Zehn Jahre nach dem ersten iPhone steht Apple so gut wie noch nie da. Die Nachfrage nach den teuersten Smartphones auf dem Markt ist weiterhin ungebrochen. Im dritten Quartal stiegen die Verkäufe wider Erwarten um 1,6 Prozent auf 41 Millionen Geräte. Insgesamt hat Apple seit 2007 insgesamt über 1,2 Milliarden iPhones verkauft. Mit dem iPhone 8 und iPhone 8 Plus soll die Erfolgsgeschichte weitergeschrieben werden. Wir haben die beiden Modelle getestet.
Eine teure Nummer Zwei
Der Schatten, den das im September ebenfalls vorgestellte iPhone X auf die iPhone-8-Modelle wirft, ist allerdings riesig. Es ist Apples neues Referenzgerät, welches dringend notwendige Innovationen bei Design und Funktionen liefern soll.
Neben dem beeindruckenden Chipset ist das iPhone X erstmals mit fast rahmenlosem OLED-Display ohne Home-Button und komplexer Gesichtserkennungstechnologie ausgestattet. Und damit sind wir auch schon beim Hauptproblem des iPhone 8: Es wirkt schon am ersten Verkaufstag uninspiriert und überholt – und das bei einem Preis ab 800 Euro.
Dass das iPhone 8 keinerlei Begeisterungsstürme auslösen wird, nimmt Apple angesichts des iPhone-10-Launches offenbar bewusst in Kauf. Denn in Wahrheit handelt es sich dabei bereits um den vierten Aufguss des 2014 vorgestellten iPhone 6.
Nun zähle ich absolut nicht zu denjenigen, die ein jährlich wechselndes Design als Erfolgskriterium definieren. Gerade Apple hat in der Vergangenheit etwa bei Macbooks bewiesen, dass gut überlegtes Design und präzise Fertigungstechnologien die modische Halbwertzeit eines Modells stark verlängern können.
Kamera nicht plan
Bei der Weiterentwicklung des iPhone 6 wurde der gern kommunizierte Hang zur Perfektion aber sträflich vernachlässigt. So muss man sich bei beiden iPhone-8-Modellen nun jetzt im vierten Jahr in Folge damit herumschlagen, dass die Kamera aus dem Gehäuse hervorsteht und das Gerät nur wackelnd auf den Tisch gelegt werden kann. Andere Hersteller haben dies mittlerweile längst gelöst.
Das unveränderte Design bedeutet auch, dass Apple beim Display-Rahmen nicht nachgebessert hat. Das iPhone 8 Plus bleibt deshalb mit seinen 15,8 mal 7,8 Zentimetern Gehäusegröße ein Ungetüm, das vielen im Alltag zu unhandlich sein wird. Wie andere Hersteller und Apple beim iPhone X beweisen, ist längst mehr Display bei kleinerem Gehäuse möglich.
Doppel-Kamera nur in der Plus-Version
Dazu kommt, dass Apple erneut an dem Konzept festhält, die Doppelkamera mit Weitwinkel- und Teleobjektiv ausschließlich im iPhone 8 Plus zu verbauen. Dass man sich bei der iPhone-8-Serie erneut zwischen unhandlicher Größe und bester Ausstattung entscheiden muss, ist mehr als ärgerlich.
Denn die verbaute Doppel-Kamera im iPhone 8 Plus zählt nicht nur zu den besten im Smartphone-Universum, sie schlägt durch die Doppellinse naturgemäß auch die Kamerafunktionen im iPhone 8. Zumindest bei den Video- und Bildstabilisierungselementen sowie der Zeitlupenfunktion in 1080p Auflösung mit 120 fps oder 240fps sind die Modelle ebenbürtig.
iPhone 8 Kamera überzeugt
Die Kamera ist und bleibt Apples größter Trumpf. Die Verbesserungen zum iPhone 7 fallen nicht so dramatisch aus, wie bei Vorgänger-Upgrades. Die verbesserten Software-Algorithmen und der neue Grafik-Chip sorgen dafür, dass Bilder eine Spur natürlicher und rauschfreier gelingen, vor allem bei schwierigen Lichtverhältnissen.
