Grönland ist vor allem für seine bizarren Landschaften aus Schnee und Eis bekannt. Seit längere Zeit interessieren sich Wissenschaftler:innen aber auch dafür, was unter der gigantischen Eisfläche der Insel vorborgen ist. Durch neueste technische Methoden haben sie verborgene Welten entdeckt, die in vielerlei Hinsicht einzigartig auf unserem Planeten sind.
Grönland, die grüne Insel
Als um 982 Erik der Rote die Insel betrat, taufte er sie auf den Namen „Grænland“, was so viel wie Grünland oder grünes Land bedeutet. Grönland wies damals vermutlich eine weitaus üppigere Vegetation auf als heute. Die Landschaften in Küstennähe müssen bewachsen gewesen sein. Zumindest muss es ausgedehntere Wiesenflächen gegeben haben.
Forschende gehen seit längerem davon aus, dass die mittelalterliche Warmperiode dafür ausschlaggebend gewesen sein könnte. Dass die alten Nordvölker die Insel als „grün“ bezeichneten spricht für sich. Dass sich aber vielseitige Landschaften unter den ausgedehnten Eisflächen des Landesinneren verbarg, ist Forschenden erst viel später aufgefallen.
Es ist Wissenschaftler:innen über geophysikalische Messungen gelungen, jene Landschaften aufzudecken, die seit Jahrtausenden unter der teils 3.000 Meter dicken Eisschicht verborgen liegen. Diese Landschaften brechen Teils Weltrekorde.
#1 Die längste Schlucht der Welt
2013 entdeckten Forschende den längsten Canyon der Welt, tief unter dem Eis der Insel. Er erstreckt sich über eine Länge von 740 Kilometer vom Zentrum Grönlands hinunter in den Petermann Gletscher an der Nordwestküste. Erst durch einen Scan wird dieses Naturwunder sichtbar, das nun offiziell die längste Schlucht der Welt ist.
An seinem tiefsten Punkt ist dieser Canyon 800 Meter tief. Doch auch die Breite fasziniert: An einer Stelle liegen zwischen den beiden Enden zehn Kilometer. Die Forschenden gehen sogar davon aus, dass durch Teile der Schlucht Schmelzwasser unter der Eisfläche in den Ozean fließt. Dieses Becken soll einst ein Fluss gewesen sein, der sich damals noch durch die eisfreie Landschaft wandt.
#2 Versteckte Berglandschaften
In der Vergangenheit wurden große Teile Grönlands immer wieder durch Radar kartografiert. Durch fortwährende Flüge wurde das Bild der Landschaft unter dem Eis somit immer deutlicher. Jetzt wissen Forschende: Unter den Eiswüsten Grönlands liegen ganze Bergketten verborgen.
Man entdeckte, dass das Zentrum Grönlands ein großes Tal ist, das von einem fast ununterbrochenen Gebirge umgeben ist. Durch das teils kilometerdicke Eis bleiben große Teile dieses Ringgebirges versteckt. Die so gewonnenen topographischen Daten nutzen Wissenschafter:innen, um die Fließgeschwindigkeit und Fließrichtung von Gletschern genauer vorherzusagen.
#3 Grönlands urzeitlicher See
Auch wenn es heute kaum noch vorstellbar ist, so muss die einst eisfreie Landschaft Grönlands von einem ausgedehnten See geprägt gewesen sein. Der Grund dieses liegt laut Angaben der Wissenschaftler:innen knapp 1,8 Kilometer unter der Eisoberfläche und soll bis zu 250 Meter tief gewesen sein. Im ganzen erstreckte sich der See auf einer Fläche von 7.100 Quadratkilometern.
Seit der Entdeckung dieses urzeitlichen Sees haben die Forschenden bis zu 18 Flussbetten im Norden wie im Süden der Insel nachgewiesen, aus denen der See gespeist wurde. Durch die Entdeckung können auch Rückschlüsse darüber getroffen werden, wie die einst eisfreie Arktis vor Millionen Jahren ausgesehen haben muss.
#4 Grönlands Flüsse aus Schmelzwasser
Sie waren schon immer Teil der Landschaft Grönlands, doch gerade durch den Klimawandeln werden Gletscherflüsse intensiv beoabchtet. Diese tragen glasklares Schmelzwasser über größere Distanzen mit sich und schneiden Schneisen in die Eisfläche.
Derzeit sind um die 60 dieser Flüsse gezählt worden, die sich meistens im Norden und und Osten der Insel befinden. Bedingt durch den Klimawandel schmilzt das Eis in den Polarregionen immer schneller ab. Die Gletscherflüsse führen somit immer mehr Schmelzwasser und beschleunigen diesen Effekt zusetzlich. Die Flüssen enden teils abrupt in Wasserfällen, die in tiefe Gletscherspalten stürzen.
Die Größe der Flüsse variiert hierbei deutlich: Die kleinsten von ihnen sind nicht länger als 200 Meter während andere Flussläufe mit bis zu 6 Kilometern Länge regelrechte Marker in der Landschaft sind. Sie entstehen durch das Schmelzen der obersten Eisschichten aufgrund von geothermalen Aktivitäten unter der Oberfläche. Doch auch die Verschiebung von Eisplatten soll für die Bildung solcher Flüsse ausschlaggebend sein.
#5 Grönlands Krater
Durch von NASA-Programmen gesammelte Daten aus den Jahren 1997 und 2014, und Flugradar-Daten von 2016, zeigt sich, dass unter der Eisfläche Grönlands vermutlich Krater existieren. Das geht aus einem Bericht hervor, der zwei Krater-ähnliche Gebilde genauer untersuchte.
Demnach finde sich der erste Krater etwas unterhalb des Hiawatha Gletschers. Er ist unter 930 Meter dicken Eisschicht begraben und misst 31 Kilometer im Durchmesser. Der zweite Krater liegt unter knapp zwei Kilometer Eis. Landschaftlich ist er von Bedeutung, weil er einen Durchmesser von 36 Kilometer aufweist. Damit zeugt er von einem der größeren Meteoriteneinschläge auf unserem Planeten.
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#6 Perfekt erhaltene Pflanzenfossilien
Es ist kein Geheimnis, dass Gletscher wie riesige Kühltruhen funktionieren, die teils organische Strukturen über Tausende Jahre einfrieren. Doch 2017 hätten Forschende nicht mit dem gerechnet, was sie in der verlassenen militärischen Einrichtung des Kalten Krieges gefunden hatten.
In einem Kühlschrank der verlassenen amerikanischen Atombombenbasis fanden Forschende pflanzliche Fossilien in einem nahezu perfekten Zustand. Überraschend war jedoch, dass diese Fossilien nicht mehrere Tausend Jahre alt waren, sondern ein paar Millionen.
Die Proben dieser Fossilien kamen aus einer Eisbohrung vom Nordwesten Grönlands, und beweisen, dass die Insel in prähistorischer Zeit eisfrei gewesen sein muss. Auch zeugen die Pflanzen davon, dass Grönland damals von Wäldern bedeckt war.
Bis heute verbirgt die karge Eisinsel im Nordatlantik so einige Geheimnisse, die die Forschung nach und nach zu Tage fördert. Die bisherigen Erkenntnissen scheinen die Wissenschaft zu ermutigen weiterhin nach verborgenen Orten im ewigen Eis zu suchen.
Quellen: Space.com, ScienceAdvances, LiveScience, AGU. Advancing Earth and Space Science