Die Eisschmelze in der Antarktis schreitet weiter voran. Ein Prozess, der von zahlreichen Wissenschaftler*innen mit großer Sorge beobachtet wird. Dabei gab es immer wieder Ideen, diesen durch menschliches Eingreifen zu verlangsamen oder gar ganz zu stoppen. Ein Plan sieht dazu eine riesige Konstruktion unter Wasser. Doch gerade dieser steht nun heftig in der Kritik.
Unterwasservorhänge in der Antarktis
Da das Eis in den Polarregionen in Rekordgeschwindigkeit verschwindet, hat ein Forschungsteam Anfang des Jahres eine drastische Idee vorgeschlagen, um das Schmelzen zu verlangsamen. Die Errichtung riesiger Unterwasservorhänge in der Nähe von Gletschern, um diese vor warmem Wasser zu schützen. Darunter auch der Pine Island- und Thwaites-Gletscher in der Antarktis.
Vor allem letzterer ist auch als „Doomsday Glacier“, also als Gletscher des Jüngsten Gerichts, bekannt. Denn dessen Zusammenbruch könnte eine Kettenreaktion nach sich ziehen, die potenziell zu einem verheerenden Anstieg des Meeresspiegels führen würde. Das würde Küstenmetropolen und Millionen Menschen weltweit bedrohen.
So gut die Idee der Unterwasservorhänge also gemeint ist, könnte sie jedoch auch enorm viel Schaden anrichten. Das haben zwei Forscher in einer vor Kurzem erschienen Studie aufgezeigt. Darin schreiben sie, dass so eine Konstruktion „mit erheblichen, aber unvorhersehbaren technischen und ökologischen Risiken verbunden“ wäre.
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„Schauplatz oder Gegenstand internationaler Zwietracht“
Dabei argumentieren Professor Akiho Shibata und Doktor Patrick Flamm vor allem aus einer politischen Perspektive. Denn Bauvorhaben wie diese könnten zu bisher ungeahnten Konflikten führen. So befürchten die Forscher, dass das Projekt die Antarktis zum „Schauplatz oder Gegenstand internationaler Zwietracht“ machen würde.
In einer offiziellen Pressemitteilung der Kobe Universität warnen sie daher davor, dass „in der wissenschaftlichen Debatte der politische Aspekt entweder völlig ignoriert oder gefährlich heruntergespielt wurde“. Denn die Antarktis ist ein staatsfreies Gebiet und untersteht einem besonderen völkerrechtlichen Vertragssystem, das die internationalen Beziehungen auf diesem Kontinent und seine Nutzung durch die internationale Gemeinschaft regelt. Kern des Vertragssystems ist der Antarktisvertrag (AV) von 1959, der 1961 in Kraft trat, wie das Auswärtige Amt mitteilt. Zu diesem gehört auch die Bundesrepublik Deutschland.
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Verschiebung von Machtverhältnissen
Konstruktionen wie die Unterwasservorhänge könnte genau dies infrage stellen. Denn zunächst stellt sich zum Beispiel die Frage, wer in der Lage ist, über die Umsetzung eines solchen Projekts zu entscheiden. Dies könnte die Machtverhältnisse in dem Gremium, das den Zugang zur Antarktis regelt, entscheidend beeinflussen.
Im Mittelpunkt der Bedenken stehen daher die Auswirkungen auf bestehende und ruhende Gebietsansprüche in der Antarktis. Shibata fasst zusammen: „Dieses Papier wirft Licht auf die politischen und rechtlichen ‚Schatten‘, die sich hinter der aufregenden Oberfläche von Wissenschaft und Technologie verbergen. Wir glauben jedoch, dass es für die Mitglieder der Gesellschaft notwendig ist, Entscheidungen über die Entwicklung dieser Technologien auf der Grundlage eines gründlichen Verständnisses dieser negativen Aspekte zu treffen.“
Quellen: Auswärtiges Amt, Kobe University, „‘Ice sheet conservation’ and international discord: governing (potential) glacial geoengineering in Antarctica“ (International Affairs 2024)
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