In Zeiten von Trump und Digitalisierung wird auch zunehmend über den Klimawandel berichtet – weil Trump ihn konsequent leugnet, Forscher ihn aber als Realität einschätzen. Technologien spielen insofern eine Rolle, als dass sie helfen können, die Reserven der Menschheit langfristig zu sichern, ob nun aus trockener Wüstenluft Trinkwasser gewonnen oder die Drohne für die Wiederaufforstung der Wälder genutzt wird.
Sebastian Copelands Leben gilt dem Abenteuer – und dem Drang, auf die Zukunft unseres Planeten aufmerksam zu machen. Er ist ein leidenschaftlicher Verfechter der Wissenschaft und der Kunst. Als Fotograf hat er viele Auszeichnungen erhalten, darunter den International Photography Award (IPA) als Professonal Photographer of the Year 2007 für sein erstes Buch „Antarctica: A Global Warning.“ Seine Expeditionen sind legendär. So wanderte er 700 Kilometer entlang des geografischen Nordpols und mit Skiern und Kites 2.300 Kilometer quer durch Grönlands Eisschild, wofür er nur 43 Tage benötigte. Das alles machte ihn zum Umweltaktivisten, weshalb er neben seinen Büchern, Dokumentationen und sonstigem Engagement auf Reisen auch anderen die Natur der Polarregionen näherbringt.
Diese Woche kommt der mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in München lebende US-Amerikaner nach Berlin. Zur EventHorizon, einer großen Konferenz zu den Themen Blockchain und erneuerbare Energien. Im Vorab-Gespräch mit futurezone geht es um die Zukunft: wieso der Klimawandel eine Sache der Wissenschaft, nicht der Meinung ist, was Blockchain für ihn bedeutet und wieso wir an den Apfel, der vom Baum fällt, einfach glauben sollten.
futurezone: Sebastian, was macht ein Abenteurer und Fotograf bei einem Event über Blockchain und Energie?
Sebastian Copeland: Das liegt daran, dass ich, neben meiner Arbeit als Abenteurer und Fotograf, auch Umweltaktivist bin. Und die Fotografie war schon immer ein Tool, um mich mit Herausforderungen in der Welt zu befassen. Sie ist ein einfacher Weg, um Dinge zu kommunizieren, weil jeder auf Bilder reagiert. Mit Blick darauf würde ich sagen: Auf die ökologischen Probleme der Welt fokussiert zu sein, bedeutet auf die Zukunft fokussiert zu sein.
Betrachtet man, wie sich der menschliche Fußabdruck auf die natürliche Welt auswirkt und wie gleichzeitig weltweit die Demografie explodiert, enthält unsere Zukunft auch ganz klar eine technologische Dimension. Wir befinden uns derzeit in der vielleicht transformativsten Phase unserer Entwicklung, die in vielerlei Weise spiegelt, was wir als die vierte Industrielle Revolution bezeichnen können. Wir hatten die Dampfmaschine, wir hatten Elektrizität, wir hatten Elektronik und Informationstechnologie und nun haben wir Technologie, die es schafft, dass die digitale und analoge Welt mehr und mehr verschmelzen. Nun erst begreifen wir, dass es ein Problem gibt und dass wir nicht so weitermachen können wie bisher.
Letztlich sprechen wir über technologische Strategien von Disruption. Und Blockchain ist augenscheinlich eine dieser aussichtsreichen disruptiven Technologien. Wenn es darum geht, die Natur von Blockchain zu untersuchen, die, wie ich glaube als Peer-to-Peer-Technologie einen wichtigen Beitrag für unsere Zukunft leisten kann, bin ich sehr interessiert daran zu hören, was andere Menschen auf einer Konferenz wie der EventHorizon dazu zu sagen haben.
Was ist für dich persönlich so spannend an Blockchain? Hast du vielleicht selbst schon in Kryptowährungen investiert?
