Mit der Concorde hat am 21. Januar 1976 das Zeitalter der kommerziellen Überschallflugzeuge begonnen. Das russische Pendant, die Tupolew Tu-144S, hat im November 1977 den Passagierbetrieb aufgenommen.
Das vorläufige Ende des Überschallflugzeugs
Lange Zeit dauerte das verheißungsvolle Kapitel der Mobilität allerdings nicht. Schon damals war es aufgrund der hohen Spritkosten schwierig, den Einsatz wirtschaftlich erfolgreich zu gestalten. Ein weiteres Problem war der Überschall-Knall. 1973 hat etwa die US-Luftsicherheitsbehörde FAA das Durchführen von Überschallflügen über den USA verboten. Der letzte kommerzielle Flug der Tu-144 fand bereits im Juni 1978 statt. Das bekannteste Überschallflugzeug Concorde stellte mit ihrem letzten Passagierflug am 24. Oktober 2003 die Linienflüge ein.
Mit Mach 2,2 zurück in die Lüfte
Seit einiger Zeit gibt es nun wieder so etwas wie ein Wiederaufleben des Überschallreisens. Obwohl es derzeit keine kommerziellen Passagiermaschinen gibt, die schneller fliegen können als der Schall, arbeiten eine ganze Reihe an Luftfahrtunternehmen an der Entwicklung neuer Überschallflugzeuge. So entwickelt etwa das US-amerikanische Start-up Boom Supersonic einen Jet, der die Strecke von New York nach London in lediglich drei Stunden und 15 Minuten schaffen soll. Dafür hat das junge Unternehmen bereits ein Investment von Japan Airlines im Umfang von zehn Millionen US-Dollar erhalten.
Mit seinen drei Triebwerken soll das Flugzeug eine maximale Geschwindigkeit von Mach 2,2 (2335 Stundenkilometer) erreichen können und 55 Passagieren Platz bieten. Auf seiner Website gibt Boom an, dass ihr Überschalljet mehr als 500 Routen bedienen können wird. Als Triebwerke kommen beim Boom herkömmliche Mantelstromtriebwerke ohne Nachbrenner zum Einsatz. Boom Supersonic gibt an, dass der Überschallknall des neuen Flugzeugs mindestens 30 Mal leiser sei, als der der Concorde.
Der Stoff, aus dem Raketen bestehen
Für die Strecke New York-London peilt Boom einen Preis von 5000 Dollar pro Ticket an. Das wäre wesentlich günstiger als ein Flug in der Concorde: Inflationsbereinigt kam ein vergleichbares Ticket in der Concorde in den 1970er Jahren auf etwa 20.000 Dollar. Die ersten Testflüge mit dem etwas kleineren Prototyp XB-1 Baby Boom, hätten bereits Ende 2017 stattfinden sollen. Nun soll der erste Flug Ende des Jahres über die Bühne gehen. Die ersten Tests mit Überschallflügen sind für 2019 geplant.
Die Materialien, die sich im Hochgeschwindigkeitsflug stark erhitzen, stammen übrigens von der niederländischen Firma TenCate Advanced Composites, die auch ähnliche Materialien für die Falcon-9-Rakete von SpaceX produziert.
Atmosphärischen Landschaftsbilder statt Fenster
Spike Aerospace ist ein weiterer Player, der auf die Zukunft von Überschallflugzeugen wettet und dafür einen entsprechenden Jet entwickelt. Im Gegensatz zum Flugzeug von Boom fällt der Spike S-512 von Spike Aerospace wesentlich kleiner aus und geht als Supersonic-Business-Jet durch. Die Flügelspannweite beläuft sich auf 18 Meter und die Länge des Flugzeugs auf 37 Meter. Insgesamt sollen im Spike S-512 nicht mehr als 18 Passagiere Platz finden.
Die maximale Geschwindigkeit wird mit 1,8 Mach, also 1913 Stundenkilometern, angegeben. Die Reisegeschwindigkeit soll 1700 km/h beziehungsweise Mach 1,6 betragen. Damit werde man die Prestigestrecke London-New York in drei Stunden schaffen, schreibt Spike Aerospace auf seiner Website. Außerdem werde man die Strecken von London nach Hong Kong oder von Dubai nach New York ohne Zwischenstopp schaffen. Die Reiseflughöhe liegt bei 15,5 Kilometer.
