Im TV-Duell zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ging es neben Migration vor allem um Gehalt, Einkommen, Steuergerechtigkeit und sozialpolitische Maßnahmen. Besonders hitzig diskutierten die Kanzlerkandidaten über Steuererhöhungen, die CO₂-Bepreisung, den Mindestlohn sowie das Bürgergeld.
Im TV-Duell: Scholz kritisiert „Reiche-Leute-Ideologie“
Olaf Scholz sprach sich klar für eine höhere Besteuerung von Spitzenverdienenden aus. „Ich möchte, dass der Reichensteuersatz, also der Spitzensteuersatz, um zwei Prozentpunkte ansteigt, aber viel später erhoben wird als heute“, erklärte Scholz. Damit wolle er erreichen, dass etwa „auch eine Familie, die sehr, sehr hohe Einkommen hat, entlastet wird bis in die breite Mittelschicht weit über 100.000 Euro hinaus“.
Er betonte im TV-Duell, es sei gerecht sei, wenn „Leute wie ich und Sie mehr Steuern zahlen sollten und die Leute, die noch mehr verdienen als ich und Sie, die sollen auch gerne mehr Steuern zahlen“. Dabei stellte er infrage, ob höhere Steuern tatsächlich zu einer Abwanderung von Unternehmen und Top-Verdienenden aus Deutschland führen würden, wie Merz es darstellte.
Scholz nannte diese Argumentation eine „Reiche-Leute-Ideologie“, die die tatsächliche Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft unterschätze.
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Merz: „Wir können es uns nicht leisten“
Friedrich Merz hingegen warnte eindringlich vor den wirtschaftlichen Folgen einer Steuererhöhung. „Wenn Sie die jetzt höher belasten mit Einkommensteuer, dann kann ich Ihnen nur sagen: gute Reise, dann wird die Insolvenzwelle in Deutschland noch einmal nach oben gehen“, argumentierte er. Der CDU-Vorsitzende betonte im TV-Duell zudem, dass die Einkommensteuer nicht nur von „Reichen“, sondern auch von Einzelkaufleuten, dem Mittelstand und Personengesellschaften gezahlt werde.
„Wir können es uns nicht leisten, diese Unternehmen aus Deutschland zu vertreiben“, so Merz weiter. Aus seiner Sicht sei es wichtiger, die steuerliche Belastung für Unternehmen zu senken, um Investitionen anzukurbeln und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.
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Streitpunkt Bürgergeld
Das Thema Bürgergeld entwickelte sich zu einem der emotionalsten Streitpunkte des Abends. Während Scholz die Einführung des Bürgergeldes als notwendigen Schritt zur sozialen Absicherung verteidigte, sah Friedrich Merz darin eine Fehlentwicklung, die Anreize zur Arbeitsaufnahme untergrabe.
Friedrich Merz sparte nicht mit scharfer Kritik. „War das Bürgergeld ein Fehler? Ja, schon der Titel war ein Fehler“, erklärte er provokant. Aus seiner Sicht fördere das Bürgergeld Arbeitslosigkeit, anstatt Menschen zurück in den Arbeitsmarkt zu führen. „Wir haben 1,7 Millionen Bürgergeldempfänger, die eigentlich arbeiten könnten“, so Merz weiter.
Merz stellte das Bürgergeld als finanziellen Ballast dar und betonte das Sparpotenzial bei strengeren Regelungen. „Mit 100.000 Bürgergeldempfängern, die zurückkommen in den Arbeitsmarkt, sparen wir mindestens 1,5 Milliarden Euro“, rechnete er vor. Für Merz steht fest: „Das System muss geändert werden. Wir wollen eine neue Grundsicherung, ja, für diejenigen, die sie brauchen, aber bitte, diejenigen, die arbeiten können, müssen in die Arbeit.“
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„Erwerbsfähig“ ist nicht gleich erwerbsfähig
Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezogen im Juli 2024 insgesamt 5.549.000 Menschen Bürgergeld. Davon waren 4.021.000 erwerbsfähig. Von diesen erwerbsfähigen Empfänger*innen waren etwa 1,7 Millionen arbeitslos gemeldet. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht alle dieser Personen sofort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Viele nehmen an Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen teil, haben gesundheitliche Einschränkungen oder übernehmen die Pflege von Angehörigen. Auch Sprachbarrieren, fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten und andere Integrationshindernisse erschweren die Arbeitsaufnahme.
Das Bundesarbeitsministerium schätzte die monatlichen Kosten für 100.000 Bürgergeldempfänger*innen im Jahr 2023 auf etwa 65 Millionen Euro, was jährlichen Einsparungen von rund 780 Millionen Euro entsprechen würde. Andere Berechnungen, die zusätzliche Faktoren wie Steuermehreinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigen, kommen auf höhere Einsparungen. Die von Herrn Merz genannten 1,5 Milliarden Euro liegen am oberen Ende dieser Schätzungen.
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Bedingte Einigkeit
Olaf Scholz verteidigte das Bürgergeld, betonte jedoch ebenfalls die Notwendigkeit von Sanktionen. „Ich bin der Politiker, der in Deutschland am meisten für harte Sanktionen im Bürgergeld steht, weil ich glaube, wer arbeiten kann, soll es auch tun“, erklärte Scholz. Dabei distanzierte er sich von der Vorstellung eines bedingungslosen Grundeinkommens und verwies auf die Bedeutung von klaren Regeln zur Arbeitsaufnahme.
