Es gibt eine ganze Reihe von Theorien darüber, wie das Leben auf der Erde begann. Eine davon besagt, dass es vor Milliarden von Jahren in der Nähe hydrothermaler Quellen in den Ozean entstanden ist. Nun hat ein Forschungsteam solche auf dem Grund der Tiefsee untersucht. Dabei sind sie laut eigenen Aussagen zu unerwarteten Erkenntnissen über den Ursprung des Lebens gelangt.
Hydrothermale Quellen in der Tiefsee
Wenn Meerwasser durch Risse im Meeresboden tief in die Erde sickert, wird es durch Magma erhitzt. Dadurch steigt es an die Oberfläche und wird durch Spalten wieder ins Meer freigesetzt. Diese Spalten werden hydrothermale Quellen genannt. Nun haben Forscher*innen anorganische Nanostrukturen rund um hydrothermale Quellen in der Tiefsee entdeckt, die verblüffende Ähnlichkeit mit Molekülen aufweisen, die das Leben, wie wir es kennen, ermöglichen.
„Hydrothermale Quellen gelten als Geburtsstätte des Lebens auf der Erde, da sie die notwendigen Bedingungen bieten: Sie sind stabil, mineralreich und enthalten Energiequellen,“ heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung des RIKEN Center for Sustainable Resource Science in Japan, dessen Forscher*innen an der neuen Studie beteiligt waren.
Diese Nanostrukturen fungieren zudem als selektive Ionenkanäle, die Energie erzeugen, die in Form von Elektrizität genutzt werden kann. Damit beeinflussen die vor Kurzem in Nature Communications veröffentlichten Erkenntnisse nicht nur unser Verständnis der Entstehung des Lebens, sondern können auch zur industriellen Gewinnung blauer Energie genutzt werden.
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Proben aus dem Marianengraben
Denn ein Großteil des Lebens auf der Erde beruht auf osmotischer Energie, wie die Forscher*innen in der Pressemitteilung schreiben. Diese wird durch Ionengradienten erzeugt. Ionengradient bezeichnet, dass auf zwei Seiten einer Grenze, wie zum Beispiel der Zellwand, unterschiedlich viele geladene Teilchen (Ionen) vorhanden sind. Auf der einen Seite sind mehr, auf der anderen Seite weniger. Der Prozess, der ausgeführt wird, um die Anzahl der Ionen wieder ins Gleichgewicht zu bringen, nennt sich Osmose. Dabei wird Energie freigesetzt.
Die Forscher*innen untersuchten Proben, die aus dem Shinkai-Seep-Feld im Marianengraben im Pazifischen Ozean in einer Tiefe von 5.743 m entnommen wurden. Dabei haben sie herausgefunden, dass dieser Prozess nicht nur bei Lebewesen vorkommt, sondern auch bei unbelebten, also abiotischen, Elementen der Natur vorkommt.
Diese Erkenntnis stellte eine wahre Überraschung für die Wissenschaftler*innen dar. „Unerwarteterweise entdeckten wir, dass die Umwandlung osmotischer Energie, eine lebenswichtige Funktion im modernen Pflanzen-, Tier- und Mikrobenleben, in einer geologischen Umgebung abiotisch erfolgen kann“, erklärt Ryuhei Nakamura, der die Forschung leitete.
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Neues Potenzial zur Energiegewinnung
„Die spontane Bildung von Ionenkanälen, die in hydrothermalen Tiefseequellen entdeckt wurden, hat direkte Auswirkungen auf die Entstehung des Lebens auf der Erde und darüber hinaus“, fügt Nakamura hinzu. Doch auch die Energiegewinnung auf unserem Planeten könnte von den neuen Erkenntnissen profitieren.
Denn industrielle Kraftwerke nutzen Salzgehaltsgradienten zwischen Meer- und Flusswasser zur Energieerzeugung. Der Prozesse wird auch als „Blue Energy Harvesting“ bezeichnet. Laut Nakamura könnte das Verständnis, wie die Nanoporenstruktur in den hydrothermalen Quellen der Tiefsee spontan entstehen, dabei helfen, bessere synthetische Methoden zur Erzeugung elektrischer Energie durch osmotische Umwandlung zu entwickeln.
Quelle: „Osmotic energy conversion in serpentinitehosted deep-sea hydrothermal vents“ (Nature Communications 2024), RIKEN Center for Sustainable Resource Science
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