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Schlimmer als Abgase? Feinstaub-Studie zieht vernichtendes Urteil

Etliche Schadstoffe sind der Forschung bereits bekannt. Allerdings gibt es auch altbekannte Partikel, deren gesundheitliche Auswirkungen bislang verborgen blieben.

Autos stehen im Stau
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Luftverschmutzung ist eine der größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit und verursacht jedes Jahr Millionen vorzeitiger Todesfälle. Während die Maßnahmen zur Reduzierung der Fahrzeugabgase Erfolge zeigen, tritt eine andere unsichtbare Gefahr immer mehr in den Vordergrund: Bremsstaub. Eine aktuelle Studie legt nahe, dass Feinstaub aus Bremsabrieb – insbesondere von kupferhaltigen Bremsbelägen – schädlicher für Lungenzellen sein könnte als Dieselabgase.

Bremsstaub: Eine versteckte Gefahr für deine Lunge?

Nicht-abgasbedingte Emissionen, die durch den Abrieb von Straßen, Reifen und Bremsen entstehen, sind neben den Abgasen selbst eine der Hauptquellen für Feinstaub in städtischen Gebieten. Im Gegensatz zu Abgasen unterliegen diese Partikel bislang kaum strengen Vorschriften, obwohl sie in vielen Städten einen großen Anteil des verkehrsbedingten Feinstaubs mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern (PM2,5) ausmachen.

Eine aktuelle Studie von Parkin et al. (2025) untersuchte die Auswirkungen von Bremsstaub auf Lungenzellen und kam zu besorgniserregenden Ergebnissen, insbesondere bei Bremsbelägen, die hohe Mengen an Kupfer enthalten. Die Experimente ergaben:

  • Bremsstaub löste starken oxidativen Stress aus, eine zentrale Ursache für Entzündungen und chronische Atemwegserkrankungen wie Asthma und chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD).
  • Bestimmte Partikel aktivierten hypoxie-induzierte Faktoren (HIF) – eine Reaktion, die normalerweise bei Sauerstoffmangel in den Zellen auftritt und mit Lungenfibrose und sogar Krebs in Verbindung steht.
  • Bremsstaub war in manchen Tests schädlicher für Lungenzellen als Dieselabgase, was die Frage aufwirft, ob bestehende Luftreinhaltegesetze eine bedeutende Gesundheitsgefahr übersehen.
  • Die giftige Wirkung nahm deutlich ab, wenn Kupfer aus den Partikeln entfernt wurde.

Die Ergebnisse der Arbeit deuten darauf hin, dass nicht alle Bremsbeläge gleich sind. Früher enthielten viele Bremsbeläge Asbest, das aufgrund seiner nachgewiesenen Gesundheitsrisiken verboten wurde. Heute setzen Hersteller stattdessen häufig auf Kupfer – und genau dieses Metall könnte laut der Studie eine wesentliche Rolle für die Toxizität des Feinstaubs spielen.

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Wie verlässlich sind diese Erkenntnisse?

Auch wenn die Studie wertvolle Erkenntnisse liefert, ist es wichtig, ihre wissenschaftliche Genauigkeit und Übertragbarkeit auf den Alltag kritisch zu hinterfragen.

1. Laborbedingungen vs. echte Umweltbelastung

Die Experimente wurden in vitro durchgeführt. Das heißt, Lungenzellen wurden unter kontrollierten Laborbedingungen Bremsstaubpartikeln ausgesetzt. Diese Methode ermöglicht zwar präzise Messungen, spiegelt aber nicht genau wider, wie Menschen im Alltag mit Bremsstaub in Kontakt kommen.

In einer echten städtischen Umgebung sind wir nicht nur Bremsstaub ausgesetzt, sondern einer Mischung aus verschiedenen Schadstoffen. Faktoren wie Wetter, Belüftung und die Wechselwirkungen mit anderen Luftpartikeln könnten die schädlichen Wirkungen verändern – oder abmildern.

