Astronomen haben erstmals Gravitationswellen von der Kollision zweier Neutronensterne aufgezeichnet. Ebenfalls zum ersten Mal konnten die Folgen eines solchen Ereignisses mit zahlreichen Teleskopen beobachtet werden. „Es ist enorm aufregend, ein seltenes Ereignis zu erleben, das unser Verständnis der Funktionsweise des Universums verändert“, sagte France Córdova, Direktorin der amerikanischen National Science Foundation (NSF). Auch deutsche Wissenschaftler sind an dem Erfolg beteiligt.
Albert Einstein hatte die Gravitationswellen vor 100 Jahren in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt. Anfang Oktober war die Vergabe des Physik-Nobelpreises 2017 für die erste Messung von Gravitationswellen im Jahr 2015 verkündet worden. Seither war noch drei weitere Male die Verschmelzung von Schwarzen Löchern registriert worden – und nun erstmals die von Neutronensternen.
70 Teleskope beobachteten Ursprungsregion
Die Detektoren der beiden LIGO-Observatorien in den USA und des VIRGO-Instruments in Italien hatten am 17. August rund 100 Sekunden lang winzige Kräuselungen (Wellen) in der Raumzeit registriert. Fast zeitgleich erschien ein Gammastrahlenblitz – extrem energiereiche elektromagnetische Strahlung. Ein weltweites Netzwerk von Astronomen richtete 70 Teleskope auf die errechnete Ursprungshimmelsregion. Astronomen in Chile entdeckten schließlich mit einem Lichtteleskop einen neuen Lichtpunkt bei einer Galaxie im Sternbild Wasserschlange (Hydra) in einer Entfernung von etwa 130 Millionen Lichtjahren.
„Kombination mit Folgereaktionen macht es revolutionär“
„Dieser erste Nachweis der Gravitationswellen von verschmelzenden Neutronensternen ist für sich allein genommen schon extrem spannend“, erklären Karsten Danzmann, Bruce Allen und Alessandra Buonanno vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover und Potsdam in einer Institutsmitteilung. „Aber die Kombination mit Dutzenden von Folgebeobachtungen im elektromagnetischen Spektrum macht es wirklich revolutionär.“ Das Institut ist Partner des LIGO-VIRGO-Verbundes. Es lieferte unter anderem die Lasertechnik im Kern der Observatorien.
Schwere Elemente entstehen scheinbar aus Verschmelzung von Neutronensternen
Die Forscher haben durch die Aufzeichnungen eine Reihe neuer Erkenntnisse über Neutronensterne, die dichtesten bekannten Sterne im Universum, gewonnen. Verschiedene Signale zeigen das Vorkommen von Gold, Platin und anderen chemischen Elementen, die schwerer sind als Eisen, in der Umgebung an. Die Wissenschaftler sehen dies als Hinweis darauf, dass ein Großteil der schweren Elemente beim Zusammenstoß oder der Verschmelzung von Neutronensternen entsteht. Weitere Ergebnisse dürften folgen – die Analyse der Daten ist noch längst nicht abgeschlossen.
Schon jetzt aber bezeichnen Astronomen GW170817, wie die Neutronensternkollision offiziell genannt wird, als das am besten untersuchte kurzlebige Ereignis im Universum. „Neutronensterne sind die kompliziertesten Objekte im Universum“, sagte Danzmann. Sie bleiben übrig, wenn ein massereicher Stern in einer Supernova explodiert. Ein Teelöffel voll Neutronensternmaterial entspricht der Masse von rund eine Milliarde Tonnen. Viele daraus resultierende physikalische Eigenheiten sind noch nicht im Detail geklärt.