Der Stabilisator bei Videoaufnahmen ist beeindruckend, ebenso die Ultra-Zeitlupen-Funktion. 4K-Videos sind nun auch mit höheren Bildraten möglich. Lediglich bei klassischen Nachtaufnahmen tut sich das iPhone immer noch schwer.
Wenig zu bemängeln gibt es auch an dem beim iPhone 7 Plus eingeführten Porträtmodus. Durch die beiden verbauten Linsen kann man weiterhin einen Unschärfe-Effekt im Hintergrund erzeugen, um Objekte, aber vor allem Gesichter in den Fokus zu stellen.
Beim iPhone 8 Plus hat Apple mit der Funktion „Porträtlicht“ diverse Beleuchtungsszenarien implementiert, die man beim Fotografieren, aber auch in der Nachbearbeitung auswählen kann. Die Funktion befindet sich noch im Beta-Stadium. Bei einigen Szenarien, wie dem automatischen Freistellen von Köpfen in einem Schwarz-weiß-Setting gibt es noch Nachholbedarf. Eine nette Spielerei ist es aber allemal.
Rückseite aus Glas
Für Diskussionen hat auch die Ankündigung gesorgt, dass das iPhone 8 auf der Gehäuserückseite wieder mit Glas ausgestattet ist. Das jetzt verwendete Glas hat mit dem des iPhone 4 und iPhone 4s allerdings wenig zu tun.
Es fühlt sich eher wie ein hochwertiger und sehr robuster Kunststoff an. Im Vergleich zum bei den Vorgängermodellen verwendeten Aluminium profitieren die neuen iPhones mit deutlicher Rutschfestigkeit. Im Vergleich etwa zum Samsung Note 8 wirkt das iPhone 8 eine Spur hochwertiger.
Überrascht hat mich beim Testen allerdings, dass das Gehäuse selbst bei wenig Auslastung relativ warm werden kann. Teilweise erwärmte sich die Rückseite bereits, wenn nur eine Streaming-App wie Spotify im Hintergrund lief. Ob das an dem neuen Glas-Gehäuse liegt, sich der neue A11-Bionic-Chip bemerkbar macht oder Apple noch iOS 11 optimieren muss, ließ sich in dem kurzen Test nicht zweifelsfrei klären.
Display mit 3D-Touch
Beim Display setzt Apple nun auf True Tone, die Farbe passt sich laut Umgebungssensor an und soll angenehmer wirken. Im Test äußerte sich das in einer minimal gelblichen Einfärbung. Wer kühlere Farben bevorzugt, kann die Funktion aber deaktivieren. An der Display-Qualität und Farbdarstellung gibt es wenig auszusetzen.
Wie gehabt, spiegelt es bei hellen Lichtverhältnissen im Freien stark und auch die Leuchtstärke könnte für die Benutzung bei Sonneneinstrahlung noch besser sein. Ansonsten funktioniert alles wie gehabt. 3D-Touch, quasi die rechte Maustaste für iPhone-Nutzer, um Zusatzfunktionen schnell aufzurufen, erweist sich auch unter iOS 11 als praktisch.
Kabelloses Laden
Die Kopfhörer-Buchse bleibt eingespart, Apple legt dafür einen Lightning-Adapter sowie die Apple-eigenen Kopfhörer mit Lightning-Anschluss bei. Apple-eigenes Zubehör, um das Smartphone drahtlos aufzuladen, gibt es noch nicht. Das Laden mit kabellosen Pads, die den Qi-Standard verwenden, funktioniert, wenn auch deutlich langsamer als über USB-Kabel. Es bleibt abzuwarten, ob Apples Einstieg in die Technologie hier bessere Lösungen hervorbringen wird.
