Der österreichische Diplom-Ingenieur Fritz Indra wird in der Automobilbranche als eine herausragende Persönlichkeit angesehen. Beim deutschen Automobilhersteller Opel war er maßgeblich an der Entwicklung neuer Ottomotoren beteiligt. Heute, im Alter von 83 Jahren, ist er als Dozent an der Technischen Universität Wien aktiv. Indra hat sich zudem öffentlich kritisch zu Elektroautos geäußert.
Elektroautos nur ein „Betrug“?
Glaubt man dem studierten Maschinenbauer, handelt es sich bei den Plänen der Politik im Kontext der Verkehrswende um eine Entscheidung „gegen jede Vernunft“. In einem Beitrag für das liberal-konservative Meinungsmagazin Tichys Einblick erklärte Indra bereits im April 2023, warum Elektrofahrzeuge in seinen Augen die falsche Wahl sind. Aus seiner Sicht sollte der Fokus viel eher auf E-Fuels liegen, die vor allem in jüngster Vergangenheit zunehmende Bekanntheit erlangten.
Betrug Nr. 1
„Der Betrug Nr.1. beginnt bei der Herstellung der Batterien für das BEV“, so Indra. „Der CO2-Rucksack aus der Batterieherstellung ist riesig.“ Er bemängelt, dass ein Großteil der Batteriezellen in China und unter Verwendung von Kohlestrom gefertigt würde. „Dem globalen Klima ist es völlig egal, wo ihm eingeheizt wird, ob in Europa oder in China.“
Das ist per se erstmal richtig. Doch ignoriert der promovierte technische Wissenschaftler, dass in der Ökobilanz eines Fahrzeugs nicht nur die Produktion eine Rolle spielt. Gerechnet auf ihre Lebensdauer weisen Elektroautos weit geringere CO2-Emissionen auf als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Aus einer Studie des Fraunhofer ISI geht beispielsweise hervor, dass batteriebetriebene Fahrzeuge (BEVs) gegenüber einem Oberklassewagen Diesel im Schnitt 28 Prozent weniger Energie verbrauchen. Gegenüber einem Kleinwagen-Benziner seien es rund 42 Prozent.
Das Fraunhofer ISI geht beim Elektroauto von einer Lebensdauer von 13 Jahren aus. Gebe man der Batterie anschließend ein zweites Leben, etwa als stationärer Speicher, lasse sich eine Einsparung von weiteren zehn Prozent erreichen.
Herunterbrechen müsste man die Laufzeit der Stromer daher auf deren Laufzeit. Immerhin sind gerade die umfangreichen Batteriepakete der BEVs besonders anfällig für Schäden. Schon kleine Kratzer können Elektroautos unbrauchbar machen. Was es braucht, sind daher widerstandsfähigere Akkumulatoren, Möglichkeiten zum Recyceln sowie eine Art Mindesthaltbarkeit – etwa nach der neuen Abgasnorm Euro 7.
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Betrug Nr. 2
„Betrug Nr. 2 ist die Stromversorgung der BEV-Batterien“, so Fritz Indra. „Werden diese Batterien dann in ein europäisches Auto eingebaut, sagt die Regierung, dies sei eine saubere Stromversorgung für den oder die Antriebsmotoren.“ Den dazu vorgesehenen grünen Strom gebe es gar nicht, denn er verschwinde schon ohne Elektrofahrzeuge in Haushalten und Industrie.
Abseits der durch das Fraunhofer ISI unter Berücksichtigung des deutschen Strommix dargelegten Tatsachen ignoriert Indra auch an dieser Stelle weitere wichtige Faktoren. Schon im Frühjahr 2022 beschlossen die Klima-, Energie- und Umweltministerinnen und -minister der G7-Industrienationen den Ausstieg aus der Stromgewinnung durch Kohle. Ziel war N-TV zufolge die überwiegend CO2-freie Stromversorgung bis 2035.
Nun ist es ein offenes Geheimnis, dass Pläne wie diese nur selten funktionieren wie sie sollen. Doch lässt sich nicht leugnen, dass Politik, Industrie und Wissenschaft seit Jahren an neuen klimaneutralen und vor allem kostengünstigen Methoden der Energiegewinnung arbeiten. Zu ihnen gehören neben Windrädern und Solaranlagen auch hochmoderne, vergleichsweise nachhaltige Kernkraftwerke.
Noch ist das gänzlich klimaneutrale Elektroauto Zukunftsmusik. Nichtsdestotrotz: Im Bilanzvergleich hat es gegenüber dem Verbrenner die Nase vorn.
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Allheilmittel E-Fuels
Wie viele Kritiker der Verkehrswende hält auch Indra am Verbrennungsmotor fest. Vermeintlich CO2-neutrale, synthetische Kraftstoffe sollen Benzin und Diesel ersetzen. Doch würden diese E-Fuels „von der E-Auto-Lobby in Medien und Ministerien jetzt schlecht geredet“. Ihm zufolge solle man die Entscheidung dem Markt überlassen.
„Wenn man E-Fuels an den richtigen Orten der Welt herstellt, wo permanent der Wind weht und die Sonne fast ununterbrochen scheint, schaut die Kostenrechnung ganz anders aus.“
Fritz Indra
Es gibt bereits einige Forschungsanlagen, die sich einzig und allein der Entwicklung und Produktion von E-Fuels widmen. Eine von ihnen steht im chilenischen Patagonien. „Warum? Weil dort eben tatsächlich der Strom aus großen Windkraftanlagen zur Verfügung steht, sodass man ihn für uns klimaneutral erzeugen kann“, erklärt der Wissenschaftsjournalist Harald Lesch.
Allerdings kostet auch die Herstellung dieser synthetischen Treibstoffe immense Mengen an Energie und vor allem Geld. Entwickelt werden E-Fuels vor allem, da sie für Teilbereiche der Mobilität und der Industrie tatsächlich einen Unterschied machen könnten. Lesch erläutert aber auch, warum der Einsatz von E-Fuels für die breite Masse schlicht unrealistisch ist.
E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden, wie zum Beispiel aus Wasser, Kohlenstoffdioxid und Strom. Der Prozess zur Herstellung von E-Fuels wird als Power-to-Liquid (PtL) bezeichnet, da er elektrische Energie in flüssige Kraftstoffe umwandelt.
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Kein Ersatz in Sicht?
„Es ist für die kommenden zehn Jahre weit und breit nichts in Sicht, was die heutige Lithium-Ionen-Technik ablösen könnte“, meint Indra. „Alles was da an Alternativen kommuniziert wird, etwa wie Festkörper-Akku, ist Marketing.“ Die Probleme mit der Technologie liegen auf der Hand: Neben den Emissionen, die sich aus der Produktion ergeben, ist auch der Abbau seltener Rohstoffe wie Lithium und Kobalt mit berechtigter Kritik behaftet.
Tatsächlich arbeiten Industrie und Forschung aber auch hier bereits an Lösungen. Ein Ansatz sind sogenannte Natrium-Ionen-Batterien des chinesischen Unternehmens Contemporary Amperex Technology (CATL). Sie verzichten in Gänze auf diese kritischen Rohstoffe und sind zudem weniger schadensanfällig, was ihre Lebensdauer maßgeblich verbessern könnte. Noch dazu sind die Akkumulatoren in der Herstellung weit kosteneffizienter als ihre Lithium-Vettern.
„Die Zukunft der Elektroautos sieht mit der Einführung einer erschwinglicheren und nachhaltigeren Batterietechnologie vielversprechend aus“, erklärte der CEO von JAC Motors in Südafrika, Karl-Heinz Göbel, Anfang März. „Mit der Entwicklung neuer Batterietechnologien werden die Preise für Elektroautos wettbewerbsfähiger werden, so dass mehr Autokäufer Zugang zu Fahrzeugen mit neuer Energie haben werden.“
Quellen: Tichys Einblick; „Die aktuelle Treibhausgasemissionsbilanz von Elektrofahrzeugen in Deutschland“ (Fraunhofer ISI, 2019); N-TV; JAC Motors; eigene Recherche
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