Trotz gängiger Annahmen sind arktische Gletscher Heimat für eine Fülle von mikroskopischen Lebewesen, insbesondere in Gebieten wie Grönland und Island. Diese Organismen, die während des Winters häufig inaktiv sind, werden mit der Sommerschmelze wieder lebendig.
Gletscher: „Ganzes Ökosystem“ entdeckt
Laut dem Mikrobiologen Alexandre Anesio kann eine Pfütze mit Schmelzwasser etwa 4.000 verschiedene Arten beherbergen, darunter Bakterien, Algen, Viren und mikroskopisch kleine Pilze. Das sei „ein ganzes Ökosystem, von dem wir bis vor kurzem nicht wussten, dass es existiert.“ Jüngste Untersuchungen, die im Mittel- bis Spätsommer an zwei Gletschern – einer in Island, der andere in Grönland – durchgeführt wurden, ergaben, dass mehr als die Hälfte der gefundenen Bakterien aktiv waren.
Die Studie ergab auch, dass diese mikrobiellen Gemeinschaften schnell auf Veränderungen der Eisschmelze reagieren können. Ruhende Mikroben erlangten innerhalb eines Tages nach dem Auftauen wieder die Fähigkeit, Gene abzulesen und Aminosäuren zu produzieren.
Schnelle Anpassungen dieser Organismen an den Klimawandel könnten ein gesamtes Ökosystem destabilisieren. Mit dem fortschreitenden Klimawandel werden die Erwärmung und die Niederschläge in der Arktis zunehmen, was einige Mikroben begünstigt, vor allem solche, die in matschigen Bedingungen gedeihen.
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Klimawandel beschleunigt Probleme
Eine solche Mikrobe, eine dunkelviolette Schneealge, ist im grönländischen Schmelzwasser weit verbreitet. Ihr Wachstum war in den letzten Jahren so stark, dass sich große Eisflächen durch die Algen dunkel verfärbt haben. Diese Verdunkelung führt zu einer erhöhten Absorption von Sonnenlicht und einer Beschleunigung der Schmelze um 20 Prozent. Das könnte zum Teil erklären, warum die tatsächliche Geschwindigkeit der Gletscherschmelze in Grönland die Modellvorhersagen übersteigt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler argumentieren, dass diese gletscherbewohnenden Mikroorganismen in der Lage sind, auf kurzfristige Schmelzereignisse zu reagieren, die sich über Stunden bis Tage erstrecken und das Funktionieren der gletscherbewohnenden Ökosysteme und biogeochemischen Kreisläufe erheblich beeinflussen.
Die zunehmende Erwärmung im Winter, die aufgrund des Klimawandels für die Zukunft vorhergesagt wird, könnte erhebliche ökologische Veränderungen in den Gletschern auslösen. Die Zukunft von Schnee und Eis in der Arktis sieht also nicht nur düster aus, sie ist es buchstäblich.
Quellen: Aarhus University; „Active and dormant microorganisms on glacier surfaces“ (Geobiology, 2023)
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