Das Voynich-Manuskript, dessen Alter auf 600 Jahre geschätzt wird, fasziniert Linguisten und Kryptographen seit seiner Wiederentdeckung im Jahr 1912. Das Dokument enthält zahlreiche Zeichnungen und verschlüsselten Text, der sich bisher sämtlichen Versuchen einer Entzifferung widersetzt hat.
In einem Fachartikel berichten kanadische Forscher jetzt, dass sie der Lösung des Rätsels einen Schritt näher gekommen sind. Möglich wurde das durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz, wie Gizmodo berichtet. Frühere Berichte über Fortschritte bei der Entzifferung haben sich bisher stets als Fehleinschätzungen entpuppt.
Wahrscheinlich Althebräisch
Die Forscher haben ein lernfähiges System die UN-Menschenrechtscharta in 380 Sprachen analysieren lassen, um eindeutige Muster in den jeweiligen Sprachen zu entdecken. Die so trainierte KI wurde dann auf das Voynich-Manuskript losgelassen. Das Ergebnis hat die Forscher überrascht: Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der Text demnach in verschlüsseltem hebräisch verfasst worden. Eigentlich waren die Experten von einem arabischen Ursprung ausgegangen.
Anagramme: Wie futurezone zu eefnortuuz
Dieses Wissen haben die Wissenschaftler mit einer älteren Hypothese zum Manuskript kombiniert. Diese geht davon aus, dass es sich bei den unsinnigen Wörtern der verschlüsselten Botschaft um alphabetisch angeordnete Anagramme der unverschlüsselten Satzbausteine handelt (futurezone würde in diesem System zu eefnortuuz).
Mithilfe eines Algorithmus haben die Forscher den Text so Wort für Wort nach passenden Anagrammen in Hebräisch untersucht. Sie stellten fest, dass 80 Prozent der so umgearbeiteten Wörter sich in einem modernen hebräischen Wörterbuch fanden.
Hilfe von Google Translate
Mit diesem Wissen haben die Forscher den ersten Satz des Voynich-Manuskripts entschlüsselt. Das Ergebnis präsentierten sie einem Kollegen, dessen Muttersprache hebräisch ist. Dieser stellte aber fest, dass das Ergebnis kein zusammenhängender Satz war. Nach einigen Korrekturen an der Rechtschreibung konnten sie mit Google Translate aber ein halbwegs sinnvolles Ergebnis erzielen: „Sie machte dem Priester, dem Hausherren, mir und anderen Leuten Vorschläge“, so der Übersetzungsvorschlag.
Linguisten gefordert
Die Wissenschaftler legen Wert darauf, dass ihnen die Entschlüsselung des Texts damit noch nicht gelungen ist. Die wichtigen Fortschritte seien die Identifizierung der ursprünglichen Sprache und die Stärkung der These, dass es sich bei der Codierung um eine Form von Anagrammen handle.
Die vollständige Analyse des Textes könne auch mit diesem Wissen nicht ohne die Hilfe von Linguisten erfolgen, die sich mit Althebräisch befassen. In einem nächsten Schritt soll die Methode auch auf andere alte Texte angewendet werden, die sich bisher einer Entzifferung entzogen haben.