Trotz der Differenzen in der Wortwahl zeigten beide Kandidaten im TV-Duell eine überraschende Einigkeit darin, dass das Bürgergeld nicht als Dauerlösung verstanden werden dürfe. Scholz betonte, dass Sanktionen gegen Arbeitsverweigerung notwendig seien, während Merz die komplette Überarbeitung des Systems forderte.
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Entlastung bei der Mehrwertsteuer
Ein weiteres zentrales Thema war die Mehrwertsteuer, insbesondere in Hinblick auf die Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch steigende Lebenshaltungskosten. Der Bundeskanzler sprach sich für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel aus. „Deshalb müssen Steuerentlastungen immer im unteren Bereich im normalen Mittelschichtseinkommen ansetzen“, sagte Scholz.
Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel solle vor allem Familien und Personen mit geringem Einkommen zugutekommen, die besonders unter der Inflation leiden.
Merz hingegen konzentrierte sich in seiner Steuerpolitik auf die sogenannte „Gastrosteuer“. Er forderte, die Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants wieder auf sieben Prozent zu senken, nachdem sie pandemiebedingt vorübergehend gesenkt und anschließend wieder erhöht worden war. Merz argumentierte, dass diese Maßnahme die Gastronomiebranche entlasten und zur wirtschaftlichen Erholung beitragen würde.
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CO₂-Preis: Belastung oder Notwendigkeit?
Der CO₂-Preis und seine Auswirkungen auf die Haushalte waren ebenfalls ein umstrittenes Thema im TV-Duell. Olaf Scholz verteidigte die Einführung des CO₂-Preises als Teil der deutschen Klimaschutzstrategie. Er betonte jedoch, dass die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger durch das sogenannte „Klimageld“ ausgeglichen werden sollen. „Das Klimageld ist vorbereitet. Es war sehr schwierig, die Gesetze dazu zu machen, aber ich bin dafür, dass es schnellstmöglich ausgezahlt wird“, erklärte Scholz.
Zur Erinnerung: Ursprünglich war geplant, das Klimageld ab 2025 auszuzahlen. Allerdings ist die konkrete Auszahlung des Klimageldes noch ungewiss, da nach dem Bruch der Ampel-Koalition die künftige Bundesregierung darüber entscheiden muss. Es gibt der WirtschaftsWoche zufolge Schätzungen, dass das Klimageld zwischen 130 und 317 Euro pro Person betragen könnte, aber ein fester Betrag wurde noch nicht festgelegt.
Friedrich Merz zeigte sich skeptisch gegenüber der aktuellen Ausgestaltung des CO₂-Preises. Er betonte die finanziellen Belastungen für Haushalte und Unternehmen, die durch die gestiegenen Energiekosten entstehen. Merz forderte eine schnellere und effektivere Rückerstattung der CO₂-Einnahmen an die Bürgerinnen und Bürger und kritisierte die Verzögerung bei der Auszahlung des Klimageldes. Er warnte außerdem davor, dass die CO₂-Bepreisung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährden könnte.
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Mindestlohn: Einig in der Zielsetzung, uneinig im Weg
Der Mindestlohn war ein weiterer zentraler Streitpunkt im TV-Duell. Olaf Scholz sprach sich deutlich für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro aus. „Ich bin stolz darauf, dass die SPD den Mindestlohn überhaupt durchgesetzt hat. Das hat für sechs Millionen Menschen eine Gehaltserhöhung bedeutet. Wer 40 Stunden die Woche arbeitet, sollte von seinem Lohn leben können“, sagte Scholz.
Friedrich Merz hingegen forderte, dass die Mindestlohnerhöhungen weiterhin von der Mindestlohnkommission beschlossen werden sollten, nicht von der Politik. Er warnte davor, dass ein zu schneller Anstieg des Mindestlohns insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen belasten könnte und möglicherweise Arbeitsplätze gefährdet.
Die Mindestlohnkommission muss unabhängig von der Politik agieren, um eine ausgewogene Entscheidung zu treffen, die sowohl die Interessen der Arbeitnehmer*innen als auch die wirtschaftlichen Gegebenheiten berücksichtigt. Wenn die Regierung jedoch konkrete Lohnhöhen vorgibt, könnte dies die Unabhängigkeit der Kommission infrage stellen.
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Klare Fronten in Migration und Wirtschaft
Generell war das TV-Duell von intensiven Diskussionen über zentrale Themen wie Migration, Wirtschaft und die außenpolitische Lage geprägt. Scholz setzte dabei auf eine offensive Strategie, um Rückstände in den Umfragen aufzuholen, während Merz vor allem darauf bedacht war, keine Fehler zu machen, um seinen Vorsprung zu halten.
Ein großes Streitthema war die Migrationspolitik. Scholz warf Merz vor, sein Wort gebrochen zu haben, weil die Union im Bundestag mit den Stimmen der AfD abgestimmt hat. Merz wiederum betonte erneut, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde, verteidigte aber die Abstimmung als notwendig. In Sachen Wirtschaft warf Merz der Ampel-Regierung vor, Deutschland in eine Rezession zu steuern, während Scholz die globalen Krisen und seine Maßnahmen zur Stabilisierung hervorhob.
Quellen: YouTube/tagesschau; Bundesagentur für Arbeit; WirtschaftsWoche
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