Ich bin jetzt in meinen 50ern. Also steht es eigentlich meinem Alter entgegen, auf den fahrenden Zug der disruptiven Finanzmodelle aufzuspringen. Ich muss auch für meine Familie sorgen. Und ich beobachte den unglaublich unberechenbaren Charakter von Blockchain-Währungen. Das macht mich nervös. Aber wie auch immer, ja, ich habe ein klein wenig in eine Kryptowährung investiert, genau wie in andere disruptive Technologien auch.
Diese Nervosität, die du ansprichst, sie scheint aktuell eine Herausforderung für unsere gesamte Gesellschaft zu sein.
Wir haben Angst davor, ob und wie wir mit Technologie und künstlicher Intelligenz gleichziehen können, wie ganze Regierungen Informationen kontrollieren und Individuen diese Informationen korrumpieren. Technologie hat urplötzlich die Büchse der Pandora geöffnet und den Genie aus der Flasche freigelassen.
Also, was tun wir nun? Wir haben einen Mann – der in diesem Gespräch ungenannt bleiben soll, sagen wir einfach, er hat kleine Hände, oranges Haar und er betreibt das Weiße Haus in Amerika – dieser Kerl bezieht sich unermüdlich auf Fake News. Und obwohl er das ohne gesunden Menschenverstand tut, hat er zweifellos eine Debatte über ein fundamentales Prinzip unserer Gesellschaft gestartet, nämlich: Wem können wir vertrauen?
Wir misstrauen den Medien und Politikern, Informationen in sozialen Netzwerken und den Plattformen selbst. Wir misstrauen den Geldinstituten und wir sind angreifbar durch Hacker und Identitätsdiebstähle. Blockchain erscheint also zu einem sehr guten Zeitpunkt auf der Bildfläche.
Wie kann sie helfen?
Es ist speziell diese Zeit, wenn alle Systeme versagen, dass plötzlich ein Licht der Hoffnung am Ende des Tunnels erscheint, das uns sagt: Hey, was wäre, wenn wir etwas hätten, das komplett transparent und dezentralisiert wäre, das ein Unternehmer oder eine Regierung nicht kontrollieren könnten, das letztlich allein von den Menschen, die es nutzen, überwacht würde? Und was wäre, wenn dieses System in der Zukunft für alles gesellschaftlich Relevante gelten würde? Ich glaube an diese Zukunft.
Ich meine, überlegen wir mal: In einer Welt, in der wir nicht einmal Facebook mehr trauen, brauchen wir ein System, in dem wir selbst verantwortlich sind und ich denke, dass Blockchain ein solches System sein kann. Ihre einzige Schwachstelle ist die, dass Regierungen und Institutionen sie versuchen werden zu sperren, wenn sie merken, dass sie ihnen die Kontrolle entzieht und diese stattdessen voll und ganz den Usern übergibt. Sollte Blockchain überleben, wird sie eine unbestreitbar zentrale Rolle in der Verwaltung von fortschrittlichen Gesellschaften spielen.
Was sagst du normalerweise zu Menschen, die nicht an unser gemeinschaftliches Verständnis der Welt glauben, wie etwa Flath Earthers, die an eine flache Erde glauben, oder Leuten, die den Klimawandel anzweifeln?
Die Wahrheit ist: Es gibt einige Diskussionen, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind. Über Religion streiten, ist eine davon. Du wirst niemanden überzeugen, dass deine die bessere ist. Einen Konservativen zu überzeugen, liberaler zu denken, ist eine andere. Derartige Diskussionen sind es überhaupt nicht wert, geführt zu werden, oder?!
Der Klimawandel ist keine Frage der Meinung, dennoch ist er politisiert worden. Ist es schon mal passiert, dass du zu jemandem, bevor er oder sie in einen Aufzug steigen wollte, hingegangen bist und gesagt hast: Hey, vertraust du eigentlich dem, der den Aufzug konstruiert hat? Nein. Du gehst in den Aufzug, drückst den Knopf und fährst einfach in deinen Stock. Wir haben von Natur aus Vertrauen in Ingenieure.
Beim Klimawandel sollte es ebenso sein. Er ist keine Ansichtssache. Er ist eine Sache der Wissenschaft.
