Seit Menschen gedenken ist die Telepathie als solche zwar nicht benannt, aber trägt in sich die größte Sehnsucht des Menschen: den Beweis des Übersinnlichen. Spätestens ab dem Ende des 19. Jahrhunderts ist der Glaube an Gedankenübertragung jedoch gesamtgesellschaftlich populär geworden. Heute versuchen Wissenschaftler:innen mit modernsten Mitteln diesem uralten Traum nachzuspüren.
Wie Telepathie Mainstream wurde
Die Telepathie beschreibt im Grund keine einzelne Fähigkeit. Telepathisch veranlagte Menschen haben laut Definition die Gabe, Gedanken, Gefühle oder sogar Befehle auf eine andere Person zu übertragen. Hinzu kommt, dass diese Fähigkeit oft auch den hypothetischen Ansatz der Gedankenübertragung beschreibt.
Der Essayist und Schriftsteller Frederic W. H. Myers prägte den Begriff im ausgehenden 19. Jahrhundert. Im Jahre 1882 gründete Myers zusammen mit Gleichgesinnten eigens dazu die Society for Psychical Research. Zum Wohle der Wissenschaft sollte hier ein Teilbereich der noch jungen Disziplin der Psychologie erforscht werden: der Parapsychologie.
Rückblickend war Myers ein Kind seiner Zeit. Im viktorianischen England hatten sich spätestens seit 1850 neben den etablierten Wissenschaften auch Pseudolehren in den bürgerlichen Salons etabliert. Das galt auch für die Telepathie. Im Zuge des enormen technischen Fortschritts dieser Zeit suchten viele Menschen einen spirituellen Zugang zur Welt.
Séancen wurden abgehalten, in denen Menschen den Kontakt zu längst Verstorbenen suchten. So kam es vor, dass Menschen in ihren Wohnzimmern den Rat großer Geister wie Shakespeare suchten. Die Schauergeschichten Edgar Allen Poes feierten große Erfolge und der Symbolismus wurde Zeitgeist.
Telepathie nahmen die Menschen damals anders war als heute. Die herbeigesehnte Gedankenübertragung bot einen Zugang fernab der rasanten Verhältnisse jener Tage. Einerseits war sie Zufluchtsort und entsprach andererseits doch dem vorherrschenden Fortschrittsoptimismus, dass der Mensch alles erreichen könne, was er sich nur in den Kopf setzt.
Grenzen und Möglichkeiten
Und doch soll es heute Wissenschaftler:innen geben, die an die Telepathie glauben. Wie chip.de schreibt, könnten Menschen mit bestimmten Eigenschaften zu einer solchen Gabe fähig sein. Interessanterweise besteht eine Eigenschaft darin, dass man an telepathische Fähigkeiten glauben müsse. Außerdem spiele Empathie, also emotionale Intelligenz, eine große Rolle.
Stille Orte, Meditationen, Yoga-Übungen, sogar das Einräuchern der Wohnung, wird empfohlen, um sich in jenen Geisteszustand zu versetzen, der Telepathie heißt. Das ist gar nicht mal so weit weg von jenen Beschreibungen, die aus dem 19. Jahrhundert bekannt sind.
Außerdem solle man laut Ratgebern auf sein Unterbewusstsein achten. Das Problem hierbei: Es braucht Jahre, um von seinem Bewusstsein Teile des komplexen Unterbewusstseins überhaupt nachzuvollziehen. Im Alltag (und in der Regel) bleiben uns diese Areale nicht umsonst verschlossen.
Vor allem für Menschen mit psychischen Erkrankungen sind solche Tipps nicht zu empfehlen, weil dadurch auch traumatisierende Bilder vergangener Erfahrungen ins Bewusstsein treten können.
Auch der Hinweis mit geschlossenen Augen zu visualisieren, imaginieren und autosuggerieren wird keine „telepathischen Fähigkeiten“ vom Himmel regnen lassen. Die Praxistipps bieten eher eine Anleitung für meditative Übungen, nicht aber für die sagenumwobene Telepathie.
Wie Forschung und Technik die Telepathie aufspürt
Dass die Telepathie in Zukunft möglich sein könnte, zeigt ein Blick in die Wissenschaft. Forschenden ist es bereits 2014 gelungen, die Gedanken eines Menschen aufzuzeichnen und via Mail in das Gehirn eines anderen Probanden zu transferieren.
In einem Experiment von 2014, das unter anderem vom Forscher Giulio Ruffini betreut wurde, interagierten elektromagnetische Impulse mit dem Gehirn. Ein in Indien lebender Proband dachte hierfür an die Worte „Hallo“ und „Tschüss“.
Dabei wurden die Gehirnströme mittels einer Elektroenzephalographie (EEG) erfasst. Der Kopf der Versuchsperson war hierbei mit Metallelektroden verbunden. Ein so im Computer erstellter Binärcode schickte dann diese „Gedanken“ via Mail nach Frankreich, wo sie eine zweite Person empfing.
Der Code wurde hierfür in eine sogenannte transkranielle Magnetstimulation umgewandelt. Die vom indischen Probanden erdachten Worte konnte die Versuchsperson in Frankreich anhand von Lichtblitzen am Randes seines Blickfelds erkennen und deuten. Das Experiment erzielte somit denselben Effekt wie eine Telepathie, hatte jedoch nichts mit übersinnlichen Fähigkeiten der Teilnehmenden gemein.
Kein Hexenwerk
Die Gedankenübertragung ist somit keine mystische Zauberkraft, die nur wenigen Menschen offensteht. Durch modernste Technik lassen sich bereits durch elektromagnetische Impulse rein theoretisch Signale an andere Menschen senden. Wie viel das mit jener Gedankenkraft zu tun hat, die Myers einst vorschwebte, bleibt jedoch abzuwarten.
Fakt ist, dass Telepathie auch ein Wunschdenken dafür ist, Kontrolle über sich und sein Umfeld zu erfahren. Ob sie wirklich hilfreich wäre, oder nicht doch eher einem Missbrauch zum Opfer fällt, kann niemand genau sagen. Durch neuste Technologien ist es uns aber bereits jetzt möglich, Einfluss auf das menschliche Gehirn zu nehmen.
So möchte Elon Musks Firma Neuralink bereits in diesem Jahr Gehirnchips für Menschen mit Rückenmarksleiden anbieten. Außerdem verrät ein Blick in die Nahe Zukunft, dass bestimmte Zukunftstechnologien den Weg ebnen könnten, eben jenes paranormale Erlebnis der Telepathie zumindest technisch zu ermögliche.
Quelle: chip, eigene Recherche, FAZ, YouTube | TEDxBCN – Giulio Ruffini