Rom, eine Stadt, die vor allem für ihre beeindruckende und komplexe Geschichte bekannt ist, hat durch einen archäologischen Fund ein dunkleres, weniger bekanntes Kapitel ihrer Vergangenheit beleuchtet. Es wurde eine Grube aus dem 16. Jahrhundert entdeckt, die offenbar zur Entsorgung von medizinischen Abfällen genutzt wurde.
Archäologischer Fund: Abfallgrube eines alten Krankenhauses
Der bizarre archäologische Fund war verborgen unter dem Caesarforum, dem ältesten der römischen Kaiserforen. Die dort entdeckten Reste einer Abfallgrube lassen sich zurück datieren auf das Jahre 1564. Sie wurden vom damaligen Krankenhaus Ospedale dei Fornari in Betrieb genommen wurde.
Die Grube, die das Team unter der Leitung von Cristina Boschetti von der dänischen Universität Aarhus ausgegraben hat, enthält eine faszinierende Vielfalt an Artefakten. Darunter befinden sich Glasgefäße, die vermutlich zum Sammeln von Urin verwendet wurden, keramische Medizinbehälter und persönliche Gegenstände wie Keramikfiguren.
Dieser überraschende archäologische Fund stammt aus der Zeit der Renaissance und gibt einen Einblick in die Geschichte der medizinischen Abfallentsorgung und ihre Rolle bei der Seuchenbekämpfung in einer bevölkerungsreichen Stadt wie Rom.
Den Zweck dieser Grube zu entschlüsseln, war jedoch nicht ganz einfach. „Die Bestimmung von medizinischen Deponien in archäologischen Kontexten kann eine Herausforderung sein, weil sie einen integrierten Ansatz erfordert, der Ausgrabungsdaten mit Materialstudien und detaillierten funktionalen Kontextanalysen kombiniert“, schreibt das Team.
Untersuchung von Urin war „zentrales Diagnoseinstrument“
Das Vorwissen der Forscher über eine ähnliche, 2009 ausgegrabene und untersuchte Deponie für medizinische Abfälle, die zum selben Krankenhaus gehörte, half, den Zweck dieser Grube zu verstehen. Unter den gefundenen Fragmenten befanden sich rund 1.200 Glasscherben, von denen man annahm, dass es sich um Reste von Urinkolben handelte, die in mittelalterlichen lateinischen Quellen als Matula bezeichnet wurden.
Diese Fläschchen spielten eine zentrale Rolle bei Diagnoseverfahren wie der Urinoskopie, die vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert verbreitet war. Die Beweise deuten darauf hin, dass diese Grube Teil eines Dekontaminationsverfahrens war.
„Im Mittelalter wurde die visuelle Untersuchung des Urins – die Urinoskopie – zu einem zentralen Diagnoseinstrument in der medizinischen Praxis und blieb es bis ins achtzehnte Jahrhundert erhalten“, schreiben die Forschenden über ihren archäologischen Fund. „Der Urin des Patienten wurde in ein Fläschchen gegossen, damit der Arzt seine Farbe, die Sedimentation, den Geruch und manchmal sogar den Geschmack untersuchen konnte.“
Strikte Dekontamination
Das Vorhandensein von verbranntem Holz entspricht den Krankenhausprotokollen aus dem 17. Jahrhundert, in denen empfohlen wurde, Möbel, Bettzeug, Geschirr und andere Gegenstände zu verbrennen, die mit Patienten in Kontakt gekommen waren, die an Infektionskrankheiten wie der Pest litten. Die Versiegelung der Zisterne mit Lehm deutet auf ein bewusstes Bemühen um absolute Eindämmung hin, was diese Hypothese weiter untermauert.
Dieser bemerkenswerte archäologische Fund unterstreicht die Notwendigkeit einer genaueren Untersuchung der antiken Maßnahmen zur Krankheitsbekämpfung, insbesondere in dicht besiedelten städtischen Zentren.
Bislang seien Fälle wie dieser nur sporadisch untersucht worden, erklärt das Team. „Folglich tragen die hier vorgelegten Belege wesentlich zu unserem Verständnis der Abfallbeseitigungspraktiken in der Renaissance bei und unterstreichen gleichzeitig die Notwendigkeit eines umfassenderen Überblicks über die Hygiene- und Krankheitsbekämpfungssysteme im frühneuzeitlichen Europa.“
Quellen: „Disease control and the disposal of infectious materials in Renaissance Rome: excavations in the area of Caesar’s Forum“ (Antiquity, 2023)
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