Auf eine ganz zentrale Komponente will Spike Aerospace bei ihren Supersonic-Business-Jet allerdings verzichten: nämlich Fenster. Im Gegensatz zu anderen Flugzeugen, sollen die Passagiere neben Screens Platz nehmen, die per Livestream die Sicht aus dem Überschallflugzeug auf den Fensterersatz zeigen. So soll ein ungestörter Blick auf das Panorama gewährleistet werden. Wenn den Passagieren der Ausblick zu langweilig wird, soll es auch die Möglichkeit geben, sich verschiedene atmosphärischen Landschaftsbilder anzeigen zu lassen.
Applaudierender Überschalljet
Nach eigenen Angaben ist Spike S-512 Quiet Supersonic Jet der erste Überschalljet, der in voller Reisegeschwindigkeit über Land fliegen kann, ohne die darunter lebenden Menschen mit einen Überschallknall zu stören. Der Knall des Spike S-512 soll nicht lauter sein als ein Händeklatschen. Deshalb könne das Flugzeug von Spike Aerospace jede Stadt der Welt mit Überschallgeschwindigkeit anfliegen. Möglich soll dies durch spezielle aerodynamische Eigenschaften sein. Weitere Details darüber, wie der laute Überschallknall verhindert werden soll, bleibt das Unternehmen schuldig.
Erste Testflüge mit einem unbemannten, kleineren Nachbau des Spike S-512 sind Ende 2017 erfolgreich über die Bühne gegangen. Dabei hätten Aerodynamik und Flugeigenschaften des Jets ihre Tauglichkeit bewiesen. Erste Überschallflüge mit dem S-512 sollen 2021 stattfinden. Die Auslieferung der ersten Maschinen ist für 2023 geplant.
Zeitersparnis durch Innovation
Partnerschaften mit namhaften Konzernen der Luftfahrtbranche kann das Unternehmen Aerion aufweisen. Für die Entwicklung des Überschallflugzeugs AS2 kooperiert Aerion mit GE Aviation und Lockheed Martin.
Für den Business-Jet AS2 ist eine Reisegeschwindigkeit von Mach 1,4 oder gut 1700 Stundenkilometern geplant – zumindest über Ozeane. Über bewohnten Gebieten plant Aerion eine maximale Geschwindigkeit von Mach 0,95 oder gut 1100 km/h. Laut eigenen Angaben soll der AS2 eine Geschwindigkeit von Mach 1,2 beziehungsweise gut 1400 km/h schaffen, ohne dabei einen Überschallknall zu erzeugen – abhängig von Temperatur- und Windkonditionen. Dafür hat das Unternehmen laut eigenen Angaben ein gutes Dutzend an Patenten im Portfolio.
Mit diesen Reisegeschwindigkeiten könne man auf der Strecke von New York nach London rund eine Stunde und 55 Minuten an Flugzeit einsparen. Der erste Flug des AS2-Jets ist für 2023 geplant. Der reguläre Flugverkehr soll 2025 aufgenommen werden.
Experimentalflugzeuge der NASA
Neben den Absichten, kommerzielle Überschallflugzeuge abheben zu lassen, gibt es noch zahlreiche Projekte, bei denen nach neuen Möglichkeiten des Überschallreisens gesucht wird. Erst Anfang April hat die NASA ein mehrjähriges Überschall-Forschungsprojekt angekündigt, bei dem ein leises Überschallflugzeug entwickelt und getestet werden soll. Den Zuschlag für die Zusammenarbeit mit der US-Raumfahrtbehörde hat Lockheed Martin erhalten.
Der US-Konzern wird das Flugzeug nun konstruieren und einen flugfähigen Prototyp bis Ende 2021 ausliefern. Der sogenannte „Low-Boom Flight Demonstrator“ soll dann beweisen, dass Überschallflugzeuge auch ohne den berühmt-berüchtigten Überschallknall möglich sind. Das neue Flugzeug soll als sogenanntes X-Modell gebaut werden. Dabei handelt es sich um von NASA und US-Armee gebaute Experimentalflugzeuge, mit denen neue Technologien erprobt werden sollen.