Auch die allgemeine Akkuleistung – Apple hat ja einen geringfügig kleineren Akku verbaut – war wenig auffallend – weder im besonders Positiven noch Negativen. Sie bewegt sich im Bereich des Vorgängers, sollte also keinen Grund zur Beunruhigung geben. Auf die Akku-Revolution wird man aber weiter warten müssen.
Vom aufgerüsteten Prozessor (bis zu 70 Prozent schneller) und dem neuen Grafikchip bekommt man im Alltag bisher nichts mit. Das könnte sich aber ändern, wenn Entwickler mit neuen Augmented-Reality-Apps in den Markt drängen. Spätestens dann könnte aber auch die Akkuleistung wieder Thema werden.
Fazit: zu teuer
Was unterm Strich als Eindruck von den iPhone-8-Modellen bei mir übrig bleibt, ist: Alles schon mehrfach gehabt. Solide, aber uninspiriert. Jegliche Kritik mit dem Hinweis auf das kommende iPhone X wegzuwischen, lasse ich nicht gelten.
Apple vermarktet das iPhone 8 und iPhone 8 Plus als Premium-Modelle und verlangt mit 799 bzw. 909 Euro für das Einstiegsmodell sogar mehr als vor einem Jahr für das iPhone 7 und iPhone 7 Plus. Dass der Speicher auf 64 Gigabyte verdoppelt wurde, ist ein äußerst schwacher Trost.
Dazu kommt, dass das iPhone X erheblich teurer und darüber hinaus wochenlang schwer verfügbar sein wird. Die iPhone-8-Geräte müssen sich also vergleichbarer Android-Konkurrenz und vor allem den iPhone-Vorgängermodellen stellen. Es bestreitet niemand, dass iPhones tolle Smartphones mit hervorragenden Kameras und guter Software sind. In der Evolution vom iPhone 6 zum iPhone 8 sind die aktuellen Modelle für das dafür verlangte Geld aber einfach zu wenig innovativ und für Apples selbst propagierten hohen Anspruch nicht gut genug.
Was hätte Steve gemacht?
Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob Steve Jobs drei Jahre lang akzeptiert hätte, dass die Kamera aus dem Gehäuse hervorsteht und das am besten ausgestattete iPhone Plus ein unhandliches Riesengerät ist. Und wie sinnvoll es aus Kundensicht ist, neben einem iPhone X auch die Version 8, 7, 6s in zwei Displaygrößen sowie das iPhone SE im Portfolio zu führen.
Der Erfolg gibt seinem Nachfolger Tim Cook zumindest bis jetzt Recht. Auch die iPhone-7-Modelle galten als wenig inspirierende Lückenfüller, sie verkauften sich dennoch hervorragend. Die Frage bleibt, ob Apple mit dem iPhone 8 erneut damit durchkommt und das iPhone X dem Konzern seinen Ruf als begeisterungsfähige Marke rettet.
Der goldene Käfig
Zugute kommt Apple sicherlich die riesige Anzahl von Usern, die über die Jahre herangewachsen und durch App-, Zubehör- und Gerätekäufe fest im Apple-Ökosystem verankert ist. Wer ein älteres iPhone wie ein iPhone 6 besitzt oder überhaupt noch mit der 5er-Serie unterwegs ist, wird folglich auch mit dem iPhone 8 viel Freude haben.
Nutzer des iPhone 7 können sich ihr Geld sparen. Auch diejenigen mit einem iPhone 6s sollten es sich gut überlegen, ob die verbesserte Kamera und größere Speicherkapazitäten das Geld wert sind. Für den Geld kein Thema ist, soll gleich auf das iPhone X umsteigen. Sollte Apple das iPhone 7 im Portfolio behalten, ist auch das eine Upgrade-Option, mit der man ein wenig Geld sparen kann.
Dieser Test erschien zuerst bei futurezone.at
Disclaimer: Das iPhone 8 und iPhone 8 Pro wurden uns als Leihgabe für einen begrenzten Zeitraum von A1 und T-Mobile zur Verfügung gestellt.