Wissenschaftler der Universität Stanford haben einem lernenden Computerprogramm über 35.000 Fotos von über 14.700 Mitgliedern einer offenen Dating-Plattform gefüttert und es beaufragt, Gesichtszüge zu analysieren, um daraus die sexuelle Orientierung der jeweiligen Person abzuleiten. Ihre sexuelle Orientierung hatten die Nutzer der Dating-Plattform selbst angegeben. Nachdem das Programm das Datenmaterial durchforstet und daraus gelernt hatte, konnte es die sexuelle Orientierung von Personen tatsächlich wesentlich treffsicherer erraten, als dies Menschen können.
Hohe Treffsicherheit
Wurden dem Programm Fotos von jeweils zwei Männern oder Frauen vorgelegt, von denen eine Person hetero-, die andere homosexuell ist, erriet es die richtige Zuteilung im Falle von Männern zu 91 Prozent, im Falle von Frauen zu 83 Prozent. Menschen in einer Vergleichsgruppe kamen hingegen nur auf 61 Prozent (bei Männern) bzw. 54 Prozent (bei Frauen). Werden dem Programm hingegen nur einzelne Porträtbilder vorgelegt, bei denen es die sexuelle Orientierung der abgebildeten Person erkennen soll, sinkt die Treffgenauigkeit signifikant.
Angeborene Unterschiede
Wie kommt das Programm auf die Zuordnung zu sexuellen Orientierungen? Die Forscher führen hier als Faustregel an, dass homosexuelle Männer generell mehr feminine Züge, etwa schmälerer Kiefer, längere Nase und höhere Stirn, aufweisen und homosexuelle Frauen öfter maskulinere Züge. Die Verbindung von Gesichtsmerkmalen und sexueller Orientierung lege nahe, dass Unterschiede angeboren sind und sich nicht erst durch Sozialisation entwickeln.
Gefährliche Konsequenzen
Welch gefährliche Implikationen die Ergebnisse ihrer Studie haben könnten, beschreiben die Forscher in einem Begleittext zu ihrer Studie. Sie hätten lange überlegt, ob sie ihre Studie überhaupt veröffentlichen sollten. Sexuelle Diskriminierung sei ohnehin bereits ein riesiges Problem. Werde ihre sexuelle Orientierung enthüllt, herrsche für viele homosexuelle Personen in manchen Ländern Lebensgefahr. Zumindest aber stelle die Fähigkeit einer Künstlichen Intelligenz, die Einordnung von Personen in solche Kategorien vornehmen zu können, ein ernsthaftes Eindringen in die Privatsphäre von Menschen dar.
Privatsphäre-Gesetze zum Scheitern verurteilt
Weil die Forscher davon ausgehen, dass diverse Unternehmen und Organisationen bereits dazu in der Lage sind, sexuelle Orientierungen aufgrund von Porträtbildern festzustellen, hätten sie sich am Ende doch für eine Veröffentlichung entschieden. Die Privatsphäre von Menschen sehen die Forscher als bereits stark erodiert an. „Sogar die besten Gesetze und Technologien zum Schutz der Privatsphäre sind, unserer Ansicht nach, zum Scheitern verurteilt“, schreiben sie in ihrem Begleittext. Die Allgegenwart von Kameras und Social Media sei dafür mitverantwortlich.
„Die Sicherheit von Homosexuellen und anderen Minderheiten hängt nicht an einem Recht auf Privatsphäre, sondern an der Durchsetzung der Menschenrechte. Soll eine post-private Welt sicherer und freundlicher sein, muss sie von gut ausgebildeten Menschen bewohnt werden, die radikal intolerant gegenüber Intoleranz sind.“
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