Anatomisch komisch
Etwas experimentierfreudiger und utopischer wird es, wenn es um Geschwindigkeit von mehreren tausend Stundenkilometern und Raketentechnik geht. Forscher der chinesischen Akademie der Wissenschaften testen etwa im Windkanal aerodynamische Konfigurationen bis Mach 7 – das entspricht circa 9000 Stundenkilometern. Für die Tests haben die chinesischen Forscher ein Modell gebaut, das aussieht, als hätte jemand zwei Flugzeuge kopfüber Rumpf an Rumpf aneinandergeklebt.
Diese Konfiguration liefert aerodynamische Spitzenwerte, wie es in der dazugehörigen Publikation heißt. Das Modell habe bei Tests Winde bis zu 9000 Kilometer pro Stunde ohne Probleme ausgehalten. Sein Flugzeug könnte eines Tages die Strecke Peking – New York in zwei Stunden zurücklegen, sagt der zuständige Wissenschaftler Cui Kai.
Futuristische Ideen aus dem Hause Bombardier
Eine sehr vage Idee für Hyperschallreisen stammt aus der Feder des bekannten kanadischen Produktdesigners Charles Bombardier. Sein Konzept sieht vor, dass ein Flugzeug, das über ein Staustrahltriebwerk verfügt, mithilfe von Boostern auf Reiseflughöhe gebracht wird. Dort sollen sich die Booster vom Flugzeug lösen und zur Erde zurückkehren. Anschließend nimmt der Ramjet seine Arbeit auf und beschleunigt den Flieger auf eine Geschwindigkeit von Mach 24, also gut 25.000 Kilometer pro Stunde – rein theoretisch natürlich.
Damit würde das Flugzeug die 5500 Kilometer lange Strecke von London nach New York in rund elf Minuten zurücklegen. Dass eine solch hohe Geschwindigkeit tatsächlich erreicht wird, ist nach heutigem Stand der Technik allerdings eher unrealistisch. Unbeantwortet bleibt die Frage, nach der Beschleunigung, dem enormen Bremsweg und den massiven G-Kräften, die auf die Fluggäste wirken. Auch wie das Flugzeug die Reibungshitze überstehen soll, ist unklar.
Long Penetration Mode
Beim Überschallflug könnte das aerodynamische Phänomen „Long Penetration Mode“ (LPM) helfen. Dabei wird durch eine Düse an der Nase des Flugzeugs ein Luftstrahl produziert, der entgegen der Flugrichtung gerichtet ist. Durch diesen Luftgegenstrom sollen die Oberflächenhitze und der Überschallknall reduziert werden. Eine solche Luftstromdüse könnte auch auf den Tragflächen angebracht werden, um die komplette Oberfläche eines Überschallflugzeuges durch LPM zu kühlen.
Dennoch müsste ein solcher Jet aus speziellen hitzebeständigen Materialien gebaut werden. „LPM könnte dazu beitragen, die entstehende Hitze zu reduzieren, aber es wäre nicht in der Lage, das Hitzeproblem komplett zu beseitigen“, wird der Produktdesigner von Forbes zitiert.
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Raketenflug zu Economy-Preisen
Per Rakete von Stadt zu Stadt zu reisen – dieses Idee verfolgt SpaceX-CEO und Tesla-Gründer Elon Musk. Es sei künftig möglich, auf der Erde von einer Stadt in die andere innerhalb von 30 Minuten zu reisen, und zwar zum Preis eines Economy-Flugtickets, so Musk bei der Präsentation der Idee.
In einem Video wird das Konzept veranschaulicht. Musk will dabei auf die Fähigkeit der Booster der Falcon-9-Raketen zurückgreifen, die nach getaner Arbeit wieder zur Erde zurückkehren und auf Landevorrichtung senkrecht landen können. Auf diese Weise wäre es möglich, die Raketentechnik auch für kommerzielles Reisen zu nutzen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei futurezone.at.