Veröffentlicht inScience

Wie ein Manner in der Sonne: Diese Mikroteilchen formen sich selbst

Es gibt viele Möglichkeiten, neuartige Materialien herzustellen. Forschern in Wien etwa haben nun Teilchen dazu gebracht, sich selbst zu komplexen Strukturen zusammenzusetzen. Ein Vorteil für die Medizin.

Manner-Schnitten
Wie aus der Manner-Süßwarenfabrik verhalten sich die Teilchen der Forscher in Wien. Foto: Josef Manner & Comp. AG

In der Natur gibt es viele Beispiele von Selbstorganisation. Auch Wissenschaftler wollen Teilchen dazu bringen, selbsttätig bestimmte Strukturen zu formen. Wiener Forscher stellen im Fachblatt „Nanoscale“ Berechnungen vor, wonach sich spezielle Partikel spontan zu Schichtstrukturen anordnen. Bei höherer Temperatur ist diese gleichzeitig fest und flüssig, wie eine „Manner Schnitte“ in der Sonne.

Als Vorbild für ihre Arbeit nennt Gerhard Kahl vom Institut für Theoretische Physik der Technischen Universität (TU) Wien in einer Aussendung Viren und Bakterien. Diese hätten oft an ihrer Oberfläche elektrische Ladungen, würden sich durch Anziehung und Abstoßung entsprechend ausrichten und bestimmte Strukturen bilden.

Wie wenn die Kakao-Creme schmilzt

Auch künstlich hergestellte Partikel können sich so verhalten. Für ihre Berechnungen sind die Wissenschaftler von kleinen Kügelchen ausgegangen, die an den beiden Polen eine positive und an der Äquatorregion eine negative elektrische Ladung tragen. Unter passenden Bedingungen packen sich die Teilchen dicht zu einer zweidimensionalen Schicht mit hoher Stabilität.

Die Simulationen zeigen zudem, dass sich mehrere solcher Schichten parallel bilden können. Dazwischen lagern sich weitere Teilchen an, die die Schichten miteinander verbinden. Insgesamt entsteht so ganz von selbst eine stabile vielschichtige Struktur aus identischeen Teilchen.

An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von YouTube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden.

Die Struktur weist aber eine bemerkenswerte Eigenschaft auf: Die Bindungen innerhalb der einzelnen Schichten sind viel stärker als jene zwischen den Schichten. „Erhöht man die Temperatur, werden zunächst die schwächeren Bindungen zwischen den Schichten aufgebrochen, die Partikel können sich als Flüssigkeit frei bewegen“, so Kahl. Die Schichten selbst bleiben dabei stabil. Das Ganze verhält sich also wie eine Manner Schnitte in der Sonne, wo die Kakao-Creme zwischen den stabilen Waffeln schmilzt.

Für die Medizin: Ab in den Körper

Für Kahl ist das bemerkenswert: „Wir haben es mit einem einheitlichen Material zu tun, das nur aus einer einzigen Sorte von Teilchen besteht, aber eine Struktur ausbilden kann, die gleichzeitig feste und flüssige Schichten aufweist.“ Zudem weise das System die Fähigkeit zur Selbstheilung auf: Schäden würden automatisch von zufällig vorbeikommenden Teilchen repariert.

An der experimentellen Umsetzung der Ideen arbeiten bereits Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur Wien (Boku). Dort hat Peter van Oostrum vom Institut für biologisch inspirierte Materialien eine einfache Methode für die Herstellung solcher Teilchen entwickelt, die an den Polkappen die gleiche Ladung tragen. Laut Kahl können mit diesen Partikeln bereits die berechneten zweidimensionalen Muster realisiert werden, an der dreidimensionalen Umsetzung werde noch gearbeitet.

Potenzielle Einsatzmöglichkeiten solcher Systeme sieht der Wissenschaftler etwa in der Medizin. So könnten solche Teilchen dazu genutzt werden, Wirkstoffe direkt an den gewünschten Ort im Körper zu bringen und durch Temperaturerhöhung dort freizusetzen.

Du willst mehr von uns lesen? Folge uns auf Google News.