Das muss gerade allerdings nicht zwingend heißen, dass die Konsequenzen des Bremsabriebs in der Luft automatisch weniger gefährlich für Mensch und Umwelt sind. So wiesen Analysen des Umweltbundesamtes (UBA) erst jüngst auf die außergewöhnlich schlechte Luftqualität in Deutschland hin. Feinstaub (PM10 und PM2,5) gesellt sich dabei zu anderen Schadstoffen in der Luft und mindert ihre Qualität signifikant.

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2. Hohe Partikelkonzentrationen in den Tests

Die Studie verwendete relativ hohe Mengen an Bremsstaubpartikeln, um ihre Auswirkungen auf die Zellen zu untersuchen. Während solche Konzentrationen in Experimenten hilfreich sind, um eindeutige Effekte sichtbar zu machen, könnten sie nicht den realen Expositionswerten entsprechen, die Menschen täglich einatmen.

Wie gefährlich Bremsstaub tatsächlich ist, hängt davon ab, wie viel davon wirklich in unsere Atemwege gelangt. Ohne langfristige Studien zur Gesundheitsbelastung durch Bremsstaub bleibt unklar, ob die alltägliche Exposition ausreicht, um ernsthafte Erkrankungen zu verursachen.

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3. Fokus auf Kupfer, andere Schadstoffe bleiben unbeachtet

Die Forschenden konzentrierten sich hauptsächlich auf die metallische Zusammensetzung des Feinstaubs, insbesondere auf die Rolle von Kupfer. Allerdings enthält Bremsstaub mehr als hundert verschiedene chemische Verbindungen, darunter organische Harze, Kohlenstoffpartikel und verschiedene Additive.

Einige dieser Stoffe könnten ebenfalls gesundheitsschädlich sein, wurden aber in der Studie nicht im Detail untersucht. Die starke Betonung von Kupfer birgt das Risiko, eine möglicherweise vielschichtigere Problematik auf eine einzelne Substanz zu reduzieren.

In den USA haben die Bundesstaaten Washington und Kalifornien gesetzliche Regelungen eingeführt, die den Kupfergehalt in Bremsbelägen beschränken. Seit 2021 dürfen dort keine Bremsbeläge mehr verkauft werden, die mehr als fünf Prozent Kupfer enthalten. „Bis 2025 reduziert das Gesetz die zulässige Kupfermenge auf nahezu Null“, heißt es auf der offiziellen Webseite des Bundesstaates Kalifornien. „Kupfer ist für viele Wasserorganismen giftig. Die Begrenzung des Kupfergehalts von Bremsen ist erforderlich, um ein Bundesmandat des Clean Water Act zu erfüllen.“

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Konsequenzen für Gesundheit und Politik

Trotz ihrer Einschränkungen zeigt die Studie, dass Bremsstaub ein unterschätztes Umweltproblem sein könnte. Folgende Maßnahmen könnten helfen:

  • Strengere Vorschriften für Bremsstaub-Emissionen – ähnlich wie bei Abgasen, mit Grenzwerten für die Gesamtmenge und die toxische Zusammensetzung.
  • Förderung sicherer Bremsmaterialien, zum Beispiel kupferfreie Alternativen mit gleichbleibender Bremsleistung.
  • Langfristige Studien am Menschen, um das tatsächliche Gesundheitsrisiko durch Bremsstaub besser einzuschätzen.

Besonders in Zeiten der Elektromobilität gewinnt dieses Thema an Bedeutung: Elektroautos stoßen zwar keine Abgase aus, produzieren aber dennoch Brems- und Reifenabrieb. Da sie oft schwerer als herkömmliche Fahrzeuge sind, könnte ihre nicht-abgasbedingte Partikelemission sogar höher sein als die von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.

Wichtig: Die erhöhten Emissionen durch Bremsabrieb bei Elektroautos bedeuten nicht automatisch, dass sie mehr Feinstaub in die Luft abgeben als Verbrenner. Nichtsdestotrotz müssen Industrie und Politik Wege finden, sie zu beschränken, um die Belastung der Luftqualität – vor allem in städtischen Regionen – zu reduzieren.

Quellen: „Copper-enriched automotive brake wear particles perturb human alveolar cellular homeostasis“ (Particle and Fibre Toxicology, 2025); State of California

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