Atome, deren Elektronen extrem hohe Energien aufweisen, können diese Energie bei Kontakt mit anderen Materialien innerhalb kürzester Zeit abgeben. Forscher der Technischen Universität (TU) Wien haben mit einem internationalen Team diesen Effekt, der über zwei Jahrzehnte rätselhaft war, nun experimentell untersucht. Sie berichten darüber im Fachjournal Physical Review Letters.
Rydberatome
In ihrem Grundzustand ist die Elektronenhülle eines Atoms vollständig gefüllt: Die energieärmsten Elektronen befinden sich ganz innen, nahe am Atomkern, während die Energiereicheren die weiter außen liegenden Schalen besetzen, ohne dabei eine Lücke freizulassen. Unter bestimmten Umständen können einige der Elektronen jedoch auch wesentlich weiter außen liegen als üblicherweise und so einen Hohlraum entstehen lassen, in dem sich keine Elektronen befinden.
Diese sogenannten Rydberatome können ihre überschüssige Energie innerhalb von wenigen Femtosekunden (Millionstel einer Milliardstel Sekunde) abgeben, wenn sie in Kontakt mit einem anderen Material und den dort befindlichen Elektronen kommen. Wie dieser Prozess so schnell ablaufen kann, war lange ein Rätsel.
Experimente mit Edelgasatomen
Um der Sache auf den Grund zu gehen, wurden an der TU Wien nun Experimente mit Edelgasatomen durchgeführt. Dazu entfernten die Forscher zunächst bis zu 40 Stück der äußeren Elektronen eines Atoms und ließen es anschließend durch Graphen fliegen, ein extrem dünnes Material, das nur aus einer einzigen Schicht Kohlenstoffatomen besteht. Obwohl das Durchqueren des Graphen lediglich etwa eine Femtosekunde dauert, kann das Atom dabei einen Großteil der fehlenden Elektronen aufnehmen und ein Rydbergatom bilden.
„Das stark positiv geladene Edelgasatom wirkt dabei wie eine Art Elektronenstaubsauger“, erklärte der Leiter der Forschergruppe, Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien, gegenüber der APA. „Es entzieht den Kohlenstoffatomen des Graphen blitzschnell die Elektronen, die es selbst braucht, um wieder annähernd elektrisch neutral zu sein.“ Nahezu gleichzeitig fallen die „angesaugten“ Elektronen in den Grundzustand zurück und geben ihre Energie wiederum an die im Graphen verbleibenden Elektronen ab.
Interatomarer Coulomb-Zerfall
Anhand ihrer Experimente konnten die Forscher nun zeigen, dass für diesen Prozess ein bisher unterschätzter Effekt verantwortlich ist – der sogenannte „Interatomare Coulomb-Zerfall“. Dabei wird die Energie zwar in kleinen Dosen, dafür aber an eine große Anzahl von Elektronen im Graphen abgegeben, die daraufhin verhältnismäßig langsam aus dem Material fliegen.
Da langsame Elektronen besonders gut in der Lage sind, chemische Bindungen wie etwa die DNA-Stränge in Zellen aufzubrechen, ist dieser eigentlich eher exotische Prozess auch für die Biologie interessant. Bei Strahlentherapien zur Krebsbekämpfung treten nämlich ähnliche Effekte auf, anhand derer Krebszellen besonders effektiv geschädigt werden sollen. „Unsere Forschung ist also auch ein Beitrag zum besseren Verständnis von bereit erfolgreich eingesetzten Therapiemethoden“, so Aumayr.
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