Wer im Biologieunterricht ein wenig aufgepasst hat, ist mit dem Konzept der Photosynthese vertraut: Pflanzen nehmen Sonnenlicht, Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser auf und erzeugen im Gegenzug Glucose und Sauerstoff – in groben Zügen erklärt. Doch wie läuft dieser Prozess in der Tiefsee ab, wo kein Sonnenlicht eindringt? Bisherigen Annahmen zufolge schien es dort nicht zu funktionieren. Überraschenderweise haben Forscher jedoch nun Sauerstoff genau an diesen Stellen entdeckt.
Sauerstoff in der Tiefsee?
„Man ist vorsichtig, wenn man etwas sieht, das im Widerspruch zu dem steht, was geschehen sollte“, erklärte Andrew Sweetman, Co-Autor der Studie und Professor an der Scottish Association for Marine Science und Leiter der Gruppe für Meeresbodenökologie und Biogeochemie der Einrichtung gegenüber CNN.
Die Studie seines Teams, die am 22. Juli im Fachmagazin Nature Geoscience vorgestellt wurde, stellt nun die lange gehegte Annahme in Frage und fand heraus, dass Sauerstoff in der Tiefsee wohl auch ohne Photosynthese entstehen kann.
„Wir haben auf dem Planeten eine andere Sauerstoffquelle als die Photosynthese“, ergänzte Sweetman in einer Pressemeldung von Nature.
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Fehler der Technik wird zum Naturphänomen
Die Forschenden stießen auf dieses Phänomen in einer Region, die mit polymetallischen Knollen übersät ist. Es wird vermutet, dass diese die Spaltung von Wassermolekülen katalysieren und so bei der Sauerstoffproduktion in der Tiefsee eine Rolle spielen könnten. Bereits 2013 stießen die Wissenschaftler*innen darauf, dass etwas nicht stimmte. Sie untersuchten das Ökosystem der Clarion-Clipperton-Zone zwischen Hawaii und Mexiko – ein Gebiet größer als Indien.
Normalerweise werde Sauerstoff über ein sogenanntes „globales Förderband“ durch die Meere der Welt transportiert. Größtenteils aus dem Nordatlantik ströme das lebenswichtige Element in die Tiefsee. Bei diesem Phänomen würden die Instrumente aber eine Zunahme und bald darauf eine Abnahme der Sauerstoffkonzentration anzeigen.
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In den Untersuchungen der Clarion-Clipperton-Zone hingegen bemerkten die Forschenden, dass das Wasser im Verlauf nicht sauerstoffärmer, sondern reicher wurde. Was Sweetman 2013 zunächst als Fehler bei der Technik bewertete, konnte er bei neuen Messungen mit alternativen Methoden in den Jahren 2021 und 2022 bestätigen. „Mir wurde plötzlich klar, dass ich diesen möglicherweise erstaunlichen neuen Prozess 4.000 Meter tief auf dem Meeresboden acht Jahre lang ignoriert hatte“, sagt Sweetman.
Fragen über Fragen
Die Beobachtung über Sauerstoff in der Tiefsee sei „faszinierend“, sagt Donald Canfield, Biogeochemiker an der Süddänischen Universität in Odense. „Aber ich finde sie frustrierend, weil sie viele Fragen aufwirft und nicht viele Antworten liefert.“ Die Ergebnisse der Studie könnten sich laut Nature auf unser Verständnis der Entstehung des Lebens auswirken und den Tiefseebergbau der Region in Frage stellen.
Quellen: Evidence of dark oxygen production at the abyssal seafloor (2024, Nature Geoscience); CNN; Nature