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Rätselhaftes Virus erstaunt selbst Forscher: „Hätte niemand vorhersehen können“

Ein 2020 erstmals entdecktes Virus hängt sich an andere Viren und hinterlässt wie eine Art Vampir „Bissspuren“. Forschende sind fasziniert.

Illustration eines Virus
© CREATIVE WONDER - stock.adobe.com

Sind Viren Lebewesen?

Die Antwort auf die Frage "Sind Viren Lebewesen?" ist nicht einfach.Zwei Merkmale fehlen ihnen, um als lebendig eingeordnet zu werden: Der Stoffwechsel und die selbstständige Vermehrung.

Die Forscherin Tagide deCarvalho fand im März 2020 etwas, das ihrer Meinung nach in der Wissenschaft noch nicht entdeckt wurde: ein Virus, an dessen „Hals“ sich ein anderes, kleineres Virus festhielt. Letzteres beschäftigt Forschende bis heute.

Neues Virus verhält sich wie „Vampir“

Wie die Washington Post berichtet, handelt es sich bei den beiden Mikroben um Bakteriophagen (auch Phagen genannt), also um Viren, die Bakterien infizieren. Aufgefunden hatte man sie in einem Erdklumpen. Phagen gehören zu den am häufigsten vorkommenden Organismen auf der Erde. In einem Gramm Erde können Millionen davon existieren.

Während deCarvalho, die die Keith R. Porter Imaging Facility an der University of Maryland in Baltimore County (UMBC) leitet, die Probe mit einem speziellen Elektronenstrahl-Mikroskop analysierte, wurde sie Zeugin eines ungewöhnlichen Momentes: „Ich konnte sehen, dass buchstäblich Hunderte von ihnen [den Viren] diesen kleinen Kerl am Hals trugen, und das war eindeutig kein Zufall“.

„Wir wissen, dass Viren einige erstaunliche, interessante Dinge tun können. Aber dies ist nur eine weitere neue Sache, die niemand hätte vorhersehen können“, erklärt die Forscherin. Ihre bisherigen Erkenntnisse dazu, wie das Virus entstanden sein könnte, veröffentlichte sie Ende Oktober 2023 im Journal of the International Society for Microbial Ecology.

Lesetipp: Neues Virus im Ozean hat niemand zuvor gesehen

Dieses Verhalten hat niemand vorhergesehen

Besonders interessant: Demnach hat die kleine Phage (es wird als „MiniFlayer“ bezeichnet) die Fähigkeit verloren, Kopien von sich selbst in den Zellen zu erstellen. Da dieses Verhalten für die Vermehrung von Viren notwendig ist, führte die Evolution zu einem alternativen Weg. MiniFlayer benutzt ein anderes Virus („MindFlayer“), indem es sich an dessen Hals festhält. Wenn sie gemeinsam in Zellen eindringen, verwendet MiniFlayer die genetische Maschinerie seines Partners, um sich zu vermehren.

Ivan Erill, ein Computerbiologe an der UMBC, vergleicht das Verhalten mit dem eines Vampirs, der seine Zähne in seine Beute versenkt. Zwar sei es keine perfekte Analogie, manchmal jedoch, so Erill, finde man aber „Bissspuren“ an den Stellen, wo die Ranken von MiniFlayer angebracht waren.

„Viren sind zu allem fähig. Sie sind die kreativste Kraft der Natur“, erklärt Erill weiter. „Wenn etwas möglich ist, werden sie einen Weg finden, es zu tun. Aber niemand hat damit gerechnet, dass sie so etwas tun würden.“

Quellen: Washington Post; „Simultaneous entry as an adaptation to virulence in a novel satellite-helper system infecting Streptomyces species“ (Journal of the International Society for Microbial Ecology, 2023)

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