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„Hier sind die Geister“: Archäologischer Fund stellt Forscher 11.000 Jahre alte Rätsel

Funde aus der Archäologie offenbaren nicht nur historische Fakten. Sie öffnen auch längst vergessene spirituelle Welten.

Felsmalereien in San José del Guaviare, Kolumbien
© Jhampier - stock.adobe.com

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Die Serranía De La Lindosa in Kolumbien ist Heimat einer der beeindruckendsten Sammlungen uralter Felskunst weltweit. Über sechs Fundstätten verteilt finden sich zehntausende Ocker-Malereien, von denen einige mehr als 11.000 Jahre alt sind. Die archäologischen Funde zeigen Menschen, Tiere, Pflanzen und geometrische Muster.

Nachfahren beurteilen archäologische Funde

Die Kunstwerke sind mehr als nur Abbilder der Umwelt – sie spiegeln die spirituellen Überzeugungen und das Weltbild der indigenen Gemeinschaften der Region wider. Forschende aus Kolumbien und dem Vereinigten Königreich haben zusammen mit lokalen Ältesten diese Motive dokumentiert, nachdem politische Unruhen und schwer zugängliches Gelände den Zugang über Jahrzehnte verhindert hatten.

„Indigene Nachfahren der ursprünglichen Künstler haben uns kürzlich erklärt, dass die Felskunstmotive hier nicht einfach nur ‚widerspiegeln‘, was die Künstler in der ‚realen‘ Welt sahen“, erklärte Professor Jamie Hampson, Archäologe im Fachbereich Geistes- und Sozialwissenschaften der University of Exeter.

Die archäologischen Funde würden wichtige Informationen darüber kodieren, wie animistische und perspektivistische indigene Gemeinschaften ihre ritualisierten, soziokulturellen Welten konstruierten, sich mit ihnen auseinandersetzten und sie aufrechterhielten. Man müsse die Motive „aus schamanischer Sicht betrachten“, zitierte Hampson einen Spezialisten für Matapí-Rituale.

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Dialog mit dem Jenseits

Szenen, in denen Menschen sich in Tiere verwandeln oder mit Pflanzen verschmelzen, zeigen eine animistische Weltanschauung, in der alles miteinander verbunden ist. Diese Bilder dokumentieren spirituelle Verhandlungen, die das Leben der Menschen tiefgreifend beeinflusst haben. Sie sind ein Ausdruck der heiligen Verbindung zwischen Mensch, Natur und den Geistern.

In den Erzählungen der Indigenen spielen Waldgeister eine zentrale Rolle. Sie wachen über die Tiere und bestimmen, wann und wie gejagt werden darf. Um sich die Gunst dieser Geister zu sichern, malten sie bestimmte Tiere oder Symbole auf Felswände. Diese Malereien waren keine bloße Dekoration, sondern Teil eines rituellen Dialogs mit den Geistern. Auch Mischwesen wie Vogel-Menschen oder Jaguarschaman*innen tauchen in den Darstellungen auf und verkörpern die Verbindung zwischen den Welten.

Besonders Jaguare haben eine herausragende Bedeutung. Sie gelten nicht nur als mächtige Tiere, sondern auch als spirituelle Begleiter von Schaman*innen. Sie stehen an der Schwelle zwischen Leben und Tod, zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Geister. In einigen Sprachen der Region gibt es ein Wort, das sowohl „Jaguar“ als auch „Schamane“ bedeutet. Diese Verbindungen zeigen, wie tief verwurzelt diese Symbole in der spirituellen Kultur der Indigenen sind.

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„Hier sind die Geister“

Die enge Zusammenarbeit zwischen den Forschenden und den indigenen Ältesten sei Hampson zufolge entscheidend gewesen, um die Felsmalereien richtig zu verstehen. Durch die Erzählungen der Ältesten wurde deutlich, welche Bedeutungen hinter den einzelnen Motiven stecken. Diese Zusammenarbeit hat es ermöglicht, die Kunstwerke nicht nur als historische Artefakte zu betrachten, sondern als lebendigen Ausdruck einer heiligen Tradition.

„Wie würdest du dort oben malen“, fragte Victor Caycedo, ein Ältester der Desana, der das Team in den Jahren 2022 und 2023 zu den Fundorten begleitete. „Wie würdest du das machen? Sie haben es nicht mit einer Leiter gemacht… Sie haben es nicht mit irgendwelchen großen Geräten gemacht, die dort aufgestellt wurden… Warum? Weil die Indigenen damals spirituell lebten… Sie waren ein Geist…“

Doch die Zukunft dieser heiligen Stätten ist ungewiss. Der Tukano-Älteste Ismael Sierra sorgt sich darum, wer die Malereien und ihre spirituelle Bedeutung bewahren wird, da viele Menschen aufgrund von Konflikten ihre Heimat verlassen mussten. „Diejenigen, die sich um dich kümmern, sind die Geister… Niemand glaubt daran, aber hier sind die Geister… Wir glauben, weil mein Vater einer von denen war [Ritualspezialisten], die mit diesen Wesen hier in Kontakt standen.“ Die archäologischen Funde bleiben ein wertvolles Erbe, das bewahrt werden muss.

Quellen: „‘A World of Knowledge’: Rock Art, Ritual, and Indigenous Belief at Serranía De La Lindosa in the Colombian Amazon“ (Arts, 2024); University of Exeter

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