Aber wie werden wir überleben, wenn es immer noch Menschen gibt, die nicht an den Bedarf an Veränderung glauben und wenn wir nicht einmal mehr mit diesen Menschen diskutieren?
Wissenschaft ist exakt, aber die Wissenschaft des Klimawandels ist es nicht, weil sie so viele Variablen miteinschließt. Am Ende des Tages ist es doch so: Fällt ein Apfel von einem Baum, trifft er den Boden. Das ist einfach die Erdanziehungskraft. Und keiner stellt die Erdanziehungskraft in Frage. Die Erde wird sich weiterdrehen.
Auf einem Planeten, der 4,5 Milliarden Jahre alt ist, sind wir lediglich seit dem Bruchteil einer Sekunde hier. Wir haben uns aus einem chemischen Zufall heraus entwickelt, ein biologisches Wunder, weil es nun mal außergewöhnlich ist, ein Mensch zu sein.
Andererseits ist es auch wieder nicht so außergewöhnlich im Vergleich zur Geschichte unseres Planeten selbst. Diesem Planeten könnte es scheißegal sein, wer wir sind. Wir werden ihn entweder einholen und uns mit ihm arrangieren, bevor es zu spät ist, oder wir werden wie die Dinosaurier enden.
Das klingt nicht gerade nach einer optimistischen Sicht auf die Zukunft …
Natürlich nicht. Aber die Wahrheit ist, dass wir die Umwelt, die wir bewohnen, in der gleichen Art und Weise beeinflussen wie ein Virus einen Körper: Es sucht nach Wegen, um zu überleben. Glücklicherweise haben wir, im Vergleich zu einem Virus, ein Gewissen, und das ist es, was uns von ihm unterscheidet.
Immer mehr Menschen kümmern sich um Recycling, Forscher versuchen herauszufinden, was in der Welt vor sich geht, und Politiker schenken ihnen plötzlich Aufmerksamkeit: Ich denke, jeder ist mehr und mehr auf das Verständnis ausgerichtet, dass der Weg, den wir bisher beschritten haben, nicht mehr der richtige Weg ist.
Wenn jetzt auch noch Regierungen zu Unternehmen sagen würden: Hey, euer Geschäftsmodell ist beeinträchtigt oder entzieht sich dem Gemeinwohl, deshalb müsst ihr es ändern. Das wäre etwas. Aber bis Regierungen das sagen werden, werden wir immer ein Problem haben. Zu unserem Glück entscheiden sich immer mehr Regierungen dafür, das zu tun, einige überzeugender als andere. Aber der Zug hat bereits den Bahnhof verlassen und ist auf dem Weg in die richtige Richtung.
Tech-Konzerne wie Google produzieren bereits mehr erneuerbare Energien als sie verbrauchen. Kann das eine Signalwirkung für andere Unternehmen oder sogar Individuen haben und wie?
Es ist wichtig, alarmiert zu sein. Aber es ist auch wichtig, kein Panikmacher zu sein. Unternehmen wie Google machen einen großartigen Job. Gruppenzwang, besonders im Gewerbe, ist ein großartiges Tool für Veränderung. Kunden fangen an, darauf aufmerksam zu werden und sie honorieren Selbstverpflichtungen von Geschäftsführern.
Natürlich ist die Zeit unser größter Feind. Aber bis sich der Wandel vollzogen hat, was langsamer vonstatten geht als erwartet, bekommen wir es in vielerlei Hinsicht sehr gut hin. Das liegt auch daran, dass sich die öffentliche Meinung in weniger als 15 Jahren verschoben hat. Geht es um Klimawandel beispielsweise, haben viele Leute bereits ein grundsätzliches Verständnis, ob sie daran glauben sollen oder nicht. Das ist ein Thema, dass sich durch alle sozialen Klassen zieht, von der gebildeten und privilegierten Klasse bis hinunter in die Arbeiterklasse.
Und neugierig zu sein, ist dabei wahrscheinlich die beste erneuerbare Energie auf dem Planeten. Am Ende sind Regierungen, Unternehmen und Individuen die drei Agenten des Wandels. Es ist, als wären sie an den Knöcheln zusammengekettet: Der eine kann nur so schnell gehen wie der langsamste in der Lage ist. Natürlich ist das frustrierend, aber immerhin bewegen sie sich vorwärts.
Unsere Rolle als Individuen ist es, ihnen dabei zu helfen, in die richtige Richtung zu gehen. Sobald du neugierig bist und offen dafür, die Zukunft willkommen zu heißen, kannst du begreifen, dass selbst die kleinste Veränderung im eigenen Leben etwas ausmacht. Und bevor du dich versiehst, denkst du darüber nach, vielleicht ein Elektroauto zu kaufen und andere große Lebensentscheidungen zu treffen.
Polarregionen wie in Island und Finnland sind perfekte Orte fürs Krypto-Mining. Dort ist es so kalt, dass man kein spezielles Kühlungssystem für die Hardware mehr benötigt, ebenso sind die Energiekosten durch die Temperaturen viel niedriger. Könnten große Datenzentren auch in der Antarktis enstehen?
Das ist ein sehr interessanter Aspekt: Wie können wir aus unseren natürlich gegebenen Konditionen einen Nutzen ziehen, um den Wechsel zu neuartigen Energiesystemen und Technologien zu optimieren? Mit deiner Frage fängst du bereits an, neugierig zu sein.
Leider ist dieses Szenario nicht wahrscheinlich. Nicht, bevor eine Menge Dinge in der Antarktis ins Spiel kommen. Nicht zuletzt sind die Zustände extrem schwierig zu handhaben in einem Umfeld, das jährlich sechs Monate lang für die Außenwelt geschlossen ist.
Es gibt jedoch außerhalb der Antarktis noch andere wirklich kalte Orte auf der Welt, insbesondere Dänemark, Norwegen, Kanada, Russland und die USA. Der Vertrag von Madrid macht die Antarktis jedenfalls unzugänglich für den kommerziellen Gebrauch und nationalistische Vorhaben. Es ist schlicht ein Land der Wissenschaft, ein Land der Entdeckungen.
Was treibt dich persönlich am meisten an?
Ich bin grundsätzlich extrem neugierig, was die Kunst und die Wissenschaft angeht. Und ich habe eine persönliche Neigung zu herausfordernden Lebenswelten. Es sieht nicht so aus, als würde das aufhören.
Ich finde es wichtig, nicht so streng mit der Menschheit zu sein. Menschen sind am Ende des Tages wie Jugendliche. Wir beginnen erst zu verstehen, was die Macht, die wir haben, wirklich bedeutet. Als Kind trittst du eine Ameise auf dem Boden und spielst vielleicht eine Weile mit ihr, wie das Katzen mit Mäusen tun. Dann jedoch trittst du zu und sagst einfach: Oh, schau, ich habe eine Ameise getötet. Das ist die Natur der Ignoranz. Entwickelst du jedoch Wissen, Erfahrungen und Intellekt, stellst du Fragen und erkennst hoffentlich, wie abhängig wir von der natürlichen Welt sind. Wir können ohne sie nicht existieren, also ist es notwendig sie zu schützen.
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Also könnte man sagen: Seid nicht so streng mit den Menschen?
Ja, absolut. Lasst Forscher und andere Spezialisten uns führen. Du gehst ja auch nicht zu einem Rolling Stones-Konzert und sagst: Hey, gib mir die Gitarre, ich spiele! Die anderen Besucher würden dich nicht lassen, sie wollen schließlich die Stones. Du bist nur ein Typ, der zum Konzert geht. Dasselbe gilt für Wissenschaft. Sei kein Stammtisch-Forscher. Sofern du kein Wissenschaftler bist, zählt deine Meinung nicht. Wieso können wir nicht einfach glauben, dass der Apfel den Boden trifft, wenn er vom Baum fällt? Glaub‘ mir, er wird es. Die Physik der Erdanziehungskraft ist Wissenschaft. Es ist egal, was du darüber denkst. Der Klimawandel ist genau das!
Sebastian, vielen Dank für das Interview!
Das Interview wurde auf Englisch geführt und anschließend übersetzt.