Feinstaub ist seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema für Politik, Industrie und Wissenschaft. Neben CO2-Emissionen belasten vor allem diese winzigen Partikel das Leben in vielen Großstädten und entlang von Autobahnen, da sie die Atemwege stark beeinträchtigen. Auch die Natur leidet unter den Auswirkungen des Feinstaubs. Doch stammen diese Partikel ausschließlich aus Verbrennungsmotoren? Nicht ganz, denn auch Elektroautos tragen zur Feinstaubbelastung bei.
1.850-mal höhere Feinstaubwerte durch Elektroautos?
Staubteilchen gelangen nicht nur aus dem Auspuff in die Luft. Sie stammen auch aus dem Abrieb von Reifen, Bremsen und allem, was sonst noch für Friktion sorgt. Das macht Stromer zu einer meist unbeachteten Quelle von Partikeln. Denn: E-Fahrzeuge bringen durch ihre Akku-Pakete häufig ein höheres Gewicht mit sich als ihre Pendants mit Verbrennungsmotor. Das wiederum erhöht die Reibung zwischen Reifen, Achsen sowie Bremsen und damit auch den Abrieb. Doch kommt der dadurch erzeugte Feinstaub tatsächlich an jene Werte heran, die der Auspuff eines herkömmlichen Verbrenners ausstößt?
Reifenabrieb wirkt sich nicht nur auf die Luft, sondern auch die Erde und das Grundwasser aus. Mikroplastik und winzige Gummipartikel gelangen auch an die entlegensten Orte der Erde, werden von Tieren aufgenommen und gelangen neben der Luft, die wir atmen, so auch durch unser Essen in den menschlichen Körper. Das Datenanalyse-Unternehmen Emissions Analytics schätzt, dass ebendieser Abrieb bei Elektroautos 1.850-mal höhere Feinstaubwerte verursache als sie durch einen Auspuff entstünden.
Andere Studien, etwa des französischen Reifenherstellers Michelin (Download), gingen bislang von zehn bis 25 Prozent höheren Absonderungen aus – im Vergleich zum Reifenabrieb bei Verbrennern. Wie also kommt der weit verbreitete Wert von Emissions Analytics zustande?
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Studie folgt „nicht den Grundprinzipien der Wissenschaft“
Glaubt man The Industry Project (TIP) handele es sich dabei um eine einfache Fehlinterpretation. „Insgesamt folgte der Ansatz von Emissions Analytics nicht den Grundprinzipien der Wissenschaft und wurde nicht als genaue Methode zur Bewertung der Emissionen von Reifen und Straßenabriebpartikeln (TRWP) validiert“, fasst die Initiative zusammen. „Es gibt keine detaillierte Beschreibung der Methodik. Es gibt keine Bilder dieses Probenahmesystems, keine Identifizierung des Instruments, […], keine Beschreibung des Luftdurchsatzes des Probenahmegeräts und keine Informationen über Techniken, die für das genaue Erfassen oder Erkennen von Partikeln in einem sich bewegenden Luftstrom entscheidend sind.“
Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt eine Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2020. Sie ergab mitunter, dass vor allem leichte Elektroautos – mit Reichweiten um die 150 Kilometer (km) – insgesamt weit weniger Feinstaub emittieren würden als Verbrennungsfahrzeuge. Konkret würden sie zwischen elf und 13 Prozent weniger Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern (PM2.5) und 18 bis 19 Prozent weniger PM10 absondern.
Im Fall schwererer E-Fahrzeuge – mit Reichweiten um die 500 km – geht die Studie von einer Abnahme der PM10-Emissionen von lediglich vier bis sieben Prozent aus. Die PM2.5-Emissionen könnten sich um drei bis acht Prozent erhöhen. „Weitere Simulationen zeigen, dass die Verbreitung von Elektrofahrzeugen in den kommenden Jahren nur zu einem sehr geringen Rückgang der gesamten PM-Emissionen des Straßenverkehrs führen wird“, so das OECD. „In Szenarien, in denen Elektrofahrzeuge 4 % und 8 % des Fahrzeugbestands im Jahr 2030 ausmachen, führt ihre Verbreitung zu einer Verringerung der PM-Emissionen um 0,3 %-0,8 % im Vergleich zu den derzeitigen Werten.“ Einen wichtigen Faktor berücksichtigt aber auch diese Studie nicht.
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Industrie schafft neue Lösungen
Während die meisten Untersuchung bei Art und Gewicht der Fahrzeuge ansetzen, widmet sich die Branche selbst dem Problem von einer anderen Seite: den Reifen. Denn immerhin ist es neben Abgasen eben ihr Verschleiß, der im Wesentlichen zur Feinstaubbelastung beiträgt. Daher arbeiten Hersteller wie Michelin und Continental stetig daran, die chemische Zusammensetzung ihrer Reifen zu verbessern und so den Verschleiß sowie den dadurch entstehenden Feinstaub zu verringern. Auf null werden auch sie ihn nicht reduzieren können – und genau hier ist das britische Tyre Collective zur Stelle.
„Reifenverschleiß war schon immer ein Problem“, zitiert der Guardian Hanson Cheng, den Gründer des britischen Start-ups. „Es ist nur in den Schatten gestellt worden. Man kann nicht wirklich den Titel eines emissionsfreien Fahrzeugs beanspruchen, wenn es all diese Nicht-Abgasemissionen gibt.“ Das Konzept des jungen Unternehmens ist auf den ersten Blick ebenso einfach wie sinnvoll.
Statt neue Reifen zu entwickeln, die auch den schlimmsten Widrigkeiten trotzen, arbeitet The Tyre Collective an einem elektrostatischen Gerät, das den Abrieb auffangen soll. „Ihre zum Patent angemeldete Technologie nutzt Elektrostatik und Luftströmung, um Reifenpartikel anzuziehen“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Sobald diese Partikel eingefangen sind, können sie als mikronisierter Gummi in einer Vielzahl von Anwendungen wiederverwertet werden, wodurch ein geschlossener Kreislauf entsteht.“
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Potenzial für die Zukunft
Daten aus der Industrie – siehe Michelin – und von unabhängigen Stellen wie der OECD legen nahe, dass Elektroautos zumindest kleine Verbesserungen in der Feinstaubbelastung mit sich bringen könnten. Neue Entwicklungen in Industrie und Forschung legen jedoch nahe, dass die Emissionswerte in den kommenden Jahren noch stärker fallen könnten als bisher prognostiziert.
Dazu tragen aber nicht nur Innovationen wie die der Reifenhersteller oder junger Start-ups wie dem Tyre Collective bei. Denn auch die Akkus neuer Elektroautos folgen einem Trend, der sie dem Ziel sinkender Nicht-Abgasemissionen immer näherbringt. Insbesondere sind es fünf Technologien, die die Batterien nicht nur effizienter machen sollen, sondern auch kleiner und leichter. Sie verzichten zudem überwiegend auf kritische Ressourcen wie Lithium oder Kobalt und verbessen damit bereits in der Produktion die CO2- und PM-Emissionen der Stromer.
Quellen: Emissions Analytics; Michelin; Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; The Tyre Collective
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