – sondern sie mitgestalten will.

Heizungsgesetz im 360-Grad-Blick

Dr. Jan Ossenbrink, Mitgründer und CEO des Wärmepumpen-Startups Vamo, ist Teil ebendieser Generation. Der promovierte Energieforscher, der Stationen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, bei McKinsey und im Venture-Capital-Bereich durchlief, gründete Vamo 2022 unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs. Für ihn war klar: Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung duldet keinen Aufschub mehr. Sein Ziel ist es, Wärmepumpen massentauglich zu machen – nicht nur durch bessere Hardware, sondern durch ihre intelligente Integration ins Stromsystem. Denn nur so lasse sich die Energiewende in den Heizungskellern wirklich beschleunigen.

Der Unternehmer bringt dabei eine ganzheitliche Sicht mit – wissenschaftlich fundiert, wirtschaftlich geschärft und politisch klar positioniert. In seinen Aussagen spart er nicht mit Kritik an der Bundesregierung: Die politische Kommunikation zur Wärmewende sei „anhaltend katastrophal“ und verhindere langfristige Planungssicherheit. Gleichzeitig fordert er ein Umdenken im Markt: Weg von kurzfristigen Förderanreizen, hin zu strukturellen Lösungen und einem strategischen Mindset. Vamo setze dabei auf Geschwindigkeit, Systemdenken und kompromisslose Kundenzentrierung. Er sei kein Opportunist auf der Suche nach kurzfristigen Förderungen, sondern „Überzeugungstäter“, sagt Dr. Ossenbrink – und meint das ganz wörtlich.

Vamo-CEO Jan Ossenbrink
Dr. Jan Ossenbrink © Vamo

„Die Technologieoffenheit ist im Gesetz bereits vorhanden“

Union und SPD planen mitunter eine tiefgreifende Reform des Gebäudeenergiegesetzes, speziell des als Heizungsgesetz bekannten Paragraphen 72. Was ist Ihr erster Eindruck dazu?

Dr. Jan Ossenbrink: Eine Reform ist dringend notwendig und wir unterstützen das, aber anders als weitläufig diskutiert. Die Technologieoffenheit ist im Gesetz bereits vorhanden. Wir brauchen jetzt einfachere Förderrichtlinien und ein Entwirren des Gesetzestextes. Dieser sollte verständlicher und kürzer werden. Das aktuelle Gesetz ist eine Reform aus den Merkeljahren und wurde im Sommer 2023 von den drei Ampelparteien vor dem Hintergrund einer breiten gesellschaftlichen Debatte hastig beschlossen. Das merkt man dem Gesetz an.

Insbesondere die Förderrichtlinien und die Abwicklung der Förderung sollten vereinfacht werden. Die im Koalitionsvertrag beschlossene Streichung des Gesetzes ist nicht nötig und wäre auch nicht mit EU-Recht vereinbar.

Inwieweit wären solche Änderungen Ihrer Meinung nach ein Rückschritt für die Wärmewende – oder ist eine Neuausrichtung sogar sinnvoll?

Dr. Ossenbrink: Es ist nicht klar, welche Änderungen genau kommen sollen, da die geforderte Technologieoffenheit bereits jetzt im Gesetz enthalten ist. Mehr Technologien zur Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz, als die im aktuellen Gesetz genannten, existieren nicht.

„Die kommunale Wärmeplanung bremst Investitionsentscheidungen aus“

Wie beurteilen Sie die Rolle der kommunalen Wärmeplanung im Gesamtbild?

Dr. Ossenbrink: Die kommunale Wärmeplanung bremst Investitionsentscheidungen aus, das ist ein Fehler im System. Die Verbraucher warten z.T. lange auf die kommunale Wärmeplanung und sind verunsichert. Es wird in den meisten Fällen keine kommunalen Wärmenetze geben, weil sich diese außer in verdichteten Innenstadtbereichen nicht lohnen. Das sind Ergebnisse von Studien von Universitäten im Auftrag regionaler Stadtwerke.

Bei uns in Köln entsteht eine Großwärmepumpe am Rhein, mit der 50.000 Haushalte über ein Nahwärmenetz versorgt werden. Die Effizienz dieses Projekts ist mit einer Jahresarbeitszahl von 3,0 nicht besonders beeindruckend und die Kosten sind nur durch hohe Subventionen zu stemmen. Für die meisten Haushalte lohnt sich unabhängig von der kommunalen Wärmeplanung die Nachrüstung einer Wärmepumpe.

Was bedeuten die aktuellen Diskussionen und Unsicherheiten für Unternehmen wie Vamo?

Dr. Ossenbrink: Wir machen das Beste daraus, aber sind dem Rahmen ausgeliefert. Wir arbeiten an der Verringerung der Investitions- und Betriebskosten und machen die Wärmepumpe so zur „Winning Technology“. Für unsere Kunden bedeutet das: Wir machen die Wärmepumpe so günstig wie möglich und den Wechsel so einfach wie es geht.

Spüren Sie eine Investitionszurückhaltung bei verpartnerten Unternehmen oder Kund*innen angesichts der politischen Lage?

Dr. Ossenbrink: Der Branche geht es insgesamt nicht besonders gut, da die Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Politik verunsichert wurden. Unsere Zulieferer haben bereits vor Jahren in Erwartung eines stärkeren Hochlaufs investiert und spüren jetzt die geringere Nachfrage.

Welche politischen Maßnahmen wären aus unternehmerischer Sicht notwendig, um Marktstabilität und Planungssicherheit zu fördern?

Dr. Ossenbrink: Wir brauchen ein klares Zielbekenntnis: Was wollen wir als Land tun und wo möchten wir hin?

Es sollte Technologieoffenheit, ohne Technologienaivität geben: 70% der zukünftig verbauten Heizungen werden Wärmepumpen sein, einfach weil sie die überlegene Technologie ist. Das zeigt auch der Blick ins Ausland, wo wir entsprechende Zahlen sehen.

Außerdem braucht es eine Umstellung des Förderregimes von Investitionskostenzuschuss auf eine Finanzierungslösung mit klar prognostizierter Timeline, was die Absenkung der Förderhöhe angeht. Diese sollte linear anstatt stufenweise abgesenkt werden – z.B. linear innerhalb von 5 Jahren auf null Förderung. Das schafft Planungssicherheit und vermeidet Mitnahmeeffekte und Nachfrageschocks.

„Wer jetzt noch eine fossile Heizung einbaut, läuft in die Kostenfalle“

Was bedeuten die derzeitigen Entwicklungen für private Haushalte – sowohl für Eigentümer*innen als auch für Mietende?

Dr. Ossenbrink: Heizen mit fossilen Brennstoffen wird durch steigende CO -Preise absehbar deutlich teurer. Wer jetzt noch eine fossile Heizung einbaut, läuft in die Kostenfalle. Das macht verglichen mit den Betriebskosten einer Wärmepumpe bis zu 20.000€ Mehrkosten auf die Lebensdauer einer Heizung aus. Außerdem müssen jetzt neu eingebaute fossile Heizungen vermutlich in spätestens 20 Jahren stillgelegt werden, wenn Deutschland das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreichen will.

Viele Verbraucher*innen fühlen sich durch sich ändernde Regelungen verunsichert. Was raten Sie ihnen?

Dr. Ossenbrink: Nehmen Sie die derzeit geltende Förderung für Wärmepumpen mit. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Konditionen noch besser werden.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht eine bessere Kommunikation der Wärmewende – und wer müsste sie leisten?

Dr. Ossenbrink: Kommunikation ist entscheidend. Wir sehen das als klaren Auftrag für uns in der Branche. Wir haben das Ziel, die Wärmepumpe als Statussymbol zu platzieren und möchten die wirtschaftlichen und technischen Vorteile besser herausstellen.

Wärmepumpen gelten als Schlüsseltechnologie der Wärmewende. Wo sehen Sie aktuell die größten Innovationspotenziale?

Dr. Ossenbrink: Wir beschleunigen die Planung, Beratung und Installation und vergünstigen das Gesamtpaket. Dadurch, dass wir innerhalb von 2-3 Tagen eine schlüsselfertige Anlage verbauen, reduzieren wir die Einstiegsbarrieren für unsere Kunden und machen Wärmepumpen zur besten Option.

„Wer CO sparen will, muss in den Keller und nicht auf das Dach“

Was unterscheidet Vamo in seiner strategischen Ausrichtung von anderen Marktteilnehmern?

Dr. Ossenbrink: Wir sind der einzige Anbieter mit vollem Fokus auf Wärmepumpen und haben in dem Bereich mehr Expertise als alle anderen Player im Markt. Die Heizung ist das teuerste Energy Asset im Haus und der größte Energieverbraucher, dadurch gibt es hier das größte Ersparnispotenzial. Rund 85 % der Emissionen in privaten Haushalten entfallen auf Heizen und Warmwasser, daher gilt: wer CO sparen will, muss in den Keller und nicht auf das Dach. Indem wir die Anlagen unserer Kunden vernetzen, ferngesteuert überwachen und optimieren, sorgen wir für einen besonders effizienten Betrieb und eine lange Lebensdauer.

Welche Rolle spielt der Strommarkt bzw. die Energiepreisgestaltung für die Akzeptanz und Verbreitung von Wärmepumpen?

Dr. Ossenbrink: Der Energiepreis spielt eine Schlüsselrolle – Gas & Öl sind die Vergleichswerte, gegen die die Kundinnen und Kunden rechnen und werden zukünftig immer teurer.

Strom hingegen muss günstiger werden, dann braucht es auch keine Förderung mehr. Mehr als die Hälfte des Strompreises sind Steuern und Abgaben. Würde Strom 15ct pro kWh kosten und Gas 10ct pro kWh (mit steigender Tendenz) wären Wärmepumpen und E-Autos echte „no Brainer“.

„Wir sollten weniger ideologisch aufgeladen diskutieren“

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik frei hätten – was wäre Ihre zentrale Forderung für eine gelingende Wärmewende?

Dr. Ossenbrink: Wir sollten weniger ideologisch aufgeladen diskutieren. Es scheint, als ob am Parteibuch die Technologien haften. Der Blick ins Ausland zeigt, was schon lange funktioniert. Wir müssen die Wärmewende als das verstehen, was sie ist: ein Projekt über 20 Jahre. Dafür braucht es eine langfristige Steuerung statt an Legislaturperioden gekoppelte hektische Kurswechsel. Eine Förderung, die planbar und linear über fünf Jahre auf null sinkt, wäre ein Anfang.

Kurzum: Die Leute weniger mit Ideologien aufheizen, sondern eher Häuser und Wohnungen mit einer Wärmepumpe.

Wie sieht Ihre Vision der klimafreundlichen Wärmeversorgung Deutschlands im Jahr 2035 aus?

Dr. Ossenbrink: Würden wir mit dem Tempo des Jahres 2023 (1.2 Mio. neu verbaute Heizungen) Wärmepumpen verbauen, dann wäre die Wärmewende in 10-15 Jahren geschafft, let’s go.

Auch interessant: Heizungsgesetz im Koalitionsvertrag: Das bleibt von den alten Regeln übrig

Die Zukunft des Heizungsgesetzes

​Die jüngste Novelle des Gebäudeenergiegesetzes trat am 1. Januar 2024 in Kraft. Sie schreibt vor, dass neu installierte Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen, wobei für Bestandsgebäude und Neubauten außerhalb von Neubaugebieten Übergangsfristen gelten.

Im April 2025 einigten sich CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag darauf, das bestehende Heizungsgesetz abzuschaffen und durch ein neues, technologieoffeneres und flexibleres Gesetz zu ersetzen. Dieses neue Gesetz soll den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen weiterhin fördern, jedoch mit weniger strikten Vorgaben und mehr Wahlmöglichkeiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Die geplanten Änderungen haben unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Während einige die Flexibilisierung begrüßen, warnen mehrere Umwelt- sowie Industrieverbände vor möglichen Rückschritten und fordern klare Vorgaben für den Einsatz erneuerbarer Energien im Heizungsbereich.

Quelle: Interview

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