Nicht nur in der Antike, sondern auch im Frühmittelalter kam es immer wieder vor, dass Menschen zusammen mit kostbaren Beigaben bestattet wurden. Ein archäologischer Fund in England zeigt, dass diese manchmal einen ungewöhnlichen Ursprung haben können.
Archäologischer Fund in englischer Grafschaft
So wurde bei Ausgrabungen in Scremby in der Grafschaft Lincolnshire ein vollständig emaillierter Trinkbecher in einer Bestattung aus dem 6. Jahrhundert nach Christus zutage gefördert. Dieser ist jedoch einige Jahre älter als das Grab, in dem er entdeckt wurde. Der archäologische Fund soll nämlich bereits aus der römischen Antike stammen. Das berichtet ein Forschungsteam in einer Studie mit dem klangvollen Namen „Vom römischen Tisch zum angelsächsischen Grab: Eine archäologische Biografie des Scremby Cup“, die im European Journal of Archaeology veröffentlicht wurde.
Darin heißt es, dass das Vorhandensein von römischem Material in frühen angelsächsischen Gräbern in England zwar gut dokumentiert sei. Doch „ein solches römisches Gefäß ist nicht nur ein sehr seltener Fund, sondern auch seine Einbettung in ein frühmittelalterliches Grab macht es zu einem einzigartigen Beispiel für die Wiederverwendung eines antiken Objekts in einem Bestattungskontext.“
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Weitere Grabbeigaben entdeckt
Der Komplex in Lincolnshire besteht aus über neunundvierzig reich ausgestatteten Grabstätten. Sie alle fanden zwischen etwa 480 und 540 nach Christus statt. Obwohl auch in anderen Gräbern einige Fragmente römischen Materials vorhanden waren, war die Entdeckung eines vollständigen und noch verwendbaren Bechers ein überaus seltenes Ereignis, wie die Forscher*innen mitteilen. Gefunden wurde dieser im Grab einer Frau, das noch aufgrund weiterer Faktoren ungewöhnlich war.
Denn dieses war im Vergleich zu den anderen Frauenbestattungen in Scremby ungewöhnlich spärlich möbliert. Es enthielt keine Perlen, keinen Gürtel oder eine Tasche, wie es sonst üblich ist. Die einzigen anderen Artefakte waren zwei einfache ringförmige Broschen und ein Paar schlichte Handgelenkspangen.
Der Becher selbst weist hingegen Spuren von reichen Verzierungen auf. Den Forscher*innen ist es anhand von moderner Analysen sogar gelungen, vorsichtige Schlussfolgerungen über den genauen Ursprung des Scremby Cups und seine spätere Funktion zu ziehen.
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Suppenschüssel oder Kosmetikbehälter?
Dazu haben sie vergleichbare Becher, die zuvor in Frankreich gefunden wurde, zu Rate gezogen. So heißt es in der Studie: „Wenn man der Assoziation zweier französischer Exemplare mit Münzen aus der Zeit um 260 bis 70 nach Chritus trauen kann, kann man vorläufig ein Herstellungsdatum um das dritte Viertel des dritten Jahrhunderts [nach Christus] annehmen.“
Zur Zeit seiner Herstellung wurde der Becher wahrscheinlich in erster Linie als Trinkgefäß verwendet. Analysen haben nun ergeben, dass er Reste von Schweinefett aufweist. So hat der Becher wohl auch in späterer Zeit eine aktive Rolle als Behälter gespielt. Doch diesmal wohl eher für Essen als für Getränke. Das „Überleben von Schweinefett könnte auf den ersten Blick auf das Vorhandensein eines besonders fleischreichen Eintopfs schließen lassen“, so die Forscher*innen.
Aber noch ein zweiter Verwendungszweck des archäologischen Fundes scheint möglich. Denn die Analyse des Inhalts eines römischen Behälters aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus aus London zeigte die Verwendung von Fetten von Wiederkäuern bei der Zubereitung dessen. Diese wurde bisher als „Feuchtigkeitscreme“ interpretiert. Damit könnte es sich bei dem Scremby Cup auch um einen uralten Kosmetikbehälter handeln.
Quelle: „From Roman Table to Anglo-Saxon Grave: An Archaeological Biography of the Scremby Cup.“ (European Journal of Archaeology 2024)
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