In letzter Zeit kam es in Italien immer wieder zu vermehrten kleineren bis mittleren Erdbeben, wie das vulkanologische Institut INGV (Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia) dokumentiert. Epizentrum sind die Phlegräischen Felder in der Nähe von Neapel, die oftmals auch als Supervulkan bezeichnet werden. Bei den Beben habe es laut dem italienischen Zivilschutz keine Schäden oder Verletzten gegeben. Dafür wächst aber die Panik unter den Bewohner*innen. Nun wollen Forscher*innen Klarheit über die wirklichen Risiken schaffen.
Supervulkan: Ausbruch ist „realistische Möglichkeit“
Die Phlegräischen Felder sind ein riesiges Vulkanfeld. Dessen Fläche ist mehr als 200 Quadratkilometer groß und liegt zu zwei Dritteln unter dem Wasser des Mittelmeers. Zudem leben knapp 400.000 Menschen in der betroffenen Region. Der Supervulkan ist seit 1950 immer öfter in Unruhe und wird deswegen schon seit längerem von verschiedenen Forschungsteams genau beobachtet.
In den letzten Jahrzehnten hob sich der Boden um fast fünf Meter, was auf eine vermehrte vulkanische Aktivität hindeutet. So heißt es in einer Studie im Fachjournal Scientific Reports, die Region sei seit 2005 vom bradyseismischen Phänomen betroffen, die Bodenhebungen, Erdbeben und Rauchentwicklungen verursachen. Das Wort Bradyseismos entstammt dem griechischen und heißt so viel wie “langsame Bewegung“. Damit bezeichnet man ein sehr langsames Erdbeben. Stufenweise hebt und senkt sich dann ein Teil der Erdoberfläche.
Das Phänomen ist typisch für die Zone der Phlegräischen Felder. Denn die Magmakammer unter dem Supervulkan füllt und leert sich regelmäßig. Nun häufen sich diese Ereignisse immer öfter, vor allem auch im letzten Sommer. Damals veröffentlichten Wissenschaftler*innen eine weitere Studie zu diesem Thema, in der es heißt: „Der Vulkan ist seit 1950 unruhig. Er brach zuletzt 1538 nach einem Abstand von etwa 3000 Jahren aus. Frühere Intervalle waren so kurz wie Jahrzehnte oder Jahrhunderte, so dass eine Rückkehr zum Ausbruch nach fast 500 Jahren eine realistische Möglichkeit ist.“
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Video-Simulation verbreitet Panik unter der Bevölkerung
Nach den vermehrten Aktivitäten im Erdreich im letzten Sommer hatte sich die Region zunächst wieder beruhigt. Jedoch kam es dort im gesamten April und vor allen auch in den letzten Tagen immer öfter zu kleineren und mittleren Erdbeben, wie das das italienische vulkanologische Institut dokumentiert.
Die INGV sah sich letztlich gezwungen, eine öffentliche Erklärung über die Gefahren, die vom Supervulkan ausgehen, zu veröffentlichen. Das lag aber nicht unbedingt an den zunehmenden seismischen Aktivitäten rund um das Vulkanfeld, sondern vor allem an der immer größer werdenden Panik in der Bevölkerung. Diese wird vor allem durch eine Video-Simulation des Schweizers Fernsehens befeuert.
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Italien hat Evakuierungspläne überarbeitet
In der Video-Dokumentation, die heute nicht mehr zugänglich ist, wurde laut dem INGV, der maximal mögliche Ausbruch des Supervulkans mit bedrückenden Animationen simuliert. Darin verschwand ganz Neapel brennend und nach einem Regen von Lavabomben unter einer dicken Ascheschicht.
Das INGV kritisiert diese in einer offiziellen Pressemitteilung scharf und stellte klar: „Dies sind Informationen, die nicht auf Daten basieren und die alle wichtigen wissenschaftlichen und planerischen Aktivitäten völlig ignorieren, bei denen Wissenschaftler und Katastrophenschutz nach bestem Wissen und Gewissen Seite an Seite gearbeitet haben und immer noch arbeiten. „
So können die Wissenschaftler*innen einen möglichen Ausbruch des Supervulkans in nächster Zeit zwar nicht gänzlich ausschließen und arbeiten bereits in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden der Region um den Supervulkan an Evakuierungsmaßnahmen. Auch Sanierungen an wichtiger Infrastruktur sollen die Erdbebensicherheit erhöhen. Das sind aber eher allgemeine Maßnahmen und würden nun von verschiedenen Medienhäusern falsch interpretiert, so das INGV. Dabei betonen die Forscher*innen noch einmal, dass das Risiko einer Eruption, wie sie im Video gezeigt wurde „sehr gering“ ist.
Quelle: Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia, „Potential for rupture before eruption at Campi Flegrei caldera, Southern Italy“ (communications earth & environment, 2023), Statistics of seismicity to investigate the Campi Flegrei caldera unrest (scientfic reports, 2021)
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