Mit der Ostsee verbinden die meisten von uns wohl eher idyllische Sandstrände und ihren nächsten Sommerurlaub. Doch das Binnenmeer hat noch weit mehr zu bieten als Freizeit, Spaß und Erholung. Denn eine neue Entdeckung im Ostseewasser könnte vor allem für die Medizin einen wichtigen Fortschritt bedeuten.
Ostsee: Forscher*innen untersuchen Bakterien im Wasser
Wissenschaftler*innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel haben die Lebensbedingungen in der Ostsee genau untersucht. Dabei haben sie sich vor allem auf ein Gebiet in Meer konzentriert, das die meisten Strandurlauber*innen wohl eher als lästig empfinden, nämlich die zahlreichen Seegraswiesen.
Dabei sind diese für das Ökosystem überaus wichtig. Denn „Seegraswiesen sind nicht nur Kinderstube für Fische, Küstenschützer und CO2-Speicher“, wie es in der offiziellen Pressemitteilung des GEOMAR heißt, sondern Forschungsergebnisse zeigen auch, dass sie sehr effektiv Krankheitserreger im Meer reduzieren. Dies beschreiben die Wissenschaftler*innen in einer Studie im Fachjournal Science of The Total Environment.
Dabei analysierten sie mikrobielle Gemeinschaften, die auf Ostsee-Seegras leben und stellten fest, dass insbesondere Bakterien auf gesunden Pflanzen stark antibiotisch wirken. Dr. Deniz Tasdemir, Professorin für marine Naturstoffchemie und Hauptautorin der Studie erklärt: „Die Beseitigung von Krankheitserregern aus dem Wasser ist ein sehr komplexes Phänomen, das physikalische, mikrobiologische, biologische und chemische Mechanismen umfasst.“
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Übertrifft kommerzielle Antibiotika
Die Forscher*innen untersuchten dabei vor allem das kultivierbare Mikrobiom von Zostera marina, einer in der Ostsee weit verbreiteten Seegrasart. Dieses setzten sie dann gegen eine große Zahl von aquatischen, menschlichen und pflanzlichen Krankheitserregern ein. Darunter führt sie auch Tests mit denen vor allem im Sommerurlaub gefürchteten Vibrio-Arten durch. Diese können schwere Krankheiten und sogar den Tod verursachen, wenn sie durch nicht korrekt zubereitete Meeresfrüchte oder Hautschäden beim Planschen im Wasser auf den Menschen übertragen werden.
Dabei zeigte sich, dass vor allem Bakterien von gesunden Blattoberflächen des Seegrases eine starke und breit wirksame antibiotische Aktivität aufweisen. In einigen Fällen würde diese sogar kommerzielle Antibiotika übertreffen. „Für uns ist das nur die Spitze des Eisbergs. Wir arbeiten jetzt in einem internationalen Team intensiv an weiteren chemischen und mikrobiombezogenen Mechanismen und wie sie zur Hygienewirkung von Seegräsern im Labor und im Meer beitragen können“, so Tasdemir.
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„Auch an der deutschen Ostsee ein hohes Gesundheitsrisiko“
Denn zusätzlich zu den bekannten antimikrobiellen Verbindungen entdeckte das Team in diesen Bakterien zahlreiche neue Verbindungen. Diese neuen Moleküle sollen im nächsten Schritt isoliert, ihre chemische Struktur identifiziert und ihr Potenzial als zukünftige Antibiotika bewertet werden.
Das sei vor allem im Angesicht des Klimawandels ein wichtiger Schritt. Denn laut den Forscher*innen erhöht sich aufgrund der Erwärmung der Meere in den Sommermonaten die Belastung der Küstengewässer mit Krankheitserregern wie Vibrionen. Eine Gefahr, die auch beim nächsten Strandurlaub nicht unterschätzt werden sollte.
„Dies stellt auch an der deutschen Ostsee ein hohes Gesundheitsrisiko dar. Die erregerregulierende Wirkung von Seegraswiesen wird daher für die Gesundheit der Meere und des Menschen immer wichtiger. Darüber hinaus birgt das Mikrobiom der Seegräser ein großes Potenzial für die Entdeckung neuer Antibiotika, was im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen von enormer Bedeutung ist“, wie GEOMAR in der Pressemitteilung betont.
Quelle: „Epiphytic and endophytic microbiome of the seagrass Zostera marina: Do they contribute to pathogen reduction in seawater?“ (Science of The Total Environment 